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DSW-Aktionärskompass 2014 und DSW-Forderungskatalog an die Politik zur Reform der Bankberatung
Die DSW hat gemeinsam mit der FOM Hochschule analysiert, was die Privatanleger bewegt, die entgegen dem Trend einen Teil ihres Geldes in Aktien investieren. Welche Informationsquellen nutzen sie? Was halten Sie von der Beratung durch Banken? Wo sehen sie den DAX am Ende des Jahres?
Teilnehmer:
Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer
Professor Dr. Roland Klose, FOM Hochschule
Es gilt das gesprochene Wort
Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz)
Meine Damen und Herren,
auch ich darf Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz hier in Frankfurt begrüßen.
Wir wollen Ihnen heute zwei Themen vorstellen, die eng miteinander verknüpft sind.
Zunächst den neuen Aktionärskompass, den wir zum zweiten Mal gemeinsam mit der FOM Hochschule erarbeitet haben. Hierzu darf ich Herrn Professor Roland Klose herzlich begrüßen, der Ihnen die Ergebnisse im Anschluss im Detail vorstellen wird.
Befragt wurden erneut Anlegerinnen und Anleger, die eine hohe Affinität zu Wertpapieren haben und damit in Deutschland fast schon zu den gefährdeten Arten gehören. Das belegen nicht zuletzt die neuesten Daten des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Danach ist die Zahl der Aktienanleger in Deutschland erstmals seit 2010 wieder gefallen. Um rund 570.000 reduzierte sich die Zahl der Aktionäre und / oder Aktienfondsbesitzer auf jetzt noch 8,9 Millionen. Damit rückt der absolute Rekord aus dem Jahr 2001 wieder in weite Ferne. Damals besaßen 12,9 Millionen Anleger in Deutschland Aktien und / oder Aktienfonds.
Leider teilt die Politik unsere Überzeugung nicht, dass es sich bei den Aktienanlegern um eine durchaus schützenswerte Spezies handelt, deren Vermehrung aktiv unterstützt werden sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Doch bevor ich auf die Defizite der Politik und die Möglichkeiten eingehe, wie diese zu beheben wären, wollen wir Ihnen zunächst die Ergebnisse des Aktionärskompass vorstellen.
Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, wie wertpapieraffine Privatanleger ihre Entscheidungen treffen, welche Informationsquellen sie nutzen und ob Bankberater dabei eine Rolle spielen oder nicht – um nur einige der untersuchten Fragen zu nennen.
Ein Ergebnis ist, dass die befragten Anleger nicht in die Kategorie der kurzfristig orientierten Spekulanten gehören. Fast 80 Prozent geben an, dass sie ihre Aktienbeteiligungen im Schnitt mehrere Jahre halten. Gerade einmal ein knappes Prozent steigt bereits nach weniger als einem Monat aus oder um. Das widerlegt deutlich die Mär vom Spekulanten, der nur am schnellen Geld interessiert ist und unverantwortlich handelt. Leider sind es gerade solche Vorurteile, die mit dazu führen, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung, die die Finanzierung von Unternehmen auch durch Privatanleger hat, systematisch unterschätzt wird.
Nicht sonderlich überraschend ist die Abneigung der Befragten gegenüber der Beratung durch Banken. Gerade einmal 22,5 Prozent greifen im Vorfeld ihrer Anlageentscheidung darauf zurück.
Bevor ich nun aber zu viel vorwegnehme, übergebe ich das Wort aber an Herrn Professor Klose, der Ihnen die Ergebnisse der Befragung im Detail vorstellen wird.
...
Es gilt das gesprochene Wort
Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz)
Meine Damen und Herren,
vielen Dank Herr Professor Klose.
Nachdem Sie nun einen Einblick bekommen haben, wie erfolgreich Anlegerinnen und Anleger agieren, die ihr Geld eben nicht (nur) in Sparbücher, Festgelder oder Lebensversicherungen investieren, komme ich zum zweiten Themenkomplex unserer heutigen Pressekonferenz: der DSW-Forderungskatalog an die Politik.
Neben dem im Schnitt eher schlechten Wissensstand der Deutschen in Sachen Geldanlage ist unserer Ansicht nach die oft mangelnde Qualität der Bankberatung, respektive die Tatsache, dass eine Beratung gar nicht erst stattfindet, einer der Hauptgründe, für die oft suboptimale Geldanlage hierzulande. Zu häufig werden die Weichen in Richtung Festgelder, Tagesgelder oder Versicherungen gestellt. Damit wird aktiv dafür gesorgt, dass das Gros der Privatanleger real Kapital vernichtet.
Wie sich das in Zahlen ausdrückt, zeigt ein Blick auf die Verteilung des Geldvermögens privater Haushalte in Deutschland. Das Gesamtvermögen hat seit 2004 um fast 27 Prozent zugenommen, auf heute gut 5 Billionen Euro. Bargeld und Einlagen legten von 1,4 Billionen auf über 2 Billionen Euro zu, was einem Anstieg um mehr als 40 Prozent entspricht. Ebenfalls stark zugenommen haben die Ansprüche gegen Versicherungen – um mehr als 50 Prozent auf gut 1,5 Billionen Euro. Und das obwohl der Garantiezins für Lebensversicherungen kontinuierlich von 4 Prozent im Juni 2000, über 2,75 Prozent ab 2004, auf aktuell nur noch 1,75 Prozent gesunken ist. Für 2015 wurde bereits eine weitere Senkung auf dann nur noch 1,25 Prozent angekündigt. Die aktuelle Diskussion und die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Sicherungsmechanismen verheißen ebenfalls nichts Gutes für die Versicherten.
Hinzu kommt die extrem schwer durchschaubare Kostenstruktur etlicher solcher Versicherungsprodukte. Wenn die Kunden wüssten, wie viel des von ihnen eingezahlten Betrages versickert, würden sie ihr Geld vielleicht in andere Produkte investieren.
Doch statt gegenzusteuern, steckte die Politik die Anlageberatung in ein rechtliches Korsett, das sie dann auch noch Stück für Stück enger zog. Das Ziel: die Anleger sollten vor allen möglichen finanziellen Risiken geschützt werden. Doch mittlerweile ist das Korsett fast zu einer Zwangsjacke mutiert.
Beispiele hierfür sind Beratungsprotokolle und Produktinformationsblätter, die so genannten PIBs.
Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wird hierdurch erschwert, da sie den Banken einen rechtlichen Vorteil verschaffen, der nicht durch ein Plus an verständlichen Informationen beim Kunden kompensiert wird. Hinzu kommt, dass die Beratungsmöglichkeiten seitens der Bankberater gerade durch die PIBs deutlich eingeschränkt werden. Schließlich darf nur zu den Produkten beraten werden, zu denen entsprechende Beschreibungen vorliegen. Wer auch nur ansatzweise das Universum der Anlageprodukte kennt, wird wissen, dass in der Regel nur ein Bruchteil davon abgedeckt ist.
Das Ende vom Lied ist, dass nicht die Beraterin oder der Berater in Abstimmung mit dem jeweiligen Kunden entscheidet, wie ein optimaler Anlagemix aussehen könnte. Vielmehr haben bereits im Vorfeld Rechtsabteilung und Produktmanagement der Bank festgelegt, wie breit die Spanne der anbietbaren Anlagemöglichkeiten ist – durch die Entscheidung, zu welchen Produkten PIBs vorliegen und zu welchen nicht.
Will der Anleger heute aus dem gesamten Universum der Anlagemöglichkeiten schöpfen, ist er somit auf sich allein gestellt.
Aber auch die Anleger, die nicht in der Lage sind, Bilanzen zu lesen, oder sich eine dezidierte Meinung über die konjunkturelle Entwicklung der Weltwirtschaft in den kommenden Monaten zu bilden, müssen die Chance haben, ihr Kapital bedarfsgerecht und renditeoptimiert anzulegen. Nur so kann verhindert werden, dass gerade einkommensschwächere Haushalte aufgrund der Realzinsfalle beim Aufbau ihrer Altersversorge in massive Probleme geraten. Bedarfsorientierte Beratung darf nicht davon abhängen, wie dick die Geldbörse ist. Und eines ist auch klar: Vermögende Kunden erhalten bereits heute trotz aller hemmenden Regularien eine gute und auf breiter Auswahl basierende Beratung.
Manchmal drängt sich hier fast der Eindruck auf, dass dem Staat die eigene Refinanzierung doch deutlich wichtiger ist als der Aufbau einer privaten Altersvorsorge seiner Bürger. Da kommt die Abneigung der Anleger gegenüber Aktien ganz gelegen. Denn Lebens- und Rentenversicherungen investieren gezwungenermaßen einen Großteil des ihnen zur Verfügung gestellten Kapitals in deutsche Staatsanleihen.
In der Hoffnung, dass dieser Eindruck täuscht, appellieren wir an den Minister für Justiz und Verbraucherschutz, Heiko Maas, die Breite und Machtfülle seines Ministeriums im Sinne des Anlegerschutzes zu nutzen. Hierzu gehört sicher zuallererst eine Einstellungsänderung. Sowohl bei den Bürgern, die ihre irrationale Scheu vor der Geldanlage in Aktien ablegen müssen, als auch bei vielen Politikerinnen und Politkern, die sich von der Vorstellung lösen sollten, Anleger vor möglichen Fehlentscheidungen durch Verbote schützen zu können.
Der DSW-Forderungskatalog:
1. Reformierung des Beratungsprotokolls
Das Beratungsprotokoll in seiner aktuellen Form hat letztendlich dazu geführt, dass eine Anlageberatung heute in der Fläche schlichtweg nicht mehr stattfindet. Der Aufwand und damit die Kosten einer Beratung werden inklusive Protokoll auf über 200 Euro geschätzt. Da liegt es nahe entweder ganz auf die Beratung zu verzichten, oder nur solche Produkte zu empfehlen, die diese Kosten mindestens wieder einspielen – und das sind eben oft nicht die Produkte, die für den Anleger optimal sind.
Aber leider müssen wir auch grundsätzlich feststellen, dass das Protokoll in seiner Steuerungswirkung nicht die Wirkung entfaltet, die intendiert war. Vielmehr hat es in der Konsequenz dazu geführt, dass die Durchsetzung von Ansprüchen im Rahmen der so genannten „fehlerhaften Anlageberatung“ zusätzlich erschwert oder nahezu komplett abgeschnitten wurde. Denn mit dem Protokoll hat die Bank in der Regel den Beleg in Händen, dass über alle Anlagerisiken aufgeklärt. Und wird dem Protokoll seitens des Kunden nicht widersprochen, gilt es als akzeptiert.
Die schützende Wirkung des Protokolls bezieht sich damit eher auf das beratende Institut als auf den Kunden. Das war – soweit wir uns erinnern – nicht im Fokus von Frau Aigner als sie die Protokollpflicht einführte.
Ein Verzicht auf die Erstellung eines Protokolls durch den Kunden unter Beachtung erweiterter, regelmäßig wiederkehrender Aufklärungsplichten durch die Bank, wie wir es bei der Termingeschäftsfähigkeit kennen bzw. kannten, wäre hier ein möglicher Ausweg.
2. Mindestanzahl vorzuhaltender PIBs pro Anlageklasse bei allen Beratungsformen oder Schaffung der Möglichkeit eines freiwilligen Verzichts auf die Vorlage eines PIBs
In der Honorarberatung wird aktuell vom Regulierer ein solcher Weg gegangen. Im Honoraranlageberatungsgesetz bzw. in der dazugehörigen Verordnung ist vorgesehen, dass der Empfehlung im Rahmen einer Honorar-Anlageberatung eine „hinreichende“ Anzahl von auf dem Markt angebotenen Finanzinstrumenten zu Grunde liegen muss. Zwar wird nicht genau definiert, was „hinreichend“ bedeutet. Der Ansatz ist aber trotzdem der Richtige. Der Berater muss wieder die Chance erhalten, aus einem breiten Spektrum an Instrumenten bzw. Produkten eine Auswahl treffen zu können.
Ein anderer Weg wäre die Möglichkeit, dass der Kunde freiwillig auf die Vorlage von PIBs verzichten kann. Das natürlich auch hier wieder nur für einen gewissen Zeitraum und unter Beachtung gesonderter Aufklärungspflichten der Banken.
3. Einführung eines zentralen PIB-Registers
Damit sich der Kunde vor dem Beratungsgespräch oder überhaupt bankenunabhängig informieren kann, sollten alle PIBs zentral an einer Stelle im Internet eingestellt werden. Ob dies auf der Seite der BaFin erfolgt oder an anderer Stelle ist dabei sekundär.
4. Umkehr der Beweislast bei fehlerhafter Anlageberatung
Die Diskussionen um die Protokolle und die PIBs könnten auch durch die Einführung der Beweislastumkehr abgekürzt werden.
So ist der Informationsvorsprung einer Bank gegenüber ihren Kunden in Sachen gesetzliche Aufklärungs- und Informationspflichten derart groß, dass die Umkehr der Beweislast eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste.
Vergleichbare Beispiele existieren im Arzthaftungsrecht oder bei der Produkthaftung
Unserer Rechtsordnung ist also die Umkehr der Beweislast durchaus nicht fremd. Zu beweisen, dass etwas nicht passiert ist (wie hier die richtige, angemessene Beratung) ist eben nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, wenn der Wissens- und Erfahrungsvorsprung der anderen Seite derart immens ist.
5. Schärfere Regulierung des Grauen Marktes und Vereinheitlichung des Anlegerschutzniveaus
Der Fall Prokon hat einmal mehr deutlich gezeigt, wie groß die Risiken bei Anlagen im so genannten Grauen Markt sind. Rund 1,4 Milliarden Euro sammelte das rührige Windparkunternehmen per Direktvertrieb bei Privatanlegern ein. Auch hier halten wir nichts davon, mit Verboten zu reagieren. Trotzdem gibt es deutlichen Optimierungsbedarf. So kann es doch nicht ernsthaft sein, dass freie Berater, die hochriskante Anlageprodukte verkaufen, gar keiner oder seit Kurzem der Aufsicht des jeweiligen Gewerbeamtes unterstehen. Hier muss die Aufsicht schnellstmöglich an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen werden. Je riskanter die Anlage, umso stärker müsste die Kontrolle ausgestaltet sein, nicht anders herum.
Insgesamt darf immer nur der Anleger Ausgangspunkt für das regulatorische Schutzniveau sein. Selbst ein aufgeklärter Anleger kann oft nicht erkennen, ob er sich gerade im „Grauen“ oder im „Weißen“ und damit regulierten Kapitalmarkt bewegt.
Ziel muss sein, dass eine solche Unterscheidung für ihn schlichtweg irrelevant ist, wenn es um seine Rechte und Ansprüche geht.
Würde es die Bundesregierung mit dem Verbraucher- und Anlegerschutz ernst meinen, würden sich die Aufsicht und die Rechte der Anleger nach deren Schutzbedürfnis und nach nicht der Wahl des Vertriebskanals oder des Marktes durch den Anbieter richten.
6. Pflicht zur Offenlegung der Kostenstruktur aller Anlageprodukte
Wie die Zahlen der Vermögensverteilung belegen, hat nach wie vor ein großer Anteil der Anleger hierzulande ein Faible für kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherungen. Daran hat offenbar weder die Senkung des Garantiezinses noch die Reduzierung des Steuerprivilegs dieser Anlageform etwas ändern können.
Aus Sicht der DSW kann es auch hier nicht Aufgabe der Politik sein, den Anlegern vorzuschreiben, ob diese Anlageform für sie sinnvoll ist oder nicht. Allerdings muss die Politik nach unserer Überzeugung dafür sorgen, dass die Entscheidung auf einer möglichst breiten Informationsbasis getroffen wird. Hierzu gehört zwingend das Wissen darüber, wie hoch der Kosten- und wie hoch der Sparanteil bezogen auf das eingezahlte Kapital eigentlich ist.
Die Etablierung einer produktunabhängigen, flächendeckenden Kennzahl für die Erfassung der Kosten über die Laufzeit ist bisher leider nicht erfolgt. Bei allen Schwierigkeiten sollte die Diskussion hier aber wieder aufgenommen werden. Ein möglicher Ansatz wäre die Kennzahl „Reduction in Yield“, wobei das eine klare Definition voraussetzt, die dafür sorgt, dass alle direkten und indirekten Kosten berücksichtigt werden. Denn jeder Sparer oder Anleger sollte wissen, wie viel seines Geldes über die gesamte Laufzeit für die Erwirtschaftung einer Rendite zur Verfügung steht und welcher Teil dem Anbieter, Verwalter oder wem auch immer zugeführt wird.
Es wäre wünschenswert, wenn Minister Maas einen Runden Tisch einberufen würde, an dem ergebnisoffen über bestehende Missstände und Lösungsmöglichkeiten diskutiert werden kann. Hier haben etliche Marktteilnehmer bereits ihre Bereitschaft zur Teilnahme signalisiert. Diese Bereitschaft sollte sowohl zum Wohle der Sparer und Anleger als auch zur Förderung der privaten Altersvorsorge auf Seiten des Regulierers nicht unerwidert bleiben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.