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Analyse der Prognoseberichte der DAX-Gesellschaften 2015
DSW und Kirchhoff Consult AG stellen bereits zum vierten Mal ihre Studie zur Analyse der Prognoseberichte der DAX30-Gesellschaften vor. Dabei wurden erneut nicht nur Qualität und Transparenz der Darstellung, sondern auch die Zielgenauigkeit der im Rahmen der Prognoseberichte gemachten Angaben der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften analysiert.
Teilnehmer:
Ulrich Hocker, Präsident der DSW
Klaus Rainer Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender der Kirchhoff Consult AG
Es gilt das gesprochene Wort
Ulrich Hocker, Präsident der DSW
Meine Damen und Herren,
auch ich darf Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz hier in Frankfurt begrüßen auf der wir Ihnen die Ergebnisse der Analyse der Prognoseberichte der DAX30-Gesellschaften vorstellen wollen, die wir nun bereits zum vierten Mal gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft Kirchhoff Consult AG erstellt haben.
Die detaillierten Studienergebnisse wird ihnen im Anschluss Herr Kirchhoff vorstellen, den ich hiermit ebenfalls nochmals ganz herzlich begrüße.
Im Rahmen der Untersuchung haben wir erneut nicht nur Qualität und Transparenz der Darstellung, sondern auch die Zielgenauigkeit der im Rahmen der Prognoseberichte gemachten Angaben der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften analysiert. Schließlich ist die transparenteste und verständlichste Darstellung nur wenig wert, wenn beim Rückblick auf den Prognosezeitraum festgestellt werden muss, dass die Vorhersagen nicht ansatzweise eingehalten werden konnten.
Zudem ist gerade die Zielgenauigkeit der Prognosen ein entscheidender Hinweis, wenn es um die Bewertung der Güte des Managements eines Unternehmens geht. Das gilt übrigens – zumindest im Verständnis von Aufsichtsräten – für deutliche Abweichungen von den prognostizierten Zahlen in beide Richtungen. Vom Fall externer Einflüsse die die fehlerhafte Einschätzung erklären können einmal abgesehen, deuten krasse Unter- und Überschreitungen der Planzahlen gleichermaßen auf Defizite im Marktverständnis hin.
Dabei ist die Gefahr für den Vorstand, mit seinen Aussagen daneben zu liegen, in der Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat sehr viel höher als in der Kommunikation mit den Anlegern. Für die interne Unternehmensplanung werden Pläne mit harten, nachprüfbaren Zahlen für das kommende Geschäftsjahr vorgelegt. Aktionäre müssen sich dagegen oft mit mehr oder weniger rudimentären Richtungsaussagen zufrieden geben.
Dabei spielen die Prognoseberichte gerade für Privatanleger als Grundlage für ihre Anlageentscheidungen eine durchaus wichtige Rolle. Nach einer von uns durchgeführten Befragung aktienaffiner Anleger, die wir im März vorgestellt haben, nennen über 60 Prozent der Befragten den Geschäftsbericht als wichtigste Informationsquelle. Neben der Gewinn- und Verlustrechnung steht der Lagebericht in der Gunst der Leser ganz weit oben. Kein Wunder, wird hier doch komprimiert und – im besten Fall – verständlich die Situation des Unternehmens aus unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt. Und hier finden sich auch die Prognoseberichte der Gesellschaften. Doch die sind – wie die Analyse gezeigt hat – leider nicht in allen Fällen sonderlich aussagekräftig.
Besonders unerfreulich wird es, wenn Unternehmen bei der sogenannten „qualifiziert-komparativen“ Prognose Zuflucht suchen. Dabei reichen Angaben einer Veränderung im Vergleich zum Ist-Wert plus einer Beschreibung der „Qualität“ dieser Veränderung. Ein Beispiel wäre etwa, dass seitens des Unternehmens für das kommende Jahr ein „leicht steigender“ Umsatz erwartet wird. Bei der Frage, was genau eine „leichte Steigerung“ sein könnte, müssen die Aktionäre auf ihre eigene Interpretationsfähigkeit zurückgreifen. Ohne tiefes Wissen über die Unternehmenshistorie und den Branchenkontext ist es kaum möglich, zu einer halbwegs verwertbaren Einschätzung zu kommen. Klar zu entnehmen ist einer solchen Aussage lediglich, dass Stagnation oder Rückgang offenbar nicht erwartet wird.
Insgesamt bietet der Deutsche Rechnungslegungsstandard Nr. 20 (DRS 20) gerade einmal vier Formulierungsvorschläge für solche qualifiziert-komparativen Prognosen: „geringfügig, leicht, erheblich, stark“.
Wie weit wir von einer echten quantitativen Prognosekultur entfernt sind, zeigt die Tatsache, dass verglichen mit der Zeit vor Inkrafttreten des DRS 20 am 31.12.2012 die qualifiziert-komparative Prognose sogar einen Fortschritt darstellt. Bis dahin waren selbst rein vergleichende Angaben erlaubt. Eine Aussage wie „Wir erwarten einen steigenden Umsatz“ reichte also aus – ohne jede Angabe zur Quantität der erwarteten Veränderung.
Immerhin hätte der Prognosehorizont damals noch mindestens zwei Jahre betragen müssen. Seit Einführung des DRS 20 reicht ein Jahr aus. Das heißt natürlich nicht, dass Unternehmen keine längerfristigen Prognosen mehr machen dürfen – die Bereitschaft, sich bei dem zu prognostizierenden Zeitraum weiter als nötig aus dem Fenster zu lehnen, ist allerdings bei den meisten Gesellschaften nicht sonderlich ausgeprägt.
Deutlich besser geeignet als komparative Aussagen – ob nun qualifiziert oder nicht – sind Intervall-Prognosen, bei denen die Unternehmen Bandbreiten für ihre Erwartungen angeben. Wenn diese nicht zu breit ausfallen, ist das aus unserer Sicht ein akzeptabler Kompromiss, der zum einen die Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer erfüllt und zum anderen dem Unternehmen einen gewissen Spielraum bei der Realisierung des formulierten Ziels bietet.
Am besten sind aus unserer Sicht natürlich echte quantitative Prognosen, da nur diese wirklich mit den erreichten Ergebnissen verglichen werden können. Dabei verlangt niemand, dass die Konzerne das Ergebnis des nächsten Geschäftsjahres auf die zweite Kommastelle genau vorhersagen. Es geht vielmehr darum, Entwicklungen und Markttrends möglichst zielsicher zu prognostizieren und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das eigene Unternehmen zu antizipieren. Das scheint mir keine unerfüllbare Anforderung an Manager, die den Markt kennen, in dem sie sich bewegen.
Damit aber zu den Ergebnissen unserer Studie: Ohne Herrn Kirchhoff allzu weit vorzugreifen, kann ich sagen, dass sie etwas besser ausgefallen sind als im Vorjahr. Kein Unternehmen hat sich verschlechtert und immerhin vier konnten sich verbessern. Zehn Gesellschaften schafften es in die Kategorie „Hohe Transparenz“ nach acht im Vorjahr. Sieben AGs konnte aber nach wie vor nur eine „niedrige Transparenz“ bescheinigt werden. Das sind zwar drei weniger als im Vorjahr, ist unserer Ansicht nach aber immer noch eine erschreckend hohe Zahl.
Da der Untersuchungsschwerpunkt auf der Frage lag, wie anlegerfreundlich und transparent die DAX30-Gesellschaften die aktuellen Bilanzvorschriften umsetzen, sind freiwillige Langfristprognosen, die von einigen Unternehmen erstellt werden, nicht in die Bewertung eingegangen. Trotzdem soll nicht unerwähnt bleiben, dass 14 DAX-Unternehmen über die gesetzliche Mindestanforderung von einem Jahr hinaus Prognosen abgegeben haben. Acht davon wagten quantitative Ausblicke, die restlichen sechs beließen es bei qualitativen Prognosen. Im Vorjahr hatten noch 18 Unternehmen längerfristige Prognosen abgegeben. Eine positive Entwicklung sieht anders aus.
Mit Blick auf das Gesamtergebnis lautet unser Fazit, dass es trotz des grundsätzlich positiven Trend nicht gerade für den Transparenzwillen der deutschen Aktiengesellschaften spricht, wenn von den 30 größten AGs in Deutschland, die natürlich immer auch eine Vorbildfunktion für die kleineren Gesellschaften haben, gerade einmal ein Drittel die Kriterien für eine hohe Transparenz bei den Prognoseberichten erfüllt. Zudem bleibt die Aussagekraft der Prognoseberichte in vielen Fällen verbesserungsbedürftig. Hier erwarten wir von den Vorständen deutlich mehr Mut zu klaren und überprüfbaren Aussagen. Gleiches gilt für die freiwillige Veröffentlichung längerfristiger Prognosen. Auch hier geben die DAX-Unternehmen leider nicht gerade ein gutes Bild ab.
Damit übergebe ich das Wort an Herrn Kirchhoff, der ihnen nun die Ergebnisse der Studie im Detail vorstellt, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.