DSW-Aufsichtsratsstudie 2015 - Teil 2

Im zweiten Teil ihrer Aufsichtsratsstudie 2015 untersucht die DSW die Aufsichtsräte der DAX, MDAX, TecDax und SDAX-Unternehmen unter verschiedenen Corporate Governance Aspekten wie Gender-Diversity, Altersstruktur und Dauer der Gremienzugehörigkeit.

Teilnehmer seitens der DSW:

Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer

Christiane Hölz, Landesgeschäftsführerin NRW

Jürgen Kurz, Pressesprecher

 

Es gilt das gesprochene Wort

Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der
DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz)

 

Meine Damen und Herren,

auch ich darf Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz begrüßen. Thema werden die Corporate-Governance-Aspekte der DSW-Aufsichtsratsstudie 2015 sein. Dabei geht es in erster Linie um Gender-Diversity, Altersstruktur und Dauer der Gremienzugehörigkeit.

Am intensivsten diskutiert wird von den genannten Punkten sicher das Thema „Frauenquote“, mit dem ich auch gleich in die Studienergebnisse einsteigen möchte.

In den DAX 30-Gesellschaften sind insgesamt 487 Mandate zu besetzen. Hiervon stellt die Arbeitnehmerseite 239 Mandate, die Anteilseignerseite 248 Mandate.

Von den 248 Anteilseignermandaten werden 2015 genau 60 Mandate (2014: 53 Mandate) oder 24,2 Prozent (2014: 21,1 Prozent) von Frauen gehalten. Auf der Arbeitnehmerseite liegen 71 Mandate bzw. 29,7 Prozent (2014: 28,5 Prozent) bei weiblichen Mandatsträgern.

Berücksichtigt man die Entwicklung der letzten Jahre, zeigt sich, dass der Anstieg auf der Anteilseignerseite - von einem niedrigem Niveau kommend - deutlich stärker ausgefallen ist als auf der Arbeitnehmerseite: Der Frauenanteil auf der Anteilseignerseite stieg seit 2006 um 19,2 Prozentpunkte, wohingegen der Anstieg auf der Arbeitnehmerseite im gleichen Zeitraum bei 11,5 Prozentpunkten lag.

Bezogen auf die Gesamtheit der im DAX 30 zu besetzenden 487 Aufsichtsratsmandate liegt der Anteil der Frauen 2015 bei 26,9 Prozent (2014: 24,7 Prozent).

Im Durchschnitt nähern sich die größten deutschen Aktiengesellschaften damit der in Deutschland ab 2016 gesetzlich vorgeschriebenen 30-Prozent-Marke an.

Den höchsten Frauenanteil in ihren Kontrollgremien haben 2015 Henkel, Münchener Rück sowie Infineon Technologies und Merck.

Rang      Unternehmen                     AR-Frauenanteil 2015
1Henkel43,8%
2Münchener Rück40,0%
3Merck, Infineonje 37,5%

Insgesamt erfüllen von den 28 DAX 30-Unternehmen, die ab 2016 der 30-Prozent-Quote unterliegen, derzeit 13 Unternehmen diese Vorgabe. 

Keine Frauen sind in den Aufsichtsräten von Fresenius und Fresenius Medical Care vertreten.

Die eigenen Ziele, die sich die DAX 30-Aufsichtsräte für die Zusammensetzung ihres Gremiums gesteckt haben, stehen überwiegend noch nicht in Einklang mit der gesetzlichen Quote: Bislang haben elf Unternehmen eine Zielquote von 30 Prozent oder mehr als angestrebtes Ziel formuliert. Eine detaillierte Übersicht zu den Zielformulierungen der DAX 30-Unternehmen finden Sie in Ihren Unterlagen.

Doch es ist nicht nur die Mitgliedschaft in den Aufsichtsgremien selbst, die von Bedeutung ist. Auch wer dem Gremium vorsitzt bzw. in den wichtigen Ausschüssen (insbesondere Präsidium bzw. Ständiger Ausschuss, Prüfungsausschuss, Personal- bzw. Vergütungsausschuss sowie Nominierungsausschuss) vertreten ist und damit an den Schaltstellen der Macht sitzt, ist wichtig.

Der Vergleich zeigt:

Der Aufsichtsratsvorsitz im DAX 30 ist fast ausschließlich von Männern besetzt. Lediglich das Kontrollgremium von Henkel wählte Familienvertreterin Simone Bagel-Trah zur Vorsitzenden.

Bei der Mitgliedschaft bzw. dem Vorsitz in den wichtigen Ausschüssen spielen Frauen 2015 ebenfalls eine untergeordnete Rolle. 2015 werden 16,3 Prozent der insgesamt 418 Positionen in den wichtigsten Ausschüssen von Frauen wahrgenommen (2014: 16,3 Prozent). Hiervon stellen die Anteilseigner mit 8,4 Prozent (2014: 7,8 Prozent) den leicht überwiegenden Anteil an weiblichen Vertretern. Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung dieser Gewichtung allerdings, dass 64,6 Prozent der Positionen in den wichtigsten Ausschüssen von der Anteilseignerseite gestellt werden.

Wie schon im Vorjahr werden fünf der wichtigsten Ausschüsse von Frauen geleitet. So werden bei der BASF, Beiersdorf und der Deutschen Telekom der Prüfungsausschuss von einer Anteilseignervertreterin geführt. Gleiches gilt für den Nominierungsausschuss von Henkel. Der Personalausschuss der Deutschen Post ist der einzige wichtige Ausschuss, der von einer Arbeitnehmervertreterin geleitet wird.

Die Ergebnisse unserer Studie machen deutlich, dass der Trend zwar durchaus positiv ist, die Geschwindigkeit aber wohl noch zu wünschen übrig lässt.

Das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, das am 1. Mai 2015 in Kraft getreten ist, sieht für die Aufsichtsräte paritätisch mitbestimmter und börsennotierter Unternehmen ab 1. Januar 2016 für Neubesetzungen eine verbindliche Frauenquote von mindestens 30 Prozent vor. Die Quote ist vom Aufsichtsrat insgesamt zu erfüllen. Bei Nichterfüllung ist die Wahl entsprechender Kandidaten nichtig. Die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze bleiben dann rechtlich unbesetzt („leerer Stuhl“). Die Besetzung kann durch Nachwahl oder gerichtliche Ersatzbestellung erfolgen. Dabei ist dann natürlich ebenfalls die 30-Prozent-Quote zu beachten.

Wir gehen allerdings davon aus, dass es den leeren Stuhl in der Realität nicht geben wird. Das kann sich die Kapitalseite im Aufsichtsrat schon aus Machtgründen nicht leisten.

Zum 30. September 2015, und damit sehr aktuell, mussten Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, Zielgrößen zum Frauenanteil in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Managementebenen festlegen, die sogenannte Flexi-Quote. Zu diesen Zielgrößen und deren Erreichung müssen die Unternehmen im Corporate Governance Bericht Stellung nehmen. Eine Mindestzielgröße sieht das Gesetz allerdings ebenso wenig vor, wie eine Sanktion bei Nichterfüllung.

Liegt der Frauenanteil in einer Führungsebene bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den bereits erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Die Frist zur Erreichung der Zielgrößen darf nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Das ist aus unserer Sicht ein deutlich zu enger Zeitrahmen und damit sicher einer der Konstruktionsfehler des Gesetzes. Etliche Gesellschaften werden vor diesem Hintergrund als Zielquote in erster Linie beim Vorstand und den oberen Führungsebenen, aber auch oftmals beim Aufsichtsrat, sofern dieser nicht der harten Quote unterliegt, eine „Null“ angeben.

Ein einfaches Beispiel verdeutlicht das Dilemma, in dem einige Unternehmen sich befinden:

Viele Vorstände sind für einen Zeitraum bestellt, der über den 30. Juni 2017 hinausgeht. Besteht nun ein Vorstand aktuell nur aus männlichen Mitgliedern, müsste ein zusätzlicher Vorstandsposten geschaffen oder aber ein Vorstandsmitglied durch eine Frau ausgetauscht werden, um eine Quote oberhalb von Null Prozent zu realisieren. Die zwangsläufige Konsequenz ist die Erklärung der Nullquote als Zielgröße bis Mitte 2017.

Aus Sicht der DSW sollten sich die Unternehmen aber sehr gut überlegen, ob sie diese Zielquote ohne weitere Erläuterungen im Raum stehen lassen. Immerhin besteht (auch rechtlich) die Möglichkeit, weitere Erklärungen zu veröffentlichen, die sich über den Zeitraum nach Mitte 2017 erstrecken können. Hier wären ausgewogene und nach vorne gerichtete Aussagen sinnvoll.

Ansonsten droht die Gefahr, dass aus den vielen „Nullern“ eine Steilvorlage für Frau Schwesig und die Bundesregierung wird, auch die bisher lediglich von einer flexiblen Quote betroffenen Unternehmen zukünftig mit einer harten Quote zu regulieren.

Insofern darf oder sollte man die aktuellen Erklärungen, die im nächsten Jahr in den Geschäftsberichten veröffentlicht werden, in erster Linie als Zwischenergebnis sehen und auch so bewerten. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Bundesregierung dies so wertet und keine voreiligen Schlüsse aus den Erklärungen zieht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Es gilt das gesprochene Wort

Christiane Hölz, Landesgeschäftsführerin NRW der DSW

 

Meine Damen und Herren,

auch wenn das Geschlechterthema in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion ohne Zweifel eine herausragende Position einnimmt, gibt es dennoch andere Themenfelder, die es aus unserer Sicht ebenfalls wert sind, sich damit eingehender zu beschäftigen. Eines davon ist die Altersstruktur der Kontrollgremien.

Laut Corporate Governance Kodex soll „eine festzulegende Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder“ bei der Zusammensetzung des Gremiums berücksichtigt werden. Zudem empfiehlt er die Einführung einer Regelaltersgrenze. Eine klare Definition des Begriffs enthält der Kodex dabei nicht.

Vor diesem Hintergrund haben wir im Rahmen unserer Studie erneut auch die Altersstruktur der DAX 30-Aufsichtsräte analysiert.

Da acht der 29 mitbestimmten DAX 30-Unternehmen das Alter ihrer Arbeitnehmervertreter bislang nicht veröffentlichen, mussten wir uns bei der Analyse auf die Anteilseignermandate konzentrieren.

Das durchschnittliche Alter eines Anteilseignervertreters im DAX 30 beträgt 61 Jahre. Die jüngste Anteilseignerseite stellt mit durchschnittlich 54 Jahren die Henkel KGaA. Die durchschnittlich ältesten Aufsichtsräte weisen mit 71 bzw. 70 Jahren Fresenius Medical Care und Fresenius auf.

Das durchschnittliche Alter der weiblichen Mandatsträger liegt auf Anteilseignerseite mit 56 Jahren klar unter dem Durchschnittsalter ihrer männlichen Kollegen (63 Jahre).

Julia Kuhn-Piëch, Vertreterin im Aufsichtsrat von Volkswagen, ist auf Anteilseignerseite das jüngste Aufsichtsratsmitglied im DAX 30 (Jahrgang 1981). Der älteste Aufsichtsrat auf Anteilseignerseite findet sich bei Fresenius Medical Care. Walter L. Weisman, Vorsitzender des Prüfungsausschusses, ist Jahrgang 1935.

Immerhin 24 der 30 DAX-Unternehmen haben eine Regelaltersgrenze für die Mitglieder des Aufsichtsrats eingeführt – entweder über die Satzung (so z.B. Deutsche Lufthansa), die Geschäftsordnung (so z.B. RWE) oder im Rahmen der Berichterstattung über die Zielzusammensetzung für den Aufsichtsrat (so z.B. Thyssen-Krupp). Sechs Unternehmen haben eine entsprechende Abweichung zur Kodex-Empfehlung erklärt.

Unsere Analyse zeigt, dass die Unternehmen sich dem Erreichen der Altersgrenze auf verschiedene Weise nähern. Während einige hierfür auf den Zeitpunkt der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat abstellen, legen andere Unternehmen den Zeitpunkt des Wahlvorschlags als Zielalter fest. Wieder andere Unternehmen setzen die Erreichung des Regelalters in Bezug zum Zeitpunkt der nächsten Hauptversammlung.

Bei drei der 24 Unternehmen, die eine Regelaltersgrenze veröffentlicht haben, lässt sich aus den Informationen nicht erschließen, zu welchem Zeitpunkt das Aufsichtsmandat tatsächlich in der Regel enden soll.

Die unterschiedliche Handhabung der Unternehmen in Bezug auf die Regelaltersgrenze führt dazu, dass das tatsächlich mögliche Regelalter eines DAX 30-Aufsichtsrats höher ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Es liegt zwischen 70 Jahren (so bei Allianz, BMW und Deutsche Bank) und 79 Jahren (so bei ThyssenKrupp und Volkswagen). Am häufigsten wird im DAX 30 eine Regelaltersgrenze zwischen 74 und 76 Jahre für Aufsichtsräte festgelegt.

Im Gegensatz zum Alter ist die Zugehörigkeitsdauer zum Gremium ein Thema, dem sich der Kodex in seiner neuesten Fassung zum ersten Mal widmet.

Hierzu wird in Ziffer 5.4.1 des Kodex empfohlen, dass der Aufsichtsrat eine Regelgrenze für die Zugehörigkeitsdauer festlegt und diese in den zu veröffentlichenden Zielen für die Zusammensetzung darlegt.

Zwar wächst mit jedem Zugehörigkeitsjahr die Expertise und Kenntnis bezüglich des Unternehmens, aber ein zu langes Aufsichtsratsmandat lässt eine gewisse „Betriebsblindheit“ entstehen. Regelbegrenzung bedeutet dabei nach unserem Verständnis, dass in Ausnahmefällen einzelne Aufsichtsratsmitglieder die festgesetzte Zugehörigkeitsdauer überschreiten dürfen.

Da die Empfehlung erst in diesem Jahr in den Kodex aufgenommen wurde, haben wir darauf verzichtet, uns die Zielvorgaben anzusehen. Untersucht wurde jedoch die tatsächliche Zugehörigkeitsdauer der Mitglieder von DAX 30- sowie MDAX-, TecDAX- und SDAX-Aufsichtsräten.

Im DAX 30 lag die durchschnittliche Zugehörigkeitsdauer 2015 bei sechs Jahren. Einen Unterschied zwischen Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmerseite gibt es nicht.

Die 30 Aufsichtsratsvorsitzenden der DAX-Unternehmen sitzen ebenfalls durchschnittlich seit sechs Jahren in den Aufsichtsgremien.

Die längste durchschnittliche Zugehörigkeit gibt es mit 14 Jahren bei Fresenius Medical Care. Die kürzeste mit nur drei Jahren bei der Deutschen Lufthansa.

Die Aufsichtsräte mit der längsten Amtszugehörigkeit sitzen in den Gremien von BMW und SAP. Manfred Schoch (BMW) und Wilhelm Haarmann (SAP) sind seit 1988 in dem jeweiligen Aufsichtsrat vertreten.

47 Prozent und damit fast die Hälfte aller DAX 30-Aufsichtsräte befinden sich in der ersten Amtsperiode, weitere 33 Prozent absolvieren ihre zweite Amtsperiode im Aufsichtsrat. Lediglich 7 Prozent der Aufsichtsräte gehören dem Gremium seit vier oder mehr Amtsperioden an.

Die Daten zu MDAX, TecDAX und SDAX zeigen vergleichbare Ergebnisse. Diese finden Sie in Ihren Unterlagen.

Auf den ersten Blick lassen die Studienergebnisse das Fazit also durchaus positiv ausfallen. Augenscheinlich weist die Zusammensetzung der Aufsichtsräte des größten deutschen Index in Bezug auf die Zugehörigkeitsdauer und Altersstruktur keine besonderen Auffälligkeiten auf.

Zugleich zeigen unsere Zahlen, dass das gerade bei ausländischen Investoren immer noch weit verbreitete Vorurteil, Aufsichtsräte deutscher Gesellschaften seien alte, träge Clubs, die hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt sind, so pauschal nicht mehr zutrifft.

Allerdings darf bei den Zahlen zur Zugehörigkeitsdauer der Anteilseignervertreter nicht vergessen werden, dass es sich dabei nur um Durchschnittswerte handelt. Bei einzelnen Unternehmen sitzen durchaus etliche Vertreter bereits sehr lange in den Gremien. Genau hier setzt der Corporate Governance Kodex mit seinen Neuregelungen an.

Vor diesem Hintergrund ist es richtig und angemessen, dass sich der Aufsichtsrat mit allen Aspekten der Diversity intensiv auseinandersetzt und dies auch transparent macht.

Dort, wo Ausreißer auftreten, ist der Aufsichtsrat gefordert, sich mit diesen Fällen explizit zu beschäftigen, und gegebenenfalls zu handeln. Dabei sollte er auch erklären müssen, warum er seine aktuelle Zusammensetzung oder seine zukünftige Zielzusammensetzung als die Richtige erachtet. Damit rückt der Nominierungsprozess in den Mittelpunkt. Hier besteht bei den Unternehmen aus unserer Sicht in Sachen Transparenz noch Nachholbedarf.

Halten sich die Unternehmen hier weiterhin zu bedeckt, steht zu erwarten, dass von außen über die Eigentümer oder gar den Regulator eingegriffen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

DSW_Pressekonferenz_Corporarte-Governance-Aspekte_der_DSW-Aufsichtsratsstudie_2015_-_Grafiken.pdf