Analyse der Prognoseberichte der DAX-Gesellschaften

 

Meine Damen und Herren,

auch ich darf Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz hier in Frankfurt begrüßen auf der wir Ihnen die Ergebnisse der Analyse der Prognoseberichte der DAX30-Gesellschaften vorstellen wollen, die wir nun bereits zum sechsten Mal gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft Kirchhoff Consult AG erstellt haben.

Die detaillierten Studienergebnisse wird Ihnen im Anschluss Herr Kirchhoff vorstellen, den ich hiermit ebenfalls nochmals ganz herzlich begrüße.

Wie schon in den letztjährigen Untersuchungen standen auch diesmal Qualität, Transparenz, Lesefreundlichkeit und die Zielgenauigkeit der abgegebenen Prognosen der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften im Fokus.

Die Bedeutung der Prognoseberichte ist für Anleger, private wie institutionelle, nach wie vor groß. So zeigen Befragungen unter den DSW-Mitgliedern immer wieder, dass der Geschäftsbericht ihre wichtigste Informationsquelle ist. Neben der Gewinn- und Verlustrechnung steht der Lagebericht in der Gunst der Leser dabei ganz weit oben. Kein Wunder, wird hier doch komprimiert und – im besten Fall – verständlich die Situation des Unternehmens aus unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt. Und hier finden sich auch die Prognoseberichte der Gesellschaften. Doch die sind – wie die Analyse gezeigt hat – leider nicht in allen Fällen wirklich aussagekräftig.

Wissenschaftlich Untersuchungen kommen was die Bedeutung der Prognosen angeht zu ähnlichen Ergebnissen. So hat etwa eine breit angelegte Befragung institutioneller und privater Anleger der Universität Münster (Baetge / Sommerhoff - 2011) ergeben, dass unter den Bestandteilen des Geschäftsberichts dem Lagebericht mit 49 Prozent sowie unter dessen Teilbereichen dem Prognosebericht mit knapp 32 Prozent jeweils die größte Bedeutung zugemessen wird.

Auch wenn die von mir zitierte Studie schon etwas in die Jahre gekommen ist, ist – davon ich überzeugt – die Bedeutung der Prognoseberichte seither sicher nicht kleiner geworden. Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein, schließlich wurden die Anforderungen an die Berichte durch den am 31.12.2012 in Kraft getretenen Rechnungslegungsstandard DRS20, zumindest was die Aussagekraft angeht, etwas angehoben.

Neben Befragungsergebnissen existieren auch empirische Belege für die Bedeutung von Managementprognosen. So haben sie beispielsweise messbaren Einfluss auf die Erwartungsbildung der Marktteilnehmer. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen Managementprognosen und Analystenschätzungen bzw. zwischen deren Schätzfehlern (Pellens/Lehmann – 2014). Finanzanalysten werden bei ihren Einschätzungen also durchaus von den Ergebnisprognosen des Managements beeinflusst. Da verwundert es nicht, dass präzise Managementprognosen in der Regel auch mit präzisen Analystenschätzungen einhergehen. Der gleiche Zusammenhang gilt übrigens auch für unpräzise Prognosen des Managements, die dann entsprechend unpräzise Analystenschätzungen zur Folge haben.

Wir bewegen uns mit der Studie also durchaus nicht im luftleeren Raum.

Doch die Prognosen sind nicht nur eine Hilfe, wenn es um die Einschätzung der Entwicklung der Geschäftszahlen des nächsten Jahres geht und damit um die eigenen Investitionsentscheidungen. Der Rückblick – also die Bewertung der Zielgenauigkeit der Prognosen – ist zudem ein wichtiger Hinweis, wie es um die Qualität des Managements eines Unternehmens bestellt ist. Dabei sieht der Aufsichtsrat – vielleicht im Gegensatz zu den Investoren – auch eine deutliche Abweichung nach oben durchaus kritisch.

Von unplanbaren externer Einflüsse einmal abgesehen, sind deutlich Unter- und Überschreitungen der Planzahlen gleichermaßen ein Zeichen für Schwierigkeiten des Managements, die Entwicklung des Marktes in dem das jeweilige Unternehmen sich bewegt, korrekt zu bewerten. Ohne eine solche Bewertung ist eine strategische Planung der eigenen Geschäftstätigkeiten in diesem Markt aber nahezu unmöglich. Der Vorstand fährt dann – wie es so schön euphemistisch heißt – auf Sicht. Was im Klartext nichts anderes bedeutet als dass er quasi blind unterwegs ist.

Doch während das Management diese Blindheit gegenüber dem Aufsichtsrat zumindest auf Dauer nur schwer verbergen kann –  für die interne Unternehmensplanung müssen schließlich harte, nachprüfbare Zahlen für das kommende Geschäftsjahr vorgelegt werden – ist es im Rahmen des Prognoseberichts durchaus etwas länger möglich. Besonders geeignet dafür sind die sogenannten „qualifiziert-komparativen“ Prognosen, für die Angaben einer Veränderung im Vergleich zum Ist-Wert plus einer Beschreibung der „Qualität“ dieser Veränderung ausreichen. Klar zu entnehmen ist einer solchen Aussage lediglich, ob das Unternehmen nun Anstieg, Stagnation oder Rückgang erwartet. Über die quantitative Stärke der erwarteten Entwicklung sagt so etwas wie „leichter Anstieg“ fast nichts aus.

Insgesamt bietet der DRS20 gerade einmal vier Formulierungsvorschläge für solche qualifiziert-komparativen Prognosen: „geringfügig, leicht, erheblich, stark“. Trotzdem greifen nach wie vor einige DAX-Unternehmen auf diese Art der Prognosen zurück.

Deutlich aussagekräftiger sind da schon Intervall-Prognosen. Hier geben die Unternehmen Bandbreiten für ihre Erwartungen an. Sind diese nicht zu breit, ist das ein akzeptabler Kompromiss zwischen den Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer auf der einen Seite und dem Wunsch des Unternehmens auf der anderen, einen gewissen Spielraum bei der Realisierung des formulierten Ziels zu behalten.

Am besten sind natürlich harte quantitative Prognosen, da nur diese mit den erreichten Ergebnissen verglichen werden können. Dabei geht es vor allem darum, Entwicklungen und Markttrends möglichst zielsicher zu prognostizieren und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Unternehmen zu antizipieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Prognosen sind der wichtigste aber gleichzeitig auch der mit den größten Unsicherheiten behaftete Teil des Geschäftsberichts. Bei den Prognosen sind die Anforderungen an den Vorstand deshalb besonders hoch. Die Prognosesicherheit von Vorständen ist daher für die Investoren von entscheidender Bedeutung.

Damit aber zu den Ergebnissen unserer Studie: Ohne Herrn Kirchhoff allzu weit vorzugreifen, kann ich sagen, dass sie minimal besser ausgefallen sind als im Vorjahr. Kein Unternehmen hat sich verschlechtert und immerhin eins konnte sich verbessern – dies allerdings deutlich. Damit sind nun 12 Gesellschaften in der Kategorie „Hohe Transparenz“ zu finden, nach 11 im Vorjahr. Sieben AGs musste leider eine „niedrige Transparenz“ bescheinigt werden.

Die Bereitschaft, über den vom Standardsetzer vorgegebenen Prognosezeitraum von einem Jahr hinauszublicken, nimmt leider immer weiter ab. Waren es 2015 noch 14 Gesellschaften, die eine quantfizierbare längerfristige Prognose wagten, fiel die Zahl 2016 schon auf acht und in diesem Jahr auf nur noch sechs.

Da der Untersuchungsschwerpunkt auf der Frage lag, wie anlegerfreundlich und transparent die DAX30-Gesellschaften die aktuellen Bilanzvorschriften umsetzen, sind freiwillige Langfristprognosen nicht in die Bewertung eingegangen. Trotzdem ist die Entwicklung aus Sicht der Aktionäre bedauerlich. Insbesondere auch deshalb, weil die im DAX30 notierten Gesellschaften natürlich auch immer Vorbildcharakter für die kleineren AGs haben.

Damit übergebe ich das Wort an Herrn Kirchhoff, der ihnen nun die Ergebnisse der Studie im Detail vorstellt, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.