Die Abgeltungssteuer und ihre Folgen für Privataktionäre

Am 14. März 2007 wird das Bundeskabinett über das Gesetz zur Unternehmenssteuerreform beraten. Die abschließende Lesung im Bundestag ist für Mitte Juni geplant. Es bleibt also nur noch wenig Zeit, die prozentual wahrscheinlich größte Steuererhöhung zu verhindern, die seitens einer Regierung je in ein Gesetz gegossen und umgesetzt wurde.

Teilnehmer:

Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer

Jürgen Kurz, Pressesprecher

Es gilt das gesprochene Wort

Heute in einer Woche, am 14. März, wird das Bundeskabinett über das Gesetz zur Unternehmenssteuerreform beraten. Die abschließende Lesung im Bundestag ist für Mitte Juni geplant. Es bleibt also nur noch wenig Zeit, die prozentual wahrscheinlich größte Steuererhöhung zu verhindern, die seitens einer Regierung je in ein Gesetz gegossen und umgesetzt wurde. In dem zur Debatte stehenden Paket ist schließlich nicht nur die Senkung der Steuern für Unternehmen enthalten, sondern auch die Einführung einer 25-prozentigen Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Und die wird vor allem private Aktionäre mit kleinen und mittleren Einkommen sehr teuer zu stehen kommen.

1. Abschaffung des Halbeinkünfteverfahrens:

Ab dem 1. Januar 2009 soll das so genannte „Halbeinkünfteverfahren“ ersatzlos gestrichen werden.

Aktuell unterliegen Dividendenzahlungen nicht voll sondern nur hälftig der Besteuerung. Was zunächst wie eine Bevorzugung klingt, ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine abgemilderte Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne. Zunächst kassiert der Fiskus mit der Körperschaftssteuer auf Unternehmensebene. Dann greift der Staat auf Ebene des Anlegers auf dieses bereits versteuerte Geld nochmals zu. Um dieses doppelte Abkassieren etwas abzumildern, verfiel man auf die Lösung der hälftigen Besteuerung. Bis zum Jahr 2000 galt in Deutschland die Körperschaftssteueranrechnung, die eine Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen verhinderte.

Nun sind in der Politik die Hemmungen offenbar komplett gefallen. Die volle Doppelbesteuerung soll, zumindest was die privaten Anleger angeht, im Zuge der Abgeltungssteuer endgültig zur Regel werden. Besonders betroffen hiervon werden langfristig orientierte Aktionäre mit geringen und mittleren Einkommen, wie etwa die Gruppe der Belegschaftsaktionäre.

Zudem würde mit diesem Schritt die steuerliche Diskriminierung von Dividendenzahlungen gegenüber Zinseinkünften noch weiter verschärft. Unterliegen Letztere doch keinerlei steuerlicher Vorbelastung.

Nicht ganz so hart will die Politik mit Dividendenzahlungen umgehen, die in Betriebsvermögen anfallen. Hier soll es ein so genanntes „Teileinkünfteverfahren“ geben. Danach sind nicht wie bisher 50 Prozent der Gewinnausschüttung zu versteuern, sondern 60 Prozent.

Nun aber zu den für Privatanleger sehr unerfreulichen Zahlen:

Für einen Steuerpflichtigen mit einem Steuersatz von 15 Prozent, was einem zu versteuernden Einkommen von 21.200 Euro oder (bei Verheirateten) von 42.400 Euro entspricht, sieht die Rechnung wie folgt aus:

Geltendes Recht:

Dividendenzahlung:  1000 Euro
Davon steuerfrei: 500 Euro
Zu versteuern:  500 Euro
Steuerlast 15%:  75 Euro
Soli-Zuschlag 5,5%:          4,10 Euro
Gesamtsteuer:  79,10 Euro

Neues Recht:

Dividendenzahlung:   1000 Euro
Abgeltungssteuer 25%:  250 Euro
Soli-Zuschlag 5,5%  13,75 Euro
Gesamtsteuer:  263,75 Euro

Aber:

Im Rahmen der so genannten „Günstigerprüfung“ können Steuerpflichtige, deren Steuersatz unter 25 Prozent liegt, ihre Kapitalerträge in der Steuererklärung angeben. Heraus kommt aber trotzdem noch eine satte Steuererhöhung von 100 Prozent:

Dividendenzahlung:     1000 Euro
Steuersatz 15%  150 Euro
Anrechnung Soli 5,5%:  8,25 Euro
Gesamtsteuer:   158,28 Euro

Nicht viel besser ergeht es einem Anleger mit einem Steuersatz von 30 Prozent, was einem zu versteuernden Einkommen von 66.000 Euro bei Singles oder 132.000 Euro bei Ehepaaren entspricht. Rund 66 Prozent muss in dieser Steuerklasse mehr an den Fiskus überwiesen werden.

Geltendes Recht:

Dividendenzahlung:       1000 Euro
Davon steuerfrei:  500 Euro
Zu versteuern:  500 Euro
Steuerlast 30%: 150 Euro
Soli-Zuschlag 5,5%:  8,30 Euro
Gesamtsteuer:  158,30 Euro

Neues Recht:

Dividendenzahlung:   1000 Euro
Abgeltungssteuer 25%:  250 Euro
Soli-Zuschlag 5,5%  13,75 Euro
Gesamtsteuer:  263,75 Euro

25 Prozent höher liegt die Belastung bei Anlegern mit einem 40-prozentigen Steuersatz. Das zu versteuernde Einkommen liegt hier für einen Single bei 310.000 Euro. Ein Ehepaar mit diesem Steuersatz verdient gemeinsam 620.000 Euro.

 

Geltendes Recht:

Dividendenzahlung:          1000 Euro
Davon steuerfrei:  500 Euro
Zu versteuern:  500 Euro
Steuerlast 40%: 200 Euro
Soli-Zuschlag 5,5%:  11 Euro
Gesamtsteuer:  211 Euro

Neues Recht:

Dividendenzahlung:   1000 Euro
Abgeltungssteuer 25%:  250 Euro
Soli-Zuschlag 5,5%  13,75 Euro
Gesamtsteuer:  263,75 Euro

2. Die „Beruhigungspille“ für Aktionäre

Nun kennen wir die beschwichtigenden Politikersätze zu diesem Thema:

Aufgrund der Senkung der Unternehmenssteuern würde es zu erhöhten Ausschüttungen kommen, wird da gebetsmühlenartig wiederholt.

Doch das ist nichts weiter als politisch motivierte Beruhigungsrhetorik an die nicht einmal die Politiker selbst glauben. Zumindest dann nicht, wenn sie ihre eigene Begründung zum Unternehmenssteuerreformgesetz gelesen haben. Da steht, dass es um „international wettbewerbsfähige Steuersätze“ geht, dass die Reform „einen Beitrag zur weiteren Verbesserung der guten Rahmenbedingungen zugunsten von Wachstum und Beschäftigung“ leisten soll und dass die „Attraktivität des Standort Deutschlands für Direktinvestitionen“ gesteigert werden soll.

Zu Erreichung genau dieser Ziele werden – richtigerweise übrigens – die Unternehmenssteuern gesenkt. Doch wenn dem so ist, kann seitens der Politik kaum ernsthaft erwartet werden, dass die Gesellschaften ihren eben erst gewonnenen Steuervorteil nun vorwiegend dazu nutzen, die wachsende steuerliche Belastung ihrer Aktionäre zu reduzieren.

In der beiliegenden Tabelle haben wir einmal modellhaft nachgerechnet, wie viel die Unternehmen von ihrer Steuererleichterung weiterreichen müssten, wenn sie damit die steuerliche Mehrbelastung ihrer Aktionäre tatsächlich ausgleichen wollten.

3. Abschaffung der Spekulationsfrist:

Doch der Gesetzgeber hat noch weitere bittere Pillen für Langfrist-Anleger. So soll die einjährige Spekulationsfrist für alle Wertpapiere, die nach dem 1. Januar 2009 gekauft werden, komplett fallen. Gewinne aus Aktienverkäufen wären dann immer steuerpflichtig, egal wie lange die Papiere im Depot lagen. Ein Inflationsausgleich, wie ihn etwa Frankreich kennt, fehlt. In unserem Nachbarstaat ist nach 6 Jahren Haltezeit ein Drittel des Gewinns steuerfrei, nach 7 Jahren zwei Drittel und nach acht Jahren kann der gesamte Gewinn steuerfrei vereinnahmt werden.

Aus unserer Sicht ist es absolut nicht nachvollziehbar, dass es in Deutschland keine entsprechende Regelung geben soll. Schließlich entstehen für Aktionäre, die ab dem 1. Januar 2009 Anteilsscheine von Unternehmen kaufen und diese erst Jahre später wieder verkaufen, inflationsbereinigt sehr hohe Scheingewinne. Diese sind nach dem vorliegenden Entwurf voll zu versteuern. Hier wäre ein Stufenmodell mit sinkenden Steuersätzen je nach Anlagefrist deutlich sinnvoller.

4. Abschaffung des Nettoprinzips:

Doch auch damit ist die Liste der Grausamkeiten noch nicht beendet.

Der Gesetzgeber nimmt den Anlegern die Möglichkeit, Werbungskosten, wie etwa Kreditzinsen, steuerlich anzurechnen und durchbricht damit ganz nebenbei das in Deutschland bisher im Steuerbereich gültige Nettoprinzip. Danach richtet sich die Besteuerung hierzulande nach der individuellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen. Um diese zu bestimmen werden – vereinfacht dargestellt – die Ausgaben von den Einnahmen abgezogen. Nur was übrig bleibt unterliegt der Steuer. Im Rahmen der Abgeltungssteuer soll dieses Prinzip über Bord geworfen werden. Stattdessen werden nur noch die Einnahmen besteuert. Ausgaben finden keine Berücksichtigung mehr.

5. Abschaffung der Freigrenze für Spekulationsgewinne

Als weiterer Schlag gegen die Sparer, die für ihr Alter vorsorgen wollen, wird die bisher gültige Freigrenze für Spekulationsgewinne in Höhe von 512 Euro ersatzlos gestrichen. Dividenden und Kursgewinne fallen ab 2009 genau wie Zinsen unter den Sparerfreibetrag von 1602 Euro für Ehegatten und 801 Euro für Ledige. Dies verstärkt die steuerliche Mehrbelastung insbesondere solcher privater Kapitalanleger, deren Grenzsteuersatz unter 25 Prozent liegt.

Überhaupt lässt sich an der Entwicklung des Sparerfreibetrags sehr gut darstellen, wie die Politik den privaten Sparern immer mehr steuerlichen Freiraum genommen hat. Und das obwohl in kaum einer politischen Sonntagsrede der Hinweis darauf fehlt, von welche entscheidender Bedeutung die Stärkung der privaten Vorsorge ist.

 

Sparerfreibetrag Ehegatten  Ledige  
 (inkl. Werbungskostenpauschbetrag*) Euro(DM)  Euro (DM)
 1993-1999 6238(12200)  3119 (6100)
 2000-2001 3170 (6200) 1587  (3100)
 2002-2003 3202    1601 
 2004-2006  2842    1421 
 2007-2008  1602    801 
 ab 2009** 1602   801 

                                       Wegfall der 512-Euro-Freigrenze für Spekulationsgewinne

*Nachweis höherer Werbungskosten möglich

**Nachweis höherer Werbungskosten nicht möglich

 

Die Folgen der geplanten Abgeltungssteuer:

Schwächung der privaten Altersvorsorge

Es wird zu einer weiteren Verlagerung von der langfristig renditeträchtigeren und volkswirtschaftlich produktiveren Anlageform „Aktien“, hin zu weniger rentierlichen, unproduktiven, verzinslichen Sparformen kommen. Private Altersvorsorge wird damit teurer und ineffizienter.

Deutsche Aktiengesellschaften werden zukünftig vor allem in ausländischem Besitz sein

Auch der Trend, dass immer mehr Anteilsscheine deutscher Aktiengesellschaften im Ausland liegen, wird mit der Abgeltungssteuer aktiv gefördert. Schließlich werden es die Ausländer sein, die die Aktien erwerben, die von den Deutschen aus steuerlichen Gründen verschmäht werden.

Ende der Diskussion über moderne Vergütungssysteme

Über das Thema Investivlohn, das auch bei etlichen Politikern großen Anklang gefunden hat, kann unter den beschriebenen Rahmenbedingungen der geplanten Abgeltungssteuer sicher nicht mehr ernsthaft geredet werden.

Konjunkturprogramm für Luxemburger und Schweizer Banken

Nicht nur große Vermögen werden sich verstärkt auf den Weg nach Luxemburg oder in die Schweiz machen. Auch Privatanleger, die ihre Depots über das Internet verwalten, werden darüber nachdenken, dies demnächst über eine Luxemburger oder Schweizer Bank zu tun. Klar ist, dass die ausländischen Banken sich schon jetzt auf die deutschen Kunden freuen und entsprechende Produkte entwickeln.

Die angekündigte Verwaltungsvereinfachung wird es nicht geben

Rund fünf bis sechs Millionen Steuerpflichtige können im Rahmen der so genannten „Günstigerprüfung“ ihre Kapitalerträge deklarieren. Eine nennenswerte Reduzierung des Verwaltungsaufwands wird es daher weder bei den Finanzbehörden noch bei den Banken geben.

Zusammenfassend muss leider festgestellt werden, dass diese Abgeltungssteuer dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden wird und der hiesigen Aktienkultur einen echten Bärendienst erweisen wird. Dabei wäre mit Blick auf die immer wichtiger werdende private Vorsorge für das Alter genau das Gegenteil dringend notwendig, wie etwa die direkten Aktienquoten im internationalen Vergleich zeigen:

  • Deutschland 8 Prozent
  • Schweden 38 Prozent
  • UK 31 Prozent
  • USA 24 Prozent
  • Schweiz 24 Prozent

 

Stattdessen wird, falls der vorliegende Gesetzentwurf unverändert durchgeht, die Attraktivität der Aktienanlage deutlich geschmälert.

Was geändert werden muss:

1. Das Teileinkünfteverfahren sollte nicht nur für Betriebsvermögen sondern auch für private Anleger gelten. Dann wäre nicht wie geplant die komplette Dividende mit dem pauschalen Abgeltungssteuersatz zu versteuern, sondern 60 Prozent. Die drohende volle Doppelbesteuerung der Gewinnausschüttungen könnte so vermieden werden. Auch die derzeit schon bestehende steuerliche Diskriminierung der Dividendenzahlungen gegenüber verzinslichen Sparanlagen würde nicht noch weiter verstärkt.

Für den Fall, dass die Regierung sich hierzu nicht durchringen kann, sollte zumindest für die Anleger das Teileinkünfteverfahren eingeführt werden, deren Steuersatz unter 25 Prozent liegt.

2. Die Freigrenze für realisierte Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren sollte in der aktuellen Höhe von 512 Euro erhalten bleiben.

3. Die Anrechnung der Werbungskosten ist ebenfalls beizubehalten. Es kann nicht sein, dass der Staat sich klammheimlich vom Nettoprinzip verabschiedet und bei der Besteuerung nur noch auf die Einnahmen schaut, die Ausgaben aber unbeachtet lässt.

4. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Wichtigkeit privater Vorsorge für das Alter ist der Einbau eines Inflationsausgleichs für Langfristanleger dringend notwendig.

5. Last but not least ist der Steuersatz mit 25 Prozent zu hoch. Wer Kapitalflucht dauerhaft verhindern will um so die Steuerbasis möglichst breit zu halten, kommt um einen Satz von unter 20 Prozent nicht herum.

Zum Schluss noch ein Handlungstipp für Anleger:

Zwar kommt die Abgeltungssteuer erst 2009, trotzdem können Anleger schon jetzt erste Weichen stellen. Dies gerade mit Blick auf den Wegfall der einjährigen Spekulationsfrist, was ja dazu führen wird, dass Gewinne aus Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren unabhängig von der Haltedauer steuerpflichtig sein werden. Hier macht es Sinn, steuerlich relevante Verluste, also Verluste die innerhalb der aktuell noch gültigen einjährigen Spekulationsfrist liegen, zu realisieren. Diese Verluste können dann ab 2009 gegen steuerpflichtige Gewinne aus Aktienverkäufen gerechnet werden. Dies muss allerdings bis zum Jahr 2013 geschehen sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!