Analyse der Prognoseberichte 2012 der DAX-Gesellschaften

Obwohl die internationalen und global aufgestellten DAX-Konzerne auch für das Geschäftsjahr 2012 wieder umfangreiche Geschäftsberichte vorgelegt haben, die in der Regel mehrere hundert Seiten lang waren, blieben die Prognosen, und damit einer der entscheidenden Bestandteile, allzu oft von mehr als mäßiger Aussagekraft.

Teilnehmer:

Ulrich Hocker, Präsident der DSW 

Klaus Rainer Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender der Kirchhoff Consult AG

 

Es gilt das gesprochene Wort

Redetext: Ulrich Hocker, Präsident der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz)

Meine Damen und Herren,

 auch ich darf Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz hier in Frankfurt begrüßen.

Thema sind die Prognoseberichte der DAX-30 Unternehmen. Bereits zum dritten Mal legen wir diese Analyse nun gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft Kirchhoff Consult AG vor. Die detaillierten Ergebnisse der Studie wird ihnen im Anschluss Klaus Rainer Kirchhoff vorstellen, den ich hiermit ebenfalls ganz herzlich begrüße. 

Ziel der Untersuchung war es erneut, aus den in den Geschäftsberichten der Gesellschaften veröffentlichten Prognoseberichten herauszufiltern, wie transparent, verständlich und vor allem wie genau und aussagekräftig die dort formulierten Erwartungen der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften im Einzelnen sind. Analysiert wurden dabei alle wichtigen Komponenten sowohl im Ausblick als auch in den Prognosen. 

Und ich muss leider vorausschicken:

Die Ergebnisse der Studie sind zwar etwas besser ausgefallen als im Vorjahr, sonderlich gut sind sie allerdings nach wie vor nicht. Obwohl die internationalen und global aufgestellten DAX-Konzerne auch für das Geschäftsjahr 2012 wieder umfangreiche Geschäftsberichte vorgelegt haben, die in der Regel mehrere hundert Seiten lang waren, blieben die Prognosen, und damit einer der entscheidenden Bestandteile, allzu oft von mehr als mäßiger Aussagekraft. 

Das obwohl Genauigkeit und Verständlichkeit der von den Unternehmen im Rahmen der Berichte getroffenen Aussagen, für Investoren von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind. Schließlich ist gerade in schwierigen Zeiten eine verlässliche Analysebasis extrem wichtig, wenn es darum geht, Investitionsentscheidungen zu treffen. Die Prognosen der Unternehmen sind dabei ein unentbehrliches Instrument, um den fundamentalen Zustand eines Unternehmens und damit eine mögliche Kursentwicklung realistisch einschätzen zu können. 

Und dabei verlangt niemand von den Konzernen, dass sie Gewinn und Dividende auf Euro und Cent genau vorhersagen. Vielmehr geht es darum, die Entwicklung möglichst zielsicher zu prognostizieren. Es geht darum, Markttrends zu erkennen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das eigene Unternehmen zu antizipieren. Das sollte ein Management, das sich in den Märkten auskennt, in denen es sich bewegt, eigentlich hinbekommen.

Aber offensichtlich stellt das einige Gesellschaften immer noch vor eine schier unlösbare Aufgabe. Hier trennt sich aus meiner Sicht die Spreu vom Weizen. Auf der einen Seite stehen die Unternehmen, die selbst unter erschwerten Bedingungen in der Lage sind, die Geschäftsentwicklung ihrer Gesellschaft im Blick zu haben. Auf der anderen Seite die, die an dieser Aufgabe scheitern. 

Eine Änderung der Regeln zur Konzernlageberichterstattung wird es den Prognosemuffeln unter den Aktiengesellschaften in Zukunft zumindest erschweren, sich weiter im Ungefähren zu bewegen. Zwar wird das Zeitfenster innerhalb dem Trends, Markteinbettung und wesentliche interne und externe Einflüsse, wie zum Beispiel Investitionsabsichten, zu einer Gesamtprognose der Unternehmensentwicklung zusammengeführt werden müssen, von zwei auf ein Jahr verkürzt. Dafür steigen allerdings die Ansprüche an die Qualität der zu liefernden Zahlen. 

Richtung und Intensität der Prognose sind künftig in Form sogenannter Punkt- oder Intervall-Prognosen anzugeben. In der Praxis bedeutet dies, dass quantitative Angaben zu bestimmten Kennzahlen unerlässlich sind. Eine tendenzielle Aussage wie „der Geschäftsverlauf wird sich im Jahr 2013 weiter positiv entwickeln“ wird diesen Anforderungen nicht mehr gerecht. 

Eins sei allerdings deutlich betont: Die Änderungen definieren lediglich einen Mindeststandard. So hindern sie Unternehmen in keiner Weise daran, Prognosen über längere Zeiträume als ein Jahr abzugeben. Die Voraussetzung dafür ist allerdings der Einsatz ausgefeilter Rechnungs- und Bilanzsysteme, ein modernes Controlling und Risikomanagement sowie umfangreiche Gesamtmarktprognosen.

Die DSW-Sprecher werden in der kommenden Hauptversammlungssaison die Prognoseberichte natürlich wieder intensiv analysieren. Diesmal mit besonderem Augenmerk auf die Art der gegebenen Vorhersagen. Dabei erwarten wir von den Gesellschaften nicht nur, dass sie quantitative Angaben zu irgendwelchen Kennzahlen machen, sondern dass sie explizit Angaben zum Ergebnis machen.

Dass die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR das Thema ebenfalls auf der Agenda hat, zeigt die Tatsache, dass sie die Prognoseberichterstattung im Zusammenhang mit Segmenten für das Jahr 2013 auf die Liste ihrer Prüfungsschwerpunkte gesetzt hat. Wir rechnen damit, dass das für 2014 wieder der Fall sein wird. Schließlich zeigt die Untersuchung: Es liegt nach wie vor einiges im Argen. 

Insgesamt erfüllten nur sieben Unternehmen die der Untersuchung zugrunde liegenden Kriterien so gut, dass sie in der Kategorie „hohe Transparenz“ einsortiert werden konnten. In der letzten Untersuchung hatten das sogar nur sechs AGs geschafft. Besonders hervorzuheben sind dabei Fresenius und das neue DAX-Mitglied Continental. Beide Gesellschaften heben sich durch eine besonders transparente und verständliche Darstellung ab. Sechs der DAX-Werte landeten in der Rubrik „unterdurchschnittlich“, weil sie entweder gar keinen oder nur einen ungenauen Ausblick auf die Geschäftszahlen gaben.

Die Ergebnisse sind damit im Vergleich zur letzten Analyse zwar etwas besser ausgefallen, aber wenn weniger als ein Viertel der Unternehmen eine klare Prognose abgeben kann, ist das kein wirklicher Fortschritt.

Dass Masse nicht gleich Klasse ist, zeigt beispielsweise die Commerzbank, die trotz eines 13-seitigen Ausblicks in der Kategorie „niedrige Transparenz“ landete. Der kürzeste Ausblick kam wie im Vorjahr von der Beiersdorf AG. Er umfasst nur eine Seite und enthält weder eine konkrete Ergebnis- noch eine Umsatzprognose. Auch Angaben zur künftigen Finanzlage sind darin nicht zu finden. 

Die sieben Unternehmen in der Kategorie „hohe Transparenz“ lassen sich dagegen nicht nur an Aussagen zum operativen Konzernergebnis messen sondern auch an konkreten Angaben zu den Segmentergebnissen. So können Investoren die Leistung des Managements besser beurteilen. Wir können nur an die Gesellschaften appellieren, die es bisher nicht geschafft haben aussagekräftige Prognoseberichte zu erstellen, sich zukünftig an den Positivbeispielen zu orientieren.

Grundsätzlich ist aus Sicht der DSW wichtig, dass im Rahmen der Prognoseberichte eine Aussage zum Ergebnis getätigt wird. Denn am Ende geht es nicht um Umsatzwachstum oder die Angabe einer prozentualen Kostenreduktion, es geht um den Blick auf den erwarteten Geschäftserfolg des Unternehmens.

Meine Damen und Herren,

bevor ich das Wort an Herrn Kirchhoff übergebe, erlauben sie mir einen kurzen Exkurs zum Thema Quartalsberichterstattung, welches ja durchaus in direktem Zusammenhang mit der Genauigkeit von Unternehmensprognosen steht. Hier gibt es seitens der EU Überlegungen, die Unternehmen künftig nur noch halbjährlich über die Geschäftsentwicklung berichten zu lassen. Mit der Reform der EU-Transparenz-Richtlinie soll die gesetzliche Pflicht zu Quartalsberichten abgeschafft werden. Angeblich facht die Quartalsberichterstattung kurzfristiges und spekulatives Handeln an. 

Wenig überraschend hält die DSW von solchen Plänen überhaupt nichts. Zum einen sind Privatanleger in aller Regel langfristig orientierte Investoren. Auch die rund um die Veröffentlichung der Quartalszahlen zu beobachtende erhöhte Volatilität bei einzelnen Werten, ist kein Grund für eine Abschaffung der Berichte. Dies insbesondere mit Blick darauf, dass dies in Deutschland vorwiegend kleinere AGs betreffen würde.

Für die im sogenannten Prime Standard gelisteten Firmen ist laut den Statuten der Deutschen Börse ein Quartalsbericht Pflicht. Und wir gehen davon aus, dass das so bleibt. Anders ist es dagegen für die im General Standard gelisteten Gesellschaften. Diese Unternehmen wären dann von der Berichtspflicht befreit. Dabei handelt es sich hier um kleine AGs, die oft einen überproportional hohen Anteil an Privatanlegern unter ihren Aktionären haben. Über ihre Quartalsberichte wird in der Presse nicht berichtet. Bankanalysten covern sie aufgrund der zu geringen Größe in der Regel ebenfalls nicht. Hier richten sich die Quartalsberichte also nahezu exklusiv an die Aktionäre. Und sie sind – aufgrund mangelnder alternativer Informationsquellen – fast die einzige Möglichkeit, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, ob das Unternehmen im Plan ist oder nicht. Und dafür reichen Halbjahresberichte eindeutig nicht aus.

Eine Befreiung von der Pflicht zur Quartalsberichterstattung würde vor allem dazu führen, dass gefährdete Unternehmen sich aus der von ihnen ungeliebten Transparenz verabschieden würden. Dass das gerade im General Standard alles andere als wünschenswert ist, zeigt auch ein Blick auf unsere diesjährige Dividendenstudie, die wir ja im April vorgestellt hatten. Danach schütteten von den 235 General Standard Werten, die wir uns im Rahmen der Studie angesehen haben, gerade einmal 32 einen Teil ihres Gewinnes aus. Insgesamt wurden dabei 988 Millionen Euro an die Aktionäre gezahlt. Die 30 im DAX gelisteten Gesellschaften schütten zusammen 27,8 Milliarden Euro aus.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

PrognoseberichterstattungDAX30_2013.pdf