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Hauptversammlungssaison 2004
Die Hauptversammlungssaison 2004 ist fast abgelaufen. Zeit ein Fazit zu ziehen: Rund 800 Hauptversammlungen haben Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in diesem Jahr besucht. Das waren etwa 50 weniger als im Vorjahr. Grund für den Rückgang sind sowohl von Großaktionären durchgeführte Squeeze-out als auch Insolvenzen. Ein nennenswerter Zuwachs durch Börsengänge war ja bekanntermaßen nicht zu verzeichnen.
Teilnehmer:
Thomas Hechtfischer, Landesgeschäftsführer NRW
Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer
Jürgen Kurz, Pressesprecher
Es gilt das gesprochene Wort
Die Hauptversammlungssaison 2004 ist fast abgelaufen. Zeit ein Fazit zu ziehen:
Rund 800 Hauptversammlungen haben Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in diesem Jahr besucht. Das waren etwa 50 weniger als im Vorjahr. Grund für den Rückgang sind sowohl von Großaktionären durchgeführte Squeeze-out als auch Insolvenzen. Ein nennenswerter Zuwachs durch Börsengänge war ja bekanntermaßen nicht zu verzeichnen.
Bei 103 Gesellschaften haben die DSW-Sprecher insgesamt 217mal gegen die Vorschläge der Verwaltung gestimmt. Im Vorjahr haben wir 177mal „Nein" gesagt, 2002 stimmten die Vertreter der Schutzvereinigung 200mal gegen die Verwaltung. Oppositionen hat die DSW in der abgelaufenen Saison zu 35 Tagesordnungspunkten bei 16 Gesellschaften angemeldet. 2003 waren es ebenfalls 35 Oppositionen, 2002 mussten wir nur 7mal zu diesem Mittel greifen.
Die Präsenz auf den Hauptversammlungen geht weiter kontinuierlich zurück. Wie Sie der beigefügten Tabelle entnehmen können, liegt der Durchschnittswert für die im DAX30 notierten Gesellschaften mittlerweile nur noch bei 47,29 Prozent. Die rote Laterne trägt dieses mal allerdings nicht, wie in den letzten Jahren fast schon traditionell üblich, der Sportartikelhersteller Adidas. Mit einer Präsenz von gerade einmal 17,59 Prozent hat die Infineon Technologies AG diesen Platz eingenommen. Bei dem Halbleiterunternehmen hätte somit der Besitz von rund 8,8 Prozent des gesamten Kapitals ausgereicht, um die Hauptversammlungsmehrheit und damit das Sagen im Unternehmen zu erlangen. Adidas liegt mit 28,25 Prozent auf dem vorletzten Platz der Skala.
Mit der Dividendenentwicklung sind wir grundsätzlich zufrieden. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren im Geschäftsjahr 2003 nicht sonderlich günstig. Trotz steigender Rohstoffpreise, hohem Eurokurs und anhaltender Konjunkturschwäche haben viele Unternehmen es geschafft, höhere Gewinne zu erwirtschaften. Teilweise gelang dies sogar bei fallenden Umsätzen. Die Gesellschaften haben die schlechten Zeiten genutzt und erfolgreich umstrukturiert. Die Aktionäre konnten hiervon ebenfalls profitieren. Immerhin überwiesen die deutschen Unternehmen insgesamt 16 Milliarden Euro an ihre Besitzer. Das sind rund 300 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Weniger erfreulich ist, dass das Wachstum der Dividendenzahlungen mit dem Zuwachs bei den Gewinnen nicht hat mithalten können. Besonders gravierend zeigt sich dieses Missverhältnis im DAX30. Zwar stellt dieses Börsensegment mit Ausschüttungen in Höhe von etwa 10,5 Milliarden Euro den mit Abstand größten Teil der gesamten Dividendenzahlungen. Die Aktionäre mussten sich bei den Gewinnausschüttungen aber mit einem Plus von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr begnügen. Dabei sind die Gewinne der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften um rund 30 Prozent in die Höhe geschossen. Damit entfernen wir uns ein weiteres Stück von der DSW-Forderung, dass die Hälfte des operativen Gewinns an die Anteilseigner auszukehren ist.
Heiß diskutiertes Thema der Hauptversammlungssaison war die mangelnde Transparenz bei den Managergehältern. Der Empfehlung des Corporate Governance Kodex, die Vorstandsbezüge individualisiert offen zu legen, folgten für das Geschäftsjahr 2003 mit Altana, Bayer, Deutsche Bank, Deutsche Börse, Post, RWE, SAP, Telekom und ThyssenKrupp gerade einmal neun der 30 im DAX notierten Gesellschaften. Schering und die Commerzbank legten immerhin das Gehalt ihrer Vorstandsvorsitzenden offen.
Diese Quote ist mehr als enttäuschend. Doch langsam aber sicher bröckelt die Mauer des Schweigens. Allianz und MAN haben bereits angekündigt, die Vorstandsgehälter ab dem kommenden Geschäftsjahr individualisiert offen zu legen. Adidas-Chef Herbert Hainer hat zumindest sein eigenes Gehalt mittlerweile veröffentlicht. 1,5 bis 1,8 Millionen Euro verdient der Mann an der Spitze des Sportartikelherstellers. Zudem hat eine DSW-Studie zur Vorstandsvergütung ergeben, dass mit Commerzbank, E.ON, Schering und TUI vier weitere Gesellschaften über eine individualisierte Veröffentlichung der Vorstandsgehälter nachdenken.
Aber selbst wenn wir im kommenden Jahr eine deutlich höhere Anzahl an transparenten Unternehmen haben werden, wäre eine gesetzliche Regelung, die die Kodex-Empfehlung ergänzt, wünschenswert. Allein schon, um festzulegen, welche Informationen im einzelnen zu veröffentlichen sind. Nur, wenn solche Standards gesetzt werden, ist auch eine Vergleichbarkeit gegeben. Hierfür ist ein Gesetz sicher notwendig. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Standardisierung in diesem Bereich ist der in Großbritannien seit 2002 gesetzlich vorgeschriebene Vergütungsbericht. Hierin ist übrigens auch dezidiert nachzulesen, was die aktiven Vorstände an Pensionsanwartschaften angesammelt haben. Dieser wichtige Gehaltsbestandteil liegt in Deutschland, auch bei den Unternehmen, die die Vorstandsgehälter individualisiert veröffentlichen, weitgehend im Dunkeln. Das kann nicht so bleiben. Man sollte nicht vergessen, dass gerade für Manager, die länger als eine Amtszeit im Unternehmen sind, hier ganz erkleckliche Summen zusammenkommen. Nach einer Legislaturperiode liegt die Anwartschaft in der Regel bei 30 Prozent des Fixums. Dieser Betrag wächst auf bis zu 70 Prozent an. Bei den Top-Zahlern unter den DAX-Gesellschaften sind da selbst für einfache Vorstandsmitglieder Pensionszahlungen bis zu 600.000 Euro pro Jahr möglich.
Damit eine solche neue Rechtsnorm nicht als Ersatz sondern als Ergänzung des Kodex verstanden wird, wäre es auch denkbar, gesetzlich lediglich die individualisierte Veröffentlichung der Vergütung des Vorstandsvorsitzenden vorzuschreiben. Die darüber hinausgehende Forderung nach individualisierter Veröffentlichung der Bezüge aller Vorstände könnte Kodex-Empfehlung bleiben.
Aber nicht nur die Gehälter der Vorstände auch die der Aufsichtsräte wurden intensiv diskutiert. Hier hat das Jahr 2004 eine deutliche Verbesserung gebracht. Die DSW hat sich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Ergebnis durchgesetzt, dass Aufsichtsräte keine Aktienoptionen mehr erhalten dürfen. Wir hatten einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss der Mobilcom AG angefochten. Damit steht endgültig fest, dass Aktienoptionen nicht die richtige Vergütungsart für Aufsichtsräte sind. Schließlich kann es für die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats kaum förderlich sein, wenn Vorstand und Aufsichtsrat die gleiche Zielgröße haben, wenn es um die Optimierung des Gehalts geht. Eine solche Interessengleichheit ist weder sinnvoll noch gewollt. Nicht umsonst werden Aufsichtsräte im Gesetz ganz bewusst nicht genannt, wenn es um die Gruppen geht, die für Aktienoptionspläne in Frage kommen. Auch sieht der Corporate Governance Kodex aktienkursabhängige Vergütungsbestandteile ausdrücklich nur für Vorstände vor.
Die Reaktionen aus der Wirtschaft blieben nicht aus: Der Pharmakonzern Schering hat zugesagt, auf der nächsten Hauptversammlung seine Satzung entsprechend zu ändern und zukünftig auf Aktienoptionen als Bestandteil der Aufsichtsratsvergütung zu verzichten. DaimlerChrysler nahm nach dem Urteil einen Tagesordnungspunkt, der eine solche Vergütungsart für den Aufsichtsrat festlegen sollte, kurzfristig von der Agenda der Hauptversammlung.
Nicht nur aus diesem Grund war die Aktionärsversammlung von DaimlerChrysler eines der High-Lights der Hauptversammlungssaison. Die DSW hat sowohl Vorstand wie Aufsichtsrat die Entlastung verweigert. Gründe gab es genug: Die Vision des Vorstandsgremiums von der Welt-AG ist weitgehend gescheitert. Alle Ertragsprognosen sind über Jahre hinweg nicht erreicht worden. Hinzu kam das unwürdige „Toll-Collect-Theater", das dem Unternehmen einen enormen Imageschaden zugefügt hat. Beim Aufsichtsrat kam als Grund für die Nichtentlastung hinzu, dass das Gremium den Vertrag von Vorstandschef Jürgen Schrempp trotz des Scheiterns seiner Strategie vorzeitig verlängert hat.
Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Lufthansa AG, blieb für die Aktionäre der Airline auch dieses Jahr ein Ärgernis. Obwohl ihm die Anteilseigner auf der letztjährigen Hauptversammlung die Entlastung verweigerten, sitzt der Gewerkschaftsboss nach wie vor in der gleichen Position im Kontrollgremium des Unternehmens. Kein Wunder, dass die Forderung nach dem Rücktritt des Verdi-Chefs von großem Beifall begleitet wurde. Für uns ist klar: Es kann nicht zugelassen werden, dass das Misstrauen der Eigentümer ohne jede Folge bleibt. Das Thema „Rechtsfolge bei Nichtentlastung" muss jetzt entweder vom Gesetzgeber oder vom Corporate Governance Kodex geregelt werden.
Dass es auf kleineren Hauptversammlungen ebenfalls hoch her gehen kann, haben auch dieses Jahr wieder eine ganze Reihe von Beispielen gezeigt. Prädestiniert für Problem-HVs scheinen insbesondere die Unternehmen aus dem Bereich „erneuerbare Energien" zu sein. So haben wir etwa bei dem Windenergie-Unternehmen Nordex AG den Vorständen die Entlastung verweigert. Der Nordex-Vorstand hatte in der Hauptversammlung vom 14. Februar 2003 die vorher prognostizierten Umsatz- und Ertragsziele für das Geschäftsjahr 2002/2003 bestätigt, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass das Unternehmen einen deutlichen Umsatzeinbruch wird hinnehmen müssen. Tatsächlich erreichte Nordex im Geschäftsjahr 2002/2003 statt der geplanten 520 Millionen Euro nur einen Jahresumsatz von 196,2 Millionen Euro. Statt des angekündigten Gewinns wurden 172 Millionen Euro Verlust gemacht.