- Startseite
- Presse
- Archiv Pressekonferenzen
- Pressekonferenzen 2003
- DSW-Mitgliederversammlung
DSW-Jahrespressekonferenz 2003
Das waren aus Sicht der DSW die wichtigsten Themen des Jahres 2003.
Teilnehmer:
Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer
Jürgen Kurz, Pressesprecher
Es gilt das gesprochene Wort
Das Jahr 2003 war für die DSW geprägt von zwei großen Aktionen für Privatanleger, von interessanten Hauptversammlungen, vom intensiven Dialog mit dem Gesetzgeber und natürlich von der juristischen Beratung unserer Mitglieder.
Stand des Schlichtungsverfahrens
"Deutsche Telekom"
Eine der Aktionen bezieht sich auf den dritten Börsengang der Deutschen Telekom. 63,50 Euro mussten Anleger im Frühjahr 2000 für die neuen T-Aktien bezahlen. Über 15 Milliarden Euro wurden so in die Kasse des Bundes gespült. Im Anschluss ging es mit dem Kurs kontinuierlich bergab. Die Chance, mit Gewinn zu verkaufen, gab es nicht.
Bleibt die Hoffnung auf möglichen Schadenersatz im Rahmen einer Prospekthaftungsklage. Schließlich ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft schon seit dem Frühjahr 2000 gegen führende Mitarbeiter der Telekom. Das Problem: Am 26. Mai diesen Jahres lief die dreijährige Verjährungsfrist ab. Die DSW konnte zu diesem Zeitpunkt nicht zu einer Klage raten, denn ohne neue Erkenntnisse, die nur von der Staatsanwaltschaft kommen können, wäre eine Klage sehr risikoreich. Die Staatsanwaltschaft wird ihre Ermittlungen aber wohl frühestens Ende diesen Jahres abschließen.
Wir haben deshalb zur Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei der Öffentlichen Rechtsauskunfts- und Vergleichsstelle in Hamburg (ÖRA) geraten. Nach Angaben der ÖRA sind über 10.000 T-Aktionäre dieser Aufforderung gefolgt. Der Vorteil dabei: Die Verjährungsfrist wird um die Dauer des eigentlichen Schiedsverfahrens plus weitere sechs Monate verlängert. Zurzeit werden die Gebührenrechnungen der ÖRA an die Antragsteller versandt. Mit einem Gütetermin ist frühestes Mitte November zu rechnen. Wenn es hierbei zu keiner Einigung kommt, haben die T-Aktionäre, die diesen Weg gegangen sind, nochmals sechs Monate Zeit, weitere Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Erst dann müssen sie entscheiden, ob sich eine Klage lohnt oder nicht. Dieser Weg ist sicher der kostengünstigste. Die Gebühren der ÖRA liegen, je nach Streitwert, zwischen 50 und 150 Euro.
Dass die Bonner Staatsanwälte kürzlich Teile des Ermittlungsverfahrens eingestellt haben, kam für uns nicht sonderlich überraschend. Entscheidend ist, dass die Untersuchungen zu einer möglichen Überbewertung von Immobilien weiter andauern.
Argentinien-Anleihen
Die zweite große DSW-Aktion betrifft die notleidenden Staatsanleihen Argentiniens, das seinen kompletten Schuldendienst im Dezember 2001 eingestellt hatte.
Mitte des Jahres hat die DSW gemeinsam mit führenden europäischen Banken eine Initiative für die privaten Inhaber von Argentinien-Anleihen gestartet. Die Interessen der Anleger wurden dabei in einer Gesellschaft zusammengeführt, die sich aktiv an den Umschuldungsverhandlungen mit Argentinien beteiligen wird, die "Argentine Bond Restructuring Agency PLC" (ABRA). Im Auftrag der ABRA wird ein Verhandlungsteam unter Leitung von Adam Lerrick, Investment Banker und Wirtschaftsberater des amerikanischen Kongresses, die Gespräche mit Argentinien führen. Ziel ist es, den Privatanlegern in diesem Prozess eine kraftvolle Stimme zu geben. Es geht darum, Chancengleichheit für die privaten Erwerber von Argentinien-Bonds gegenüber den institutionellen Investoren zu schaffen. Rückenwind hierfür gibt es auch aus Berlin. Das Bundesfinanzministerium wird sich gegenüber der argentinischen Regierung ebenfalls aktiv für die Gleichbehandlung aller Anleihegläubiger einsetzen, das hat uns Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser kürzlich in einem Schreiben versichert.
Was der argentinische Präsident Nestor Kirchner den Anlegern bisher präsentierte, hat seine Popularität in Deutschland nicht gerade gefördert. Zurzeit liegen drei aus unserer Sicht völlig inakzeptable Angebote auf dem Tisch: Entweder die Anleger erhalten den vollen Nennwert und akzeptieren dafür eine Verzinsung zwischen 0,5 und 1,5 Prozent bei einer Laufzeit von 20 bis 42 Jahren. Oder sie verzichten auf 75 Prozent des Nennwerts und erhalten einen Zinssatz, der in Schritten von 0,5 Prozentpunkten pro Jahr von 1 Prozent auf maximal 5 Prozent angehoben wird. Laufzeit hierbei: Zwischen 8 und 32 Jahren. Dritte Möglichkeit: Die Anleger verzichten auf 30 Prozent des Nennwerts und erhalten bei Laufzeiten von 20 bis 42 Jahren 1 bis 2 Prozent Zinsen. Allen drei Vorschlägen gemeinsam ist, dass auf die seit dem Zahlungsausfall angelaufene Zinsen verzichten werden muss. Damit müssten die Anleger effektiv auf 90 bis 96 Prozent ihrer Forderungen verzichten.
Diese von Argentinien genannten Alternativen können nur ein Eröffnungsangebot sein. Die Verhandlungen beginnen erst.
Wichtigste Hauptversammlung
des Jahres 2003
Das Highlight der Hauptversammlungssaison war die Aktionärsversammlung der Lufthansa AG. Auf Antrag der DSW verweigerten die Aktionäre dem Lufthansa Aufsichtsratsmitglied und Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, die Entlastung. Damit wurde erstmals in einer deutschen Publikumsgesellschaft ein Vertreter der Arbeitnehmerseite nicht entlastet. Bsirske hatte Ende 2002 der Lufthansa durch die Organisation eines Streiks an den Flughäfen Frankfurt und München einen Verlust in Millionenhöhe beschert. Das Ärgerliche: Die Nichtenlastung hatte keinerlei Folgen für den Verdi-Chef. Er wird stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bleiben.
Hier besteht Handlungsbedarf. Die Nichtentlastung eines Aufsichtsratsmitglied muss zukünftig eine Rechtsfolge haben, die wie folgt aussehen sollte: Für den Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht entlastet wird, muss das Unternehmen verpflichtet sein, eventuelle Schadenersatzansprüche zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung muss der Hauptversammlung berichtet werden.
Der schnellste Weg zur Durchsetzung dieser Forderung ist sicher der Weg über den Corporate Governance Kodex. Die Rechtswirkung könnte als Empfehlung in den Kodex aufgenommen werden. Unternehmen, die dagegen verstoßen, wären gezwungen, dies in ihrer Entsprechenserklärung zu begründen. Wenn das nicht ausreichen sollte, ist auch eine gesetzliche Lösung vorstellbar.
Wie rote Fäden durch diese Hauptversammlungssaison gezogen, haben sich die Themen Vergütung und direkter Wechsel von Vor-standschefs in die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden.
Was die Vergütung angeht, ist das gewählte Modell entscheidend. Die Managergehälter können sich durchaus am hohen zeitlichen Aufwand und der großer Verantwortung der Vorstände orientieren. Sie müssen aber auch die Entwicklung des Unternehmens darstellen. Steigende Gehälter bei sinkenden Gewinnen darf es nicht geben. Die DSW hält daher einen variablen Anteil von mindestens 60 Prozent für empfehlenswert. Als Gradmesser für den erfolgsbezogenen Teil befürworten wir eine starke Kopplung an das erwirtschaftete Ergebnis des Unternehmens.
Dringend notwendig ist mehr Transparenz. Hier ist in diesem Jahr ein entscheidender Schritt gelungen. Der Corporate Governance Kodex hat die Veröffentlichung der individualisierten Vorstandsgehälter zur Empfehlung gemacht. Unternehmen, die auf die geforderte Transparenz verzichten, müssen das in ihrer Entsprechenserklärung begründen. Dies wird schon nächstes Jahr deutlich mehr Offenheit bei der Vorstandsvergütung bringen. Weitgehende Intransparenz herrscht leider nach wie vor bei den nicht unerheblichen Pensionszahlungen an die Vorstände.
Die Hauptversammlungssaison 2003 war auch eine Saison der Aufsichtsratswahlen. Entsprechend häufig war zu beobachten, wie Vorstandschefs ohne Umweg auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden ihrer Gesellschaft wechselten. Die Krönung eines Lebens als Vorstandschef kann aber nicht automatisch der Vorsitz im Aufsichtsrat sein. Es macht allerdings auch keinen Sinn, Leute mit soviel Know-how zwangsweise aus den Unternehmen zu drängen. Hier wäre es daher sinnvoll, den Corporate Governance Kodex um eine Empfehlung zu ergänzen, die sich mit diesem Sachverhalt befasst. Ziel muss es sein, dass der direkte Wechsel eine vom Unternehmen zu begründende Ausnahme wird. Eine Automatik darf es nicht geben.
DSW-Beratungsaufwand steigt weiter
Wenn die hauptamtlichen Sprecher der DSW nicht auf Hauptversammlungen sind, um sich dort für die Rechte der privaten Aktionäre einzusetzen, beraten sie unsere Mitglieder. Der Beratungsaufwand ist verglichen mit den Vorjahren weiter deutlich gestiegen. Mit ein Grund ist, dass für viele, die im letzten Boomjahr der Börse noch eingestiegen sind und hohe Verluste hinnehmen mussten, das Ende der dreijährigen Verjährungsfrist droht. Ebenfalls sehr großen Beratungsbedarf hatten und haben alle, die sich im Rahmen der beiden genannten Aktionen an uns gewandt haben. Rund 25.000 Anrufe bis Ende Oktober sprechen Bände. Letztes Jahr waren es insgesamt knapp über 20.000 telefonische Anfragen.
Die Zahl der Beratungen die der Schriftform bedurften, lag im vergangenen Jahr bei rund 2600. Für dieses Jahr rechnen wir mit mindestens 2900 Fällen, die von unseren DSW-Rechtsanwälten bearbeitet werden. Das Themenspektrum reicht von fehlerhafter Anlageberatung, die einen deutlichen Schwerpunkt bildet, über die Bewertung von Prospekthaftungsansprüchen bis hin zu gebührenrechtlichen Fragen. Das Thema "kostenlose Übertragung von Gesamtdepots" war in diesem Bereich bisher der Renner.
DSW-Verfahren
Großen Raum in der Arbeit der Schutzvereinigung nehmen selbstverständlich die gerichtlichen Verfahren ein. Der Schwerpunkt 2003 lag auf den sogenannten Spruchverfahren, mit denen unter bestimmten Umständen die Höhen von Abfindungszahlungen gerichtlich überprüft werden können. Dies zum Beispiel dann, wenn Großaktionäre, die mindestens 95 Prozent des Kapitals einer Aktiengesellschaft besitzen, die restlichen Anteilseigner mittels eines Squeeze Out aus dem Unternehmen drängen. Diese seit dem 1. Januar 2002 bestehende Möglichkeit wird zunehmend gerne genutzt.
Allein in diesem Jahr lassen wir die aufgrund eines Squeeze Out Beschlusses gemachten Abfindungsangebote bei den Gesellschaften E.ON Bayern, Sappi Ehingen, Hermes Kreditversicherung, Edscha, Citicorp Deutschland, HVB Real Estate und Aditron für unsere Mitglieder gerichtlich überprüfen.
Forderungen an den Gesetzgeber
Last but not least, ist die Schutzvereinigung natürlich auch mit dem Gesetzgeber im intensiven Dialog. Und hier wird einiges an Änderungen geplant, die für Privatanleger von großer Bedeutung sind. Ich nenne nur das Investmentmodernisierungsgesetz, das bereits Anfang 2004 geltendes Recht sein soll, oder den 10-Punkte-Plan zur Verbesserung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes in Deutschland.
Was das Investmentmodernisierungsgesetz angeht, haben wir ein Ziel bereits erreicht, Privatanleger werden die Möglichkeit bekommen, in Einzel-Hedgefonds zu investieren. Die wenig sinnvolle Begrenzung auf Dachfonds dürfte zu den Akten gelegt sein. Was uns noch fehlt, ist eine intensivere Aufklärungspflicht. So sieht das Gesetz keine erweiterten Informationspflichten für Finanzdienstleister oder Emittenten der Fonds vor. Hier muss zumindest der gleiche Maßstab gelten, wie bei Finanztermingeschäften.
Der groß angekündigte 10-Punkte-Plan ist bei der ganzen Aufregung rund um die Hedgefonds etwas in Vergessenheit geraten. Leider. Schließlich stecken in diesem Plan einige Ideen, die bei richtiger Umsetzung den Anlegerschutz in Deutschland ein ganzes Stück nach vorne bringen könnten. An erster Stelle zu nennen, ist die erweiterte Haftung von Vorständen bei Falschinformation des Marktes.
Bisher können private Aktionäre Schadenersatzansprüche nur dann erfolgreich durchsetzen, wenn sie den Vorständen vorsätzliches Handeln nachweisen. Zusätzlich gilt es zu beweisen, dass die Aktien tatsächlich nur aufgrund der falschen Informationen ge- oder verkauft wurden. Ein fast unmögliches Unterfangen.
Hier soll sich einiges verbessern. So ist geplant, dass Organmitgliedern schon bei grobfahrlässiger Falschinformation haftbar gemacht werden können. Dies soll sich zunächst auf Ad-hoc-Mitteilungen erstrecken und somit eine Verbesserung der Qualität und Verlässlichkeit dieser Mitteilungen für die Anleger erzielen. Darüber hinaus wird diskutiert, inwiefern die Haftung von Organmitgliedern auf sonstige Publikationen, etwa Jahresberichte oder Zwischenberichte, sowie Vorträge und Interviews ausgedehnt werden soll.
Ein weiteres Ärgernis für die Aktionäre soll ebenfalls bald der Vergangenheit angehören. Der Regierungsvorschlag sieht die Einführung eines Musterprozessverfahrens vor. Anleger hätten damit die Möglichkeit, sich zusammenzuschließen und einen Fall als exemplarische Musterklage vor Gericht zu bringen. Der Clou dabei: Aufgrund des niedrigeren Streitwerts sinken die Kosten deutlich und die Verjährungsfrist wird für die am Verfahren Beteiligten ausgesetzt. Nach heutigem Recht stoppt die Verjährung nur für diejenigen, die auch selbst vor Gericht klagen.
Unserer Meinung nach sollte die Verjährungsfrist darüber hinaus grundsätzlich ausgesetzt werden, wenn gegen Organe eines Unternehmens strafrechtlich ermittelt wird. Der Vorteil einer solchen Regelung: Die gewonnenen Erkenntnisse könnten auch zivilrechtlich genutzt werden.
Steuerdiskussion bleibt undurchsichtig
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Steuerdiskussion in diesem Land sagen. Nach wie vor ist hierbei nur eines sicher: Wir wissen, dass wir wenig wissen.
Klar scheint zu sein, dass eine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge kommen soll. Schon bei der Höhe des Steuersatzes stellt sich allerdings Unsicherheit ein. Am wahrscheinlichsten scheint ein Satz zwischen 25 und 30 Prozent zu sein.
Für uns besonders ärgerlich: Immer wieder flackert die Diskussion um die Abschaffung der Spekulationsfrist auf. Damit wären Gewinne aus Aktienverkäufen nicht mehr nach einem Jahr steuerfrei. Das wäre das völlig falsche Signal. Hinzu kommt, dass eine solche Steuer kaum einen nennenswerten Beitrag zum Bundeshaushalt bringen würde. Zwar haben einige Anleger in den letzten Monaten gute Gewinne gemacht. Viele sitzen aber nach wie vor auf großen, noch nicht realisierten Verlusten, die steuerlich gegen die Gewinne gerechnet werden können.
Meiner Meinung nach sollte die Regierung das Bild vom reichen Aktionär, der sein Geld auf Kosten der Arbeitnehmer verdient, endlich in die Mottenkiste werfen. Die Wahrheit ist eine andere: Mehr als 1,4 Millionen der rund 4,9 Millionen Aktionäre in Deutschland sind Belegschaftsaktionäre, deren Anteilsscheine mit Sperrfristen von bis zu 5 Jahren versehen sind. Die SPD würde mit der Entscheidung, die Spekulationsfrist abzuschaffen, vor allem die eigene Wählerklientel treffen.