DSW-Watchlist 2005

Bei den Unternehmen, die sich auf der DSW-Watchlist befinden, ist das für die Anleger sicher vor allem ein Blick zurück im Zorn, handelt es sich dabei doch um die 50 größten Kapitalvernichter unter den deutschen Aktiengesellschaften. Für die Anleger eine wichtige Information. Macht die Liste doch Risiken und längerfristige Entwicklungen sichtbar. Wie schon in den vergangenen Jahren haben wir die Watchlist wieder gemeinsam mit der Zeitschrift WERTPAPIER erstellt. Analysiert wurden die 372 im Prime Standard der Deutschen Börse gelisteten Unternehmen. Sind es doch diese Gesellschaften, die vorrangig im Fokus der Anleger stehen.

Teilnehmer:

Herr Ulrich Hocker, DSW-Hauptgeschäftsführer

Herr Jürgen Kurz, Pressesprecher

Es gilt das gesprochene Wort.

Auf deutsche Aktiengesellschaften rollt in diesem Jahr eine wahre Gesetzeslawine zu. Mit Macht will die Bundesregierung den Schutz der Privatanleger in Deutschland endlich auf international übliches Niveau hieven. Bereits Anfang 2003 hatten Justizministerin Brigitte Zypries und Finanzminister Hans Eichel hierfür ein Zehn-Punkte-Programm zur „Verbesserung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes“ vorgestellt. Jetzt treten die ersten Normen in Kraft. Ob das angestrebte Ziel tatsächlich erreicht wird, ist nicht gesichert. Schließlich haben die Anleger nicht nur Grund zur Freude. Teilweise schränken die neuen Regelwerke ihre Rechte sogar stark ein.

Mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG), das bereits seit Ende Oktober 2004 geltendes Recht ist, werden unter anderem die Ad-hoc-Mitteilungspflichten der Gesellschaften deutlich verschärft. Die Öffentlichkeit muss jetzt bereits dann informiert werden, wenn „Umstände vorliegen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreffen werden“. So soll etwa bei einer geplanten Übernahme nun bereits die Zustimmung des Vorstands für eine Ad-hoc-Pflicht ausreichen. Bisher musste das Unternehmen die Karten erst auf den Tisch legen, wenn der Aufsichtsrat mit „Ja“ gestimmt hat. Hier besteht die Gefahr einer Entmachtung des Aufsichtsrats durch die Hintertür. Ich bin nicht sicher, ob das tatsächlich die Intention des Gesetzgebers war. Um das hohe Missverständnispotenzial des Gesetzestextes in den Griff zu bekommen, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kürzlich den ersten Entwurf eines „Emittenten-Leitfaden“ veröffentlicht, der für Klarheit sorgen soll.

In Kürze soll mit dem KapMuG (Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz) ein weiteres Regelwerk zum Thema Anlegerschutz in Kraft treten. Im Prozessrecht wird hierbei echtes Neuland betreten. Künftig wird es Anlegern möglich sein, ein Musterverfahren zu beantragen, wenn es um Schadenersatz wegen falscher Kapitalmarktinformationen geht. Der Vorteil liegt auf der Hand: Musste bisher jede Klage einzeln vor Gericht durchexerziert werden, reicht zukünftig die Entscheidung im Musterfall. Das senkt die Kosten für die Kläger deutlich. Außerdem sollte das KapMuG die Verfahrensdauer reduzieren. Erste Nagelprobe für das Gesetz könnte das Verfahren gegen die Deutsche Telekom sein, das zurzeit am Frankfurter Landgericht anhängig ist. Rund 15000 Kläger sind der Ansicht, dass der Prospekt zum dritten Börsengang des Ex-Staatskonzerns aufgrund fehlerhafter Immobilienbewertung falsch war. Der zuständige Richter will das Verfahren nach dem neuen Recht durchführen.

Damit es erst gar nicht zu Klagen kommt, setzt das Anlegerschutzduo Zypries/Eichel auf eine aktivere Kontrolle der Unternehmensbilanzen. Mit dem Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) wird hierzu eine Enforcementstelle installiert, die Unternehmensabschlüsse intensiv unter die Lupe nehmen soll. Verweigert ein Unternehmen die Zusammenarbeit, kann die BaFin eingeschaltet werden und eine Bilanzprüfung erzwingen.

Ein echter Balanceakt in Sachen Anlegerschutz wird das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), das für November geplant ist. Justizministerin Zypries will hiermit gleichzeitig die Klagerechte der Aktionäre stärken und erpresserische Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse erschweren. Das kann man nur als echten Spagat bezeichnen.

Verschärft werden mit dem UMAG die Haftungsrisiken für Vorstände und Aufsichtsräte. Sind nach aktueller Rechtslage 10 Prozent des Grundkapitals oder Anteilscheine im Nennwert von einer Million Euro nötig, um eine Gesellschaft im Rahmen einer Hauptversammlung (HV) zu zwingen, Schadenersatzansprüche gegen Manager zu prüfen, werden künftig 1 Prozent des Grundkapitals respektive Aktien im Börsenwert von 100.000 Euro hierfür ausreichen. Dabei geht es allerdings nur um die Innenhaftung. Wenn ein Vorstand oder ein Aufsichtsrat tatsächlich Schadenersatz zahlen muss, geht das Geld nicht an die Aktionäre, sondern an die AG.

Im Gegenzug soll mit dem UMAG die Möglichkeit, Unternehmen mittels Anfechtungsklagen zu erpressen, deutlich erschwert werden. Ab November soll in einem Vorverfahren geprüft werden, ob eine Klage wirklich substanziell oder missbräuchlich ist. Wird auf „missbräuchlich“ entschieden, kann der von dem Unternehmen angestoßene Prozess trotz Klage weiterlaufen.

Beim wichtigsten Punkt, der direkten Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten gegenüber ihren Aktionären, hat die Regierung leider gekniffen und das geplante Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG) von der Agenda genommen. Damit sollte festgelegt werden, dass Manager Schadenersatz zahlen müssen, sobald sie Anleger vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch informieren. Es bleibt also zunächst bei der gegenwärtigen Rechtslage. Anleger, denen beispielsweise falsche Gewinnzahlen vorgegaukelt wurden, haben nur dann eine Chance auf Schadenersatz, wenn sie beweisen können, dass ihre Anlageentscheidung tatsächlich nur auf dieser falschen Information beruhte. Der Beweis dieses kausalen Zusammenhangs zwischen Falschinformation und Kaufentscheidung ist in der Realität allerdings fast unmöglich. Entsprechend selten müssen Vorstände hierzulande Schadenersatz an betrogene Aktionäre zahlen.

Soviel als kurzer Ausblick auf das, was auf Aktionäre und Unternehmen in den kommenden Monaten im Bereich Gesetzgebung zukommt. Doch werfen wir nun einen Blick zurück. Und zwar auf die Kursentwicklung der letzten fünf Jahre. Bei den Unternehmen, die sich auf der DSW-Watchlist befinden, ist das für die Anleger sicher vor allem ein Blick zurück im Zorn, handelt es sich dabei doch um die 50 größten Kapitalvernichter unter den deutschen Aktiengesellschaften. Entstanden ist die Liste zunächst als Hilfestellung für die DSW-Hauptversammlungssprecher. Ziel war es, ein Instrument zu entwickeln, anhand dessen es einfach und schnell möglich ist, Problemfälle unter den Aktiengesellschaften heraus zu filtern. Seit einigen Jahren wird die Watchlist von uns auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Anleger eine wichtige Information. Macht die Liste doch Risiken und längerfristige Entwicklungen sichtbar. Dabei kann die Investition in ein Unternehmen, das sich auf unserer Liste befindet, durchaus Sinn machen. Schließlich wird gerade mit Turn-around-Kandidaten das meiste Geld verdient.

Wie schon in den vergangenen Jahren haben wir die Watchlist wieder gemeinsam mit der Zeitschrift WERTPAPIER erstellt. Analysiert wurden die 372 im Prime Standard der Deutschen Börse gelisteten Unternehmen. Sind es doch diese Gesellschaften, die vorrangig im Fokus der Anleger stehen. AGs die lediglich im General Standard notiert sind, also die Transparenzanforderungen des Prime Standards nicht erfüllen, sind aus unserer Sicht für eine Anlage nicht empfehlenswert. Angesehen haben wir uns die Kursentwicklung über drei verschiedene Zeiträume: Fünf Jahre, drei Jahre und ein Jahr. Grundlage der Messung war jeweils der Schlusskurs des letzten Handelstages im entsprechenden Jahr.

Dass etliche neue Gesellschaften in der Liste zu finden sind, hat nur zum Teil mit positiven Veränderungen bei den Unternehmen zu tun, die auf der Watchlist 2004 standen. Vielmehr waren einige Überlebende des Neuen Marktes im letzten Jahr noch keine fünf Jahre an der Börse und konnten bei der Untersuchung deshalb nicht berücksichtigt werden. In diesem Jahr sind viele davon ganz vorne dabei.

Die rote Laterne hält das Frankfurter Technologieunternehmen Augusta Technologie, das einer Insolvenz nur knapp entgangen ist. Wer in Aktien dieser Gesellschaft Ende 1999  Geld investierte, verlor pro Jahr 56,1 Prozent seines eingesetzten Kapitals. Noch schlechter sah es für Anleger aus, die erst vor drei Jahren auf die Idee kamen, dass die Herstellung industrieller IT-, Sensor- und Kommunikationssysteme eine ertragreiche Geschäftsidee ist. In diesem Zeitraum verloren die Anleger sogar 58,6 Prozent pro Jahr. Damit nicht genug. Sage und schreibe 85,7 Prozent ihres Geldes mussten Anleger in den Wind schreiben, die Ende 2003 Papiere des Frankfurter Unternehmens erwarben. Damit markiert Augusta in diesem Zeitraum den schlechtesten Wert aller im Prime Standard notierten Gesellschaften.

Kaum besser stehen die Aktionäre der Pandatel AG da. Das in Hamburg beheimatete Unternehmen gehört zwar nach eigenen Angaben weltweit zu den führenden Anbietern professioneller Netzwerktechnologie. Den Anlegern hat das allerdings herzlich wenig genützt. Besonders hart traf es auch hier Aktionäre, die ihre Papiere vor etwas über einem Jahr erwarben. Minus 76,1 Prozent lautet die mehr als ernüchternde Bilanz.

Ein weiterer Marktführer ziert den dritten Platz der DSW-Watchlist. Die Mosaic Software AG aus dem nordrhein-westfälischen Meckenheim, nach eigenen Angaben „führender Anbieter von universell einsetzbaren Lösungen für den elektronischen Daten- und Dokumentenaustausch“. Für die Aktionäre kein gutes Geschäft. Minus 55,6 Prozent (p.A.) im Fünfjahres-, minus 39 Prozent (p.A.) im Dreijahres- und sogar minus 74 Prozent im Einjahresvergleich sprechen eine mehr als deutliche Sprache.

Die schlechteste Performance aller Prime Standard Unternehmen lieferte im Fünfjahreszeitraum der auf Rang 5 in der Gesamtliste platzierte Softwareentwickler Fantastic ab. Pro Jahr verloren die Anleger 71,1 Prozent.

Im Dreijahresvergleich wird diese zweifelhafte Ehre dem Windparkbetreiber Plambeck Neue Energien AG mit einem Minus von 67 Prozent per Anno zu Teil. Immerhin hat der Anbieter regenerativer Energie seine Platzierung leicht von Rang 2 im vergangenen Jahr auf Platz 6 in der aktuellen Liste verbessern können. Für die Aktionäre wird das allerdings kein Trost sein.

Erfreulich ist, dass in der diesjährigen DSW-Watchlist kein DAX30-Wert mehr vertreten ist. Im letzten Jahr waren mit Allianz, Bayer, Deutsche Telekom, HypoVereinsbank, Münchener Rück und der TUI noch sechs der größten deutschen Aktiengesellschaften in der Liste der Kapitalvernichter zu finden. Hintergrund dieser positiven Entwicklung dürfte die anspringende Konjunktur sein. Die Börse hat die Rezession für beendet erklärt. Hiervon profitieren an erster Stelle die Aktienkurse der großen, gut positionierten Unternehmen. Kleinere Gesellschaften spüren diesen Rückenwind in der Regel erst etwas später.

Der M-DAX ist in der aktuellen Liste wie schon im letzten Jahr wieder mit fünf AGs vertreten. WCM, Spitzenreiter der Watchlist 2004, landete in diesem Jahr auf Platz 18. Ebenfalls alte Bekannte sind KarstadtQuelle, SGL Carbon und MLP. Neu hinzugekommen aus dem M-DAX ist die arg gebeutelte Medion AG auf Platz 42. Nicht mehr dabei und damit ein Beispiel dafür, dass mit klugen Konzepten auch im Einzelhandel durchaus Geld verdient werden kann, ist Douglas.

Watchlist_2005.pdf