Hauptversammlungssaison 2005

Die Hauptversammlungssaison 2005 neigt sich dem Ende zu. Zeit ein Fazit zu ziehen: Rund 800 Hauptversammlungen haben die – zum aller größten Teil ehrenamtlich für uns tätigen – Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in diesem Jahr wieder besucht und dort aktiv die Sache der privaten Aktionäre vertreten. Wenn nötig, haben sie den Finger in die Wunden gelegt und unternehmensspezifische Probleme offensiv angesprochen.

Teilnehmer:

Thomas Hechtfischer, Landesgeschäftsführer NRW

Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer

Jürgen Kurz, Pressesprecher

Es gilt das gesprochene Wort

Die Hauptversammlungssaison 2005 neigt sich dem Ende zu. Zeit ein Fazit zu ziehen: Rund 800 Hauptversammlungen haben die – zum aller größten Teil ehrenamtlich für uns tätigen – Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in diesem Jahr wieder besucht und dort aktiv die Sache der privaten Aktionäre vertreten. Wenn nötig, haben sie den Finger in die Wunden gelegt und unternehmensspezifische Probleme offensiv angesprochen.

Bei 93 Gesellschaften haben die DSW-Sprecher insgesamt 196mal gegen die Vorschläge der Verwaltung gestimmt. Im Vorjahr haben wir 217mal „Nein“ gesagt. 2003 stimmten die Vertreter der Schutzvereinigung 200mal gegen die Verwaltung. Oppositionen hat die DSW in der abgelaufenen Saison 59mal bei 23 Gesellschaften angemeldet. 2004 waren es 35 Oppositionen, 2003 mussten wir ebenfalls 35mal zu diesem Mittel greifen.

Das Interesse der Investoren an Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften ist leider auch in diesem Jahr weiter zurückgegangen. So waren auf den Aktionärstreffen der 30 im DAX notierten Unternehmen im Jahr 2005 durchschnittlich gerade einmal 45,87 Prozent der stimmberechtigten Anteilsscheine vertreten. Im Vorjahr lag der Wert noch bei 47,19 Prozent. 1998 konnten die Gesellschaften eine durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz von 60,95 Prozent verzeichnen. Damit setzt sich der Trend der fallenden Präsenz nahtlos fort.

Noch dramatischer wird das Bild, werden die Gesellschaften mit Großaktionären herausgerechnet, die in der Regel höhere Präsenzzahlen vorweisen können. Bei den Unternehmen, deren Aktien zu mehr als 80 Prozent im Streubesitz liegen, sind durchschnittlich nur 39,80 Prozent des stimmberechtigten Kapitals auf den Hauptversammlungen vertreten. Die Gefahr von Zufallsmehrheiten wird so immer größer.

Hintergrund des Rückgangs ist das verstärkte Engagement ausländischer Investoren, die ihr Stimmrecht aufgrund der damit verbundenen Kosten und des Zeitaufwands häufig verfallen lassen. Hinzu kommt, dass Sparkassen und Volksbanken die Stimmen ihrer Kunden nicht mehr vertreten und zudem meist nicht darauf hinweisen, dass es für Privatanleger auch andere kostenlose Vertretungsmöglichkeiten gibt. Beispielsweise über die DSW.

Die weiter abnehmende Präsenz auf deutschen Hauptversammlungen lässt mittlerweile auch in den Vorstandsetagen die Alarmglocken schrillen. Kein Wunder, wurde am Beispiel der Deutschen Börse doch erst kürzlich vorgeführt, was Unternehmen blühen kann, die auf großen Bargeldbeständen sitzen, keinen schützenden Großaktionär haben und nur einen kleinen Teil des stimmberechtigten Kapitals auf ihrem Aktionärstreffen begrüßen können. Sie laufen Gefahr, in das Visier von Hedge-Fonds-Managern zu geraten, die eine Chance sehen, mit geringem Einsatz an das gehortete Geld zu kommen – Rücktritt des Vorstands inklusive.

Klar ist: Keiner will, dass Minderheiten die Unternehmen beherrschen. Deshalb müssen die Präsenzzahlen wieder nach oben. An Ideen, wie das zu schaffen ist, mangelt es nicht. Sie reichen von der gesetzlichen Pflicht der Banken, Stimmrechte ihrer Kunden zu vertreten, bis zur Stimmrechtsbeschränkung für kurzfristig orientierte Anleger. Doch diese Vorschläge sind entweder mit enormem bürokratischem Aufwand verbunden, oder sie unterteilen die Investoren in zwei Klassen. Das ist weder wünschenswert noch durchsetzbar.

Viel diskutiert wird zurzeit die Idee, Hauptversammlungsbesuchern eine höhere Dividende zu überweisen, um so die Präsenz zu steigern. Unserer Ansicht nach kann eine solche Regelung nicht gesetzlich vorgeschrieben werden. Hier gilt es, den Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, per Satzungsänderung zu bestimmen, dass diejenigen Aktionäre, die ihre Stimme abgeben, einen Dividendenbonus erhalten. Dabei liegt die Betonung auf „abgeben der Stimme“. Reine Anwesenheit sollte nicht belohnt werden.

Im Gegensatz zur Entwicklung der Präsenzzahlen können die Aktionäre mit der Dividendenentwicklung im Großen und Ganzen zufrieden sein. Die durchschnittliche Dividende lag für das Geschäftsjahr 2004 bei 0,28 Euro je Aktie im rechnerischen Nennwert von einem Euro. Im Vorjahr mussten die Aktionäre sich mit durchschnittlich 0,21 Euro je Aktie bescheiden. Auch absolut konnte die Dividendenzahlung deutlich gesteigert werden. Mit insgesamt 20,3 Milliarden Euro wurde der Wert des Vorjahres um knapp 27 Prozent übertroffen.

Trotz der Steigerung, gibt es keinen Grund in Jubelstürme auszubrechen. Schließlich stellen die dividendenlosen Gesellschaften nach wie vor den mit Abstand größten Anteil. Aktionäre von 585 der insgesamt 952 betrachteten Unternehmen mussten auf eine Gewinnausschüttung verzichten. Hierunter befinden sich zahlreiche jüngere Unternehmen, die seit dem Gang an die Börse noch keine Dividenden gezahlt haben. Mit der HypoVereinsbank und Infineon waren aber auch zwei DAX-Gesellschaften in dieser Gruppe zu finden.

Von den verbleibenden 367 Unternehmen ließen 222 Gesellschaften ihre Dividende unverändert, 98 erhöhten die Gewinnausschüttung, 30 kehrten nach einem dividendenlosen Jahr wieder in die Reihe der Zahler zurück – prominentestes Beispiel hierfür ist sicher die Deutsche Telekom – und 17 mussten ihre Ausschüttung kürzen.

15,1 Milliarden Euro steuerten die 28 Dividendenzahler aus dem DAX30 zu der Gesamtsumme von 20,3 Milliarden Euro bei. Besonders erfreulich fiel das Ergebnis für die T-Aktionäre aus, die im letzten Jahr noch leer ausgingen. Mit einer Gewinnausschüttungssumme von 2,6 Milliarden Euro schießt der Telekommunikationskonzern vom dividendenlosen Unternehmen unangefochten auf den ersten Rang der Dividendenzahler. Auf den Plätzen folgen mit 1,6 Milliarden Euro der Energiekonzern E.ON und mit 1,5 Milliarden Euro der Automobilkonzern DaimlerChrysler.

In Nordrhein-Westfalen sieht die Dividendenwelt noch etwas besser aus als bundesweit. Die hier ansässigen 195 Aktiengesellschaften, damit stellt NRW 21 Prozent der Grundgesamtheit von 952 Unternehmen, schütteten zusammen rund 8,2 Milliarden Euro aus. Das entspricht knapp 40 Prozent der gesamten Dividendensumme. Im Vorjahr mussten die Aktionäre nordrhein-westfälischer Gesellschaften sich noch mit 4,8 Milliarden Euro zufrieden geben. Relativierend muss allerdings festgestellt werden, dass das Gros der Steigerung durch die Rückkehr der Deutschen Telekom in die Phalanx der Dividendenzahler zustande kommt. Die Zahl der dividendenlosen Unternehmen liegt in unserem Bundesland mit 47 Prozent (92 AGs) unterhalb des Bundesdurchschnitts von 61 Prozent.

Lassen Sie mich nun auf die Höhepunkte der Hauptversammlungssaison 2005 kommen, auch wenn ich dafür NRW kurz verlassen muss.

Dass eine hohe Ausschüttung nicht alles ist, hat einmal mehr die Hauptversammlung von DaimlerChrysler gezeigt. Wie schon im vergangenen Jahr gehörte sie zu den weniger erfreulichen High-Lights der Saison. Wir haben erneut gegen die Entlastung des Vorstands gestimmt. Die Begründung konnten wir fast eins zu eins aus dem Vorjahr übernehmen: Wiederholtes Verfehlen der eigenen Prognosezahlen, gescheiterter Traum von der Welt-AG, kontinuierlicher Kursverfall. Wir hoffen, dass der Rücktritt von Jürgen Schrempp als DaimlerChrysler-Vorstandschef uns davor bewahrt, das ganze auf der kommenden Hauptversammlung nochmals wiederholen zu müssen.

Vor dem Hintergrund der geplanten Verschmelzung des Internetproviders T-Online auf die Deutsche Telekom haben die Aktionärstreffen dieser beiden Gesellschaften ebenfalls für einigen Wirbel gesorgt. Die DSW hat auf der T-Online-Hauptversammlung gegen den Verschmelzungsvertrag zwischen T-Online und Deutscher Telekom gestimmt und in der Folge den entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss angefochten. Die Verschmelzung hilft im Ergebnis nur der Deutschen Telekom, die sich auf diesem Weg einen erfolgreichen Konkurrenten samt Kunden billig einverleibt. Für die Privataktionäre ist sie alles andere als wünschenswert. T-Online kann die Wachstumspotenziale in den Segmenten Breitband und Internet besser als selbständiges Unternehmen realisieren denn als voll integrierter Geschäftsbereich des Telekom-Konzerns. Zudem haben wir den Mitgliedern des T-Online-Vorstands die Entlastung verweigern, die den Verschmelzungsvertrag unterzeichnet haben. Vorstände, die einen Vertrag unterschreiben, der für die freien Aktionäre derart nachteilig ist, haben eine Entlastung sicher nicht verdient.

Auf dem Aktionärstreffen der HypoVereinsbank sahen wir uns ebenfalls gezwungen, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Die bayerische Bank wies für das Geschäftsjahr 2004 einen Verlust von 2,278 Milliarden Euro aus. Grund für dieses katastrophale Ergebnis war nicht etwa das operative Geschäft sondern erneut eine Sonderwertberichtigung auf das Immobilienportfolio in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Damit hat das Management endgültig bewiesen, dass es die hohen Risiken im Kreditportfolio der Bank nach wie vor nicht im Griff hat.

Oft sind es auch kleinere Unternehmen, die unseren Sprechern Grund zur Kritik und zu Gegenstimmen geben. So wird den Aktionären der Mosaic Software AG schon seit Jahren die Wende zum Positiven versprochen. An der wirtschaftlich katastrophalen Situation des Unternehmens hat sich allerdings nichts geändert. Noch auf der letztjährigen Hauptversammlung wurde ein positiver Abschluss des Geschäftsjahres 2004 angekündigt. Tatsächlich musste das Unternehmen einen Verlust von 15,3 Millionen Euro vermelden. Vor diesem Hintergrund haben wir sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat die Entlastung verweigert.

Gleiches gilt für die kaum erfolgreichere Führungscrew des Windkraftunternehmens Plambeck Neue Energien AG. Das Unternehmen musste im Geschäftsjahr 2004 bei einem Umsatz von lediglich 59,4 Millionen Euro einen Jahresfehlbetrag von 158,7 Millionen Euro hinnehmen.

Lassen Sie mich die Reihe der Beispiele mit dem Fall Fresenius Medical Care (FMC) abschließen. Hier wurde der positive Entschluss, die stimmrechtslosen Vorzugsaktien in stimmberechtigte Stammaktien umzutauschen, durch den gleichzeitig vollzogenen Wechsel der Rechtsform von einer AG in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) konterkariert. Das Motiv ist klar: Die Fresenius AG will ihre Macht als FMC-Großaktionär keinesfalls verlieren.

Eigentlich hatte ich gehofft, dass die KGaA endlich den Weg alles Irdischen geht und ausstirbt. Auch wenn mit Henkel oder Borussia Dortmund (BVB) noch einige letzte Exemplare existieren, steht für uns fest, dass die KGaA als Rechtsform für börsennotierte Gesellschaften nicht geeignet ist. Besonders deutlich wird dies immer in Krisenfälle, wie beim BVB exemplarisch vorgeführt wurde.

Auf der einen Seite stehen hier persönlich haftende Gesellschafter, die so genannten Komplementäre. Diese bestimmen, wer beim Unternehmen das Sagen hat. Gegenwehr von Seiten der Kommandit-Aktionäre muss nicht gefürchtet werden: Die Anteilseigner können zwar einen Aufsichtsrat wählen, der hat aber nicht das Recht, die Führungsriege abzuberufen, sei sie auch noch so dilettantisch und erfolglos. Selbst die „persönliche Haftung“ schreckt niemanden mehr. Schließlich ist die Zeit vorbei, in der hier tatsächlich große Unternehmer oder solche, die sich dafür hielten, ihr eigenes Vermögen riskierten. Heute haften GmbHs (wie im Fall BVB) oder AGs (so etwa bei FMC).