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DSW-Aufsichtsratsstudie 2009
Die jüngsten Änderungen durch den Gesetzgeber heben die außerordentliche Rolle des Aufsichtsrats bei deutschen Aktiengesellschaften noch deutlicher als bisher hervor. Die Anforderungen an die einzelnen Räte steigen weiter. Um effektiv zu sein, müssen die Kontrollgremien der global agierenden Konzerne im DAX professionell besetzt und geführt sein.
Wer sind die wichtigsten Aufsichtsräte in Deutschland? Wie hoch werden sie vergütet? Und welche Kritikpunkte und Forderungen gibt es aus Sicht der DSW für das Gremium Aufsichtsrat? Die DSW hat in ihrer Aufsichtsratstudie 2009 diese Fragen analysiert und liefert eine aktuelle Standortbestimmung über die Aufsichtsräte in Deutschland.
Teilnehmer:
Ulrich Hocker, DSW-Hauptgeschäftsführer
Christiane Hölz, DSW-Vergütungsexpertin
Marco Cabras, DSW-Pressesprecher
Redetext:
(Redner: Ulrich Hocker)
Meine Damen und Herren,
die Zeiten, in denen der Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft nur eine Nebenrolle gespielt hat und dementsprechend nebenbei organisiert und geführt werden konnte, sind endgültig vorbei. Angeheizt durch die jahrelange Corporate-Governance-Diskussion und befeuert durch zwei große Krisen, die wir in den vergangenen zehn Jahren am Aktienmarkt erlebt haben, ist der Aufsichtsrat als wichtiges Kontrollorgan und damit als Korrektiv zum Vorstand besonders stark in den Fokus gerückt.
Sein Stellenwert innerhalb des Unternehmens ist enorm gestiegen. Dies macht ein Blick in die aktuellste Version des Deutschen Corporate-Governance-Kodex vom Juni 2009 deutlich. Analog zum Vorstand ist hier dem Aufsichtsrat ein eigenes breites Kapitel gewidmet, in dem alle Qualifikationen, Aufgaben und Pflichten dieses Gremiums minutiös ausgewiesen sind. Wörtlich heißt es im Kodex:
„(…)Der Aufsichtsrat bestellt, überwacht und berät den Vorstand und ist in Entscheidungen, die von grundlegender Bedeutung für das Unternehmen sind, unmittelbar eingebunden (…)“
Die gesamten Anforderungen, die der Kodex an das Organ stellt, münden vereinfacht gesagt in einer Professionalisierung des Aufsichtsrates, damit dieser all seinen Kontrollpflichten nachkommen kann.
Dies gilt in ganz besonderer Weise für die Vorsitzenden. Es gilt aber auch für die Mitglieder der wichtigsten Ausschüsse dieses Gremiums, wie dem Präsidialausschuss, dem Prüfungs- und dem Personalausschuss oder dem Nominierungsausschuss. Die Bedeutung der Ausschüsse kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn hier werden alle wichtigen strategischen und weichenstellenden Entscheidungen geprüft.
Das ohnehin strenge Korsett, das dem Aufsichtsrat durch den Kodex auferlegt wird, ist in diesem Jahr noch einmal deutlich durch zwei neue Gesetze verschärft worden. Im Gesetz über die Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) und dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) stehen gleich mehrere neue Paragrafen, die die Mindestanforderungen für die Besetzung, die Qualifikation für die effiziente Arbeit und vor allem auch die Parameter für die Haftung eines Aufsichtsratsmitgliedes noch einmal verschärfen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn es um die neu eingeführte Frage der Angemessenheit der Vorstandsbezüge geht.
Mit diesen angesprochenen Änderungen in den Gesetzen sowie im Kodex sind die zukünftigen Rahmenbedingungen für den Aufsichtsrat und seine Arbeit nun klar und eng abgesteckt. Das bedeutet nicht, dass der Aufsichtsrat zu einer zweiten operativ tätigen Instanz im Unternehmen werden soll. Auch wenn vielleicht durch die hohe öffentliche Aufmerksamkeit ein anderer Eindruck entstanden ist. Es gilt weiterhin: Aus dem Tagesgeschäft soll sich das Kontrollgremium heraushalten, das ist allein Sache des Vorstandes.
Dennoch rückt der Aufsichtsrat durch den neuen Regulierungsrahmen noch stärker in den Mittelpunkt eines Unternehmens. Die neuen Anforderungen wie zum Beispiel der unabhängige Finanzexperte im Prüfungsausschuss dürften in den kommenden Jahren zu einer großen Herausforderung für die Unternehmen werden. Der Aufsichtsrat hat heute eine aktive Prüfungspflicht hinsichtlich des Rechnungslegungsprozesses, des internen Kontrollsystems und des Risikomanagementsystems sowie der Abschlussprüfung. Vorbei die Zeit der passiven Informationsversorgung durch den Vorstand.
Diese Mehranforderungen werden auch in den Ergebnissen einer Umfrage deutlich, die die Unternehmensberatung Kienbaum mit Unterstützung der DSW in den vergangenen Wochen unter den DAX-Werten durchgeführt hat. Danach halten knapp zwei Drittel aller Unternehmen die weitere Professionalisierung der Aufsichtsräte für das wichtigste Corporate-Governance-Ziel schlechthin.
Diese Ausgangslage ist sicher Grund genug, sich Deutschlands Aufsichtsräte einmal genauer anzuschauen. Wer sind die wichtigsten und mächtigsten Räte hierzulande? Wie werden sie bezahlt? Wie gut sind die Vergütungssysteme für den Aufsichtsrat im DAX und M-DAX insgesamt? Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz liefert mit ihrer „Aufsichtsratsstudie 2009“ nun bereits zum dritten Mal eine Standortbestimmung über die Kontrollorgane in den Aktiengesellschaften ab. Die Ergebnisse unserer Analyse wird Ihnen nun meine Kollegin Christiane Hölz näher erläutern, bevor ich am Ende noch einmal auf die Dinge eingehen möchte, die nach unserer Ansicht dringend angepackt werden müssen, um das System Aufsichtsrat insgesamt noch leistungsfähiger zu machen.
(Rednerin Christiane Hölz)
meine Damen und Herren,
ich darf eingangs ein paar Worte über die Systematik unserer Analyse verlieren. Untersucht wurde die so genannte Anteilseignerseite der Aufsichtsräte der 30 Dax-Unternehmen. Berücksichtigt wurde nicht nur die reine Mitgliedschaft oder der Vorsitz im jeweiligen Gremium. In unserer Analyse haben wir auch ein besonderes Augenmerk auf die wichtigen Ausschüsse gelegt, namentlich Präsidium, Nominierungsausschuss, Personalausschuss, Finanz- bzw. Prüfungsausschuss. Auch aktive Vorstandsmandate und vergleichbare Positionen haben wir untersucht. Zudem die Mitgliedschaft in anderen in- und ausländischen Kontrollgremien. Insgesamt 205 Personen besetzen die 262 Sitze in diesen Gremien.
Aus den oben angesprochenen Faktoren wurde dann ein Ranking erstellt. Gewertet wurde dabei wie folgt: Für den Aufsichtsratsvorsitz plus Ausschussvorsitz wurden insgesamt 10 Punkte vergeben; 8 Punkte wurden für eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat plus Ausschussvorsitz sowie für den reinen Aufsichtsratsvorsitz ohne Mitgliedschaft in einem Ausschuss verteilt. 6 Punkte bekam, wer im Aufsichtsrat und zugleich in einem Ausschuss sitzt. 4 Punkte erhielt ein „einfaches“ Aufsichtsrats-Mitglied.
Um Verzerrungen in der Punktewertung zu vermeiden, wurden Ausschussmitgliedschaften eines Aufsichtsrates immer nur einmal gewertet, selbst wenn der entsprechende Kontrolleur bei einem Unternehmen in mehreren Ausschüssen saß.
Nun aber zu den Ergebnissen unseres aktuellen Rankings: Wichtigster Aufsichtsrat 2009 mit insgesamt 36 Punkten ist Manfred Schneider. Der ehemalige Bayer-Vorstandschef hält insgesamt vier Mandate in den Kontrollgremien von DAX-Unternehmen. Bei Bayer, Linde und RWE sitzt er dem Aufsichtsrat sogar jeweils vor. Zudem hat Manfred Schneider in insgesamt acht wichtigen Ausschüssen den Vorsitz. Wenn man so will, dann ist Herr Schneider der Prototyp des professionellen Aufsichtsrates neuer Prägung. Diese Professionalität macht sich auch an den Bezügen Schneiders bemerkbar. Insgesamt hat er im vergangenen Jahr allein über seine DAX-Mandate 998.910 Euro kassiert. Diese Summe kommt dem Gehalt eines vollbeschäftigten Top-Managers schon ziemlich nahe.
Den zweiten Platz in unserem Ranking belegt Clemens Börsig. Der Ex-Finanzvorstand der Deutschen Bank erzielte 28 Punkte und sitzt ebenso wie Schneider im Aufsichtsrat von insgesamt vier DAX-Unternehmen. Bei der Deutschen Bank führt er sogar den Vorsitz. Bescheidener ist seine Vergütung: 2008 beliefen sich die Bezüge auf 678.992 Euro.
Bronze geht in diesem Jahr an Gerhard Cromme. Der ehemalige CEO von ThyssenKrupp und Ex-Vorsitzende der Corporate-Governance-Kommission sitzt bei drei DAX-Tankern im Aufsichtsrat, bei Siemens und ThyssenKrupp führt er den Vorsitz. Unter seiner Leitung tagen zudem sieben wichtige Ausschüsse der DAX-Unternehmen. Gerhard Cromme verdiente 2008 mit seinen Aufsichtsratsmandaten im DAX 983.285 Euro.
Zusammen halten diese drei Spitzenplatzierten 11 Mandate bei acht DAX-Werten. Insgesamt sind die zehn Top-Aufsichtsräte, die unser Ranking anführen, mit 32 Mandaten bei 18 DAX-Unternehmen im Kontrollorgan vertreten. Sie sind gleichzeitig die größten Netzwerker unter Deutschlands Aufsichtsräten. So treffen etwa Manfred Schneider und Clemens Börsig bei Bayer und Daimler aufeinander.
Die Professionalisierung des Organs Aufsichtsrat zeigt sich an einem weiteren Ergebnis der Studie. So ist unter den Top-10-Räten mit Theo Siegert nur noch ein einziger Kontrolleur, der seine Ämter neben einer aktiven Managementaufgabe als Vorstand oder Geschäftsführer ausführt. Insgesamt werden in der Liste aller Aufsichtsräte 23 aktive DAX-Vorstände geführt.
Dies ist eine erfreuliche Entwicklung. Denn jahrelang hat die DSW kritisiert, dass viel beschäftigte Top-Manager nicht zugleich womöglich auch noch federführend die Kontrolle eines international aufgestellten DAX-Konzerns leisten können. Insofern ist die Verlagerung hin zum Berufsaufsichtsrat sehr positiv zu werten.
Weniger erfreulich ist jedoch, dass unter den zehn Bestplatzierten in unserem Ranking in sechs Fällen ein Wechsel vom Vorstandsvorsitz zum Vorsitz des Aufsichtsrates des gleichen Unternehmens erfolgt ist. Ausnahmen sind Clemens Börsig, der zuvor wie gesagt Finanzvorstand der Deutschen Bank war und Theo Siegert, der zuvor gar nicht in einer AG als Vorstandschef tätig war, sowie die Herren Walter und Lehner, die bei der Dresdner Bank und Henkel den Vorstandsvorsitz innehatten.
Neben der Frage nach den wichtigsten Aufsichtsräten rückt auch die Vergütung der Arbeit von Deutschlands Top-Firmenkontrolleuren immer stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Im vergangenen Jahr haben die 30-DAX-Werte ihren Aufsichtsräten insgesamt 62,3 Millionen Euro an Bezügen überwiesen. Verglichen mit dem Vorjahr ist das ein Rückgang um knapp 7,5 Prozent. Am deutlichsten gingen die Vergütungen bei den Aufsichtsräten von BMW, Lufthansa und Deutscher Bank zurück. Beim Kreditinstitut verdienten die Kontrolleure fast 59 Prozent weniger als im Vorjahr. Andersherum legten aber die Bezüge bei K+S, Adidas oder der Deutschen Telekom stark zu. Und das, obwohl der K+S-Aufsichtsrat freiwillig auf einen Teil der ihm satzungsgemäß zustehenden Vergütung verzichtet hat.
Die Top-Verdiener unter den deutschen Aufsichtsräten hatte ich Ihnen ja oben bereits genannt. Doch auch die durchschnittliche Vergütung für diese Tätigkeit kann sich sehen lassen. Im DAX wird für ein einfaches Mandat (ohne Ausschüsse oder Vorsitze) 85.000 Euro gezahlt. Der Aufsichtsratsvorsitz wird im Schnitt sogar mit rund 260.000 Euro entlohnt.
Die Vielfalt der Systeme, mit der die DAX-Konzerne ihre Aufsichtsräte vergüten, ist enorm. Es gibt keine zwei DAX-Unternehmen, die das gleiche System anwenden. Alle 30 Unternehmen unterscheiden sich bei der Gewichtung von fixen und variablen Bezügen, von kurzfristigen und langfristigen Bonusbestandteilen und der Frage, welche Kennzahl für das jeweilige System zugrunde gelegt wird.
Dennoch lassen sich an einigen Stellen klare Schwachpunkte benennen. So ist generell ein variabler Bestandteil durchaus geeignet, auch bei den Aufsichtsräten eine erfolgsabhängige Komponente einzufügen. Dennoch ist die Gewichtung von fixen zu variablen Bestandteilen vielerorts nicht optimal. Insgesamt werden im DAX 23 Millionen Euro an Fixbezügen, aber 27 Millionen Euro an variablen Bezügen gezahlt.
Unserer Meinung ist damit die erfolgsabhängige Komponente im Kontrollgremium überbewertet. Als Niveau für den Anteil der variablen Bezüge halten wir vielmehr 30 Prozent für angemessen.
Bei 14 DAX-Werten erscheint uns das Niveau nicht ausgewogen zu sein. Besonders deutlich ist dieses Ungleichgewicht etwa bei der Lufthansa, die mehr als das Doppelte des Fixums an kurzfristigen variablen Vergütungsbestandteilen zahlt oder beim Autokonzern VW, der variable Boni bis zum 20fachen des Grundgehalts ausweist.
Ein zusätzlicher Kritikpunkt der DSW ist in vielen Fällen die Kurzfristigkeit der Boni. Die Mehrheit der DAX-Konzerne setzt ausschließlich auf kurzfristige variable Vergütungen. Für ein Organ, das den Vorstand dabei überwachen soll, dass er nicht auf kurzfristige Quartalsergebnisse schielt, sondern auf nachhaltiges Wachstum setzt, ist das mit Sicherheit kein richtiges Signal.
Schließlich ist auch die Frage der Kennzahl, an der sich die variablen Bestandteile orientieren, ein Kritikpunkt.
Meine Damen und Herren,
damit hier kein Missverständnis aufkommt: Natürlich können wir als Aktionärsvertreter mit vielen Kennzahlen leben, die zur Vergütung des Aufsichtsrates herangezogen werden. Welche Kennzahl im einzelnen Umfeld passt, kann jedes Unternehmen wahrscheinlich am besten selbst entscheiden. Wichtig ist für Anteilseigner hauptsächlich, dass die ausgesuchte Kennzahl erstens transparent gemacht wird und zweitens auch verständlich ist.
Allerdings: Die Dividende, die in den vergangenen Jahren oft herangezogen wurde, kann es nicht sein. Schließlich entscheidet der Aufsichtsrat über den Dividendenvorschlag. Wird diese Gewinnbeteiligung für seine eigene Vergütung zugrundegelegt, dann kann ein Aufsichtsrat sich, vereinfacht gesagt, selbst bezahlen.
Doch obwohl das eigentlich klar sein müsste, verwenden immer noch 14 DAX-Werte die Dividende als Kennzahl. Besonders pikant: von 10 Kontrollgremien mit den höchsten Vergütungen in 2008 waren sieben an die Dividende gekoppelt.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich am Ende meiner Ausführungen angekommen und übergebe nun noch einmal an unseren Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker. Er wird nun noch einen kurzen Blick nach vorne richten.
(Redner: Ulrich Hocker)
meine Damen und Herren,
unserem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl sollen wir ja die Feststellung verdanken, dass bei einer Staatsquote von 50 Prozent der Sozialismus beginnt. Inzwischen sind wir dieser Grenze mit einer aktuellen Quote von 49 Prozent bedrohlich nahe gekommen.
Im Ernst: Noch sind die Fundamente der sozialen Marktwirtschaft durchaus intakt und stabil. Dennoch sollte die Politik zukünftig wieder ein bisschen mehr Zurückhaltung bei der ordnungspolitischen Gestaltung finanzwirtschaftlicher Rahmenbedingungen an den Tag legen. Gerade mit Blick auf den Kapitalmarkt hat der Gesetzgeber in diesem Jahr eine überaus hohe Taktfrequenz bei der Erstellung neuer Gesetze angeschlagen.
Sicher, als Konsequenz aus der Finanzkrise war der öffentliche Ruf nach Veränderung sehr laut geworden. Doch unserer Ansicht nach hat sich die Balance zwischen Markt und Staat viel zu sehr in Richtung Staat verschoben. Er greift tiefer denn je in die Märkte ein, er übernimmt Banken und schlüpft in die Rolle des lender of last resort. Sogar vor der Enteignung von Aktionären, dem wohl schwerwiegendsten Eingriff in das Recht auf Privateigentum, schreckt der Staat nicht mehr zurück, wie das Beispiel HypoRealEstate gezeigt hat.
Meine Damen und Herren,
natürlich waren einige dieser Eingriffe absolut notwendig, um das Finanzsystem und den wirtschaftlichen Kreislauf der Bundesrepublik am Laufen zu halten.
Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir es in vielen Punkten mit einer Überreaktion und einer daraus resultierenden Überregulierung zu tun haben. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass wir mit dem Corporate-Governance-Kodex ein meiner Meinung nach ebenso wirksames aber darüber hinaus viel flexibleres Instrumentarium besitzen, um Veränderungen und Regulierungen effektiv im Markt unterzubringen.
Als Beispiel verweise ich auf die so genannte Cooling-off-Periode, die ehemalige Vorstände nun generell für eine Frist von zwei Jahren aus dem Aufsichtsrat ausschließt. Das Ziel, möglichen Interessenkonflikten dieser Ex-Manager vorzubeugen – etwa wenn Aufsichtsräte die operativen Entscheidungen überprüfen sollen, die sie zuvor selbst getroffen haben – ist zwar richtig. Dennoch wurde es mit einem völlig unangemessen hohen Preis erkauft. Dem Aufsichtsrat geht auf der Kapitalseite durch die Cooling-off-Periode eine einzigartige Expertise verloren. Das firmeninterne Know-how liegt zukünftig fast ausschließlich auf der Arbeitnehmerseite. Das ist nicht zielführend und sollte geändert werden. Stattdessen schlägt die DSW eine auf den Aufsichtsratsvorsitz beschränkte Cooling-off-Periode vor.
Davon abgesehen sollte dem Kapitalmarkt und den Unternehmen nun aber vor allem Zeit gegeben werden, sich auf die stark veränderten Rahmenbedingungen einzustellen. Es gilt, praktische Erfahrung zu sammeln, bevor erneut an den Stellschrauben gedreht wird.
Wir erwarten jedoch, dass vor allem kleinere Unternehmen mit kleineren Aufsichtsräten durch die neuen Gesetze große Probleme haben werden. Ein DAX-Wert mit einem 20-er-Aufsichtrat dürfte alle Anforderungen, die etwa durch das BilMoG eingeführt wurden, leicht erfüllen. Schwieriger wird es schon, wenn beispielsweise insgesamt nur sechs Kontrolleure im Gremium sitzen. Auf den Aufsichtsratsvorsitzenden kommt dadurch bei der Suche nach Kandidaten eine Herkules-Aufgabe zu. Er muss sowohl die neuen Diversity-Mindestanforderungen erfüllen, als auch die gesetzlichen Vorgaben in punkto Vergütungsexperte und Bilanzfachmann einhalten. In der Praxis wird es in Einzelfällen schwer werden, geeignete Fachleute für das eigene Gremium zu finden.
Ebenso wichtig wird zukünftig auch die Qualitätskontrolle des Aufsichtsrats sein. Eine Effizienzprüfung zumindest zweimal in der jeweiligen Amtsperiode des Aufsichtsrates bietet sich hier an. Dies sieht auch der Corporate Governance-Kodex vor. Die DSW hat auf der Grundlage aller neuen Gesetze und Bedingungen einen Leitfaden erstellt, mit dem die Unternehmen diese Effizienzprüfung durchführen können.
Meine Damen und Herren,
lassen Sie mich abschließend kurz feststellen: Unsere Standortbestimmung macht eindeutig klar, dass die Aufgabe für einen Aufsichtsrat eines börsennotierten deutschen Unternehmens, eine effektive Kontrolle durchzuführen und ein wirksames Korrektiv zum Vorstand zu sein, deutlich schwieriger und anspruchsvoller geworden ist. An der weiteren Professionalisierung des Aufsichtsrates führt kein Weg vorbei.
Doch auch wenn in einzelnen Punkten wie der Cooling-off-Periode Nachbesserungsbedarf besteht: Insgesamt sollte das System als solches vorerst nicht groß verändert werden, um den Unternehmen die notwendige Zeit einzuräumen, sich an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.
Auf lange Sicht gilt jedoch: Der Gesetzgeber sollte sich selbst nur dort engagieren, wo es unbedingt notwendig ist. Vorschriften in den ewigen Zementblock eines Gesetzes zu gießen ist oft nur der zweitbeste Weg. In allen Fragen sollte zunächst geprüft werden, ob es nicht sinnvoller ist, dem Kodex das Feld zu überlassen.
AR_-_Durchschnittliche_Verguetung.pdf
AR-Verguetung_DAX_Veraenderung_07-08.pdf
Aufsichtsratsverguetung_DAX_-_Mehrjahresvergleich.pdf
Aufsichtsratverguetung_2008_im__DAX_gesamt.pdf