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DSW-Vorstandsvergütungsstudie 2020
Sendesperrfrist: 14. Juli 2020, 12 Uhr
Teilnehmer:
Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer
Professor Dr. Gunther Friedl, Technische Universität München, Lehrstuhl für Controlling
Christiane Hölz, DSW-Vergütungsexpertin
Jürgen Kurz, DSW-Pressesprecher
Es gilt das gesprochene Wort
(Redner: Marc Tüngler)
Meine Damen und Herren,
auch ich darf Sie wieder herzlich zu unserer Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung der aktuellen Vorstandsvergütungsstudie hier in Frankfurt begrüßen.
In diesem Jahr können wir ein echtes Jubiläum feiern. Mittlerweile legen wir diese Studie bereits seit 20 Jahren vor. Im Jahr 2000 hat die DSW damit begonnen, die Vorstandsgehälter deutscher Aktiengesellschaften genauer zu analysieren. Umso mehr freuen wir uns natürlich, heute eine klassische Pressekonferenz veranstalten zu können und nicht auf eine reine Online-Veranstaltung ausweichen zu müssen.
Die Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Controlling der TU München von Professor Friedl startete übrigens auch schon im Jahr 2007.
In der Zeit, in der wir uns nun intensiv mit dem Thema befassen, ist etliches passiert. Wo im Jahr 2000 in den meisten Geschäftsberichten zur Vorstandsvergütung lediglich eine Summe zu finden war, die das Unternehmen für den Gesamtvorstand aufgewendet hat, gibt es jetzt ausführliche Vergütungsberichte zu lesen, in denen die festen und variablen Vergütungsbestandteile für jeden Vorstand individualisiert aufgeführt sind – zumindest, wenn das Unternehmen eine individualisierte Darstellung nicht per sogenanntem Opting-Out verhindert hat
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass deshalb noch lange nicht bei allen Unternehmen vollständige Transparenz gegeben ist. War es früher das Fehlen von Informationen, ist es jetzt die nicht immer verständliche Darstellung der mittlerweile meist hochkomplexen Vergütungssysteme, die verhindert, dass die Eigentümer einer AG erfahren, was auf Vorstandsebene tatsächlich verdient wird. Klar ist allerdings: Wir sind heute bedeutend weiter als vor 20 Jahren.
Und die Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende. So werden die Aktionärsrechterichtline 2, das ARUG II und auch die Neuerungen des Deutschen Corporate Governance Kodex zu weiteren teilweise deutlichen Veränderungen in den Systemen und deren Darstellung führen.
Denn klar ist, dass es spätestens ab der Hauptversammlungssaison 2021 einige Änderungen in Sachen Vorstandsvergütung geben wird. Diverse Unternehmen haben bereits in diesem Jahr ein ARUG II-konformes Vergütungssystem vorgelegt. Siemens hatte das als erste Gesellschaft vorgemacht und es aus unserer Sicht auch relativ gut umgesetzt.
Ab 2022 müssen dann alle AGs der Hauptversammlung jährlich einen Bericht über die Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat zur Abstimmung vorlegen, der laut ARUG II „allgemein verständlich“ und individualisiert zu sein hat. Damit fällt die Möglichkeit, der individualisierten Veröffentlichung der Vorstandsgehälter mittels Opting-Out zu entgehen, endgültig und zu Recht weg.
Die DSW wird darauf achten, dass die Notwendigkeit, Änderungen in den Systemen vorzunehmen, nicht ausgenutzt wird, um die Gesamtvergütungen nochmals deutlich zu erhöhen. Bei unangemessenen Maximalvergütungen werden wir deshalb die Möglichkeiten nutzen, die die neue gesetzliche Regelung bietet, um eine Absenkung der Höchstvergütung herbeizuführen.
Unseres Erachtens wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, die in den letzten 15 bis 20 Jahren laufend angepassten und ständig aufgerüsteten Systeme radikal zu vereinfachen und damit die Komplexität deutlich zu verringern. Den Mut zu einem solchen Schritt hatte bisher allerdings noch keine Gesellschaft. Aber wir erkennen erste Tendenzen, indem zum Beispiel Mid-Term-Pläne entfallen. Wir möchten die AGs ausdrücklich dazu animieren, endlich eine solche Entrümplung zu wagen.
Positiv ist uns aufgefallen, dass immer mehr Unternehmen eine der langjährigen Kernforderungen der DSW umsetzen. Dabei geht es um die horrenden und teilweise klar überzogenen Pensionszusagen an Vorstände, die in neuen Systemen oftmals nicht mehr gewährt werden. Zwar hat dies in der Regel gleichzeitig eine Erhöhung der Grundvergütung während der Laufzeit zur Folge, doch die belastende Hypothek auf die Zukunft durch oft unkalkulierbare und undurchsichtige Pensionsrückstellungen entfällt damit.
Ein echter Lackmus-Test für die Wirkungsweise der Vergütungssysteme werden die Auswirkungen der Corona-Krise. Hieran wird sich zeigen, ob sie funktionieren und dem Ansatz „Pay for Performance“ tatsächlich gerecht werden oder nicht. Dabei ist selbstverständlich nichts dagegen zu sagen, dass Vorstände ordentlich verdienen, wenn die Geschäfte gut laufen. Laufen sie aber schlecht, muss sich dies auch in den Portemonnaies der Manager niederschlagen. Eine krisenbedingte und damit nachträgliche Anpassung der Performance-Ziele, was wiederum eine Korrektur der Vergütung nach oben zur Folge hätte, sehen wir insofern äußerst kritisch. Auch eine stärkere Gewichtung der Fixvergütung ist unserer Ansicht nach nicht die richtige Antwort auf die Corona-Krise.
Wenn Aktionäre auf die Dividende verzichten müssen und Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden, muss auch der Vorstand Verzicht üben. Eigentlich sollten die Systeme das abbilden. Ist das nicht der Fall, sollte freiwillig verzichtet werden.
Ein Punkt, der ebenfalls im Zusammenhang mit der Corona-Krise definitiv mehr ins Zentrum rücken wird, ist der – sicher auch umstrittene – Ansatz des Kodex, der auch im Long Term-Bereich darauf abzielt, welchen Beitrag der jeweilige Vorstand zur Erreichung strategischer Ziele geleistet hat. Hierauf werden die Vorstände bereits aus starkem Eigeninteresse bestehen, nachdem sie bisher eher den Erfolg und weniger die Leistung im Zentrum der Systeme sehen wollten. Das Jahr 2020 wird voraussichtlich das Jahr sein, indem der Output-getriebene Erfolgsansatz mehr und mehr von dem Input-getriebenen Leistungsansatz ersetzt wird. Wir sind gespannt, wie die Aufsichtsräte damit umgehen wollen und werden.
Unseres Erachtens muss sich der Aufsichtsrat – unabhängig von Corona – intensiver als bisher mit der Strategie und deren Umsetzung durch den Vorstand auseinandersetzen. Was konkret hat der Vorstand unternommen, um die strategischen Ziele zu erreichen? Das ist die Frage, die sich Aufsichtsräte bei der langfristigen Vergütung auch auf Jahresbasis bei der Zuteilung der langfristigen Vergütungsbestandteile stellen müssen. Danach wird geschaut, was daraus geworden ist. So werden Maßnahmen und Wirkung auch bei der Vergütung richtig miteinander verknüpft. Oder um es mit den voran genannten Vokabeln zu formulieren: Input und Output werden jeweils bei der Vergütung berücksichtigt.
Mit der Vorstandsvergütung sollen schließlich die richtigen Anreize für ein langfristiges sowie nachhaltiges Vorstandshandeln gesetzt sowie erbrachte Leistungen angemessen vergütet werden. Dabei gilt es zudem, die gesellschaftliche Akzeptanz nicht aus den Augen zu verlieren.
Auch dafür sorgt das ARUG II. Denn das Thema Nachhaltigkeit wird gemäß ARUG II zukünftig eine deutlich wichtigere Rolle bei der Vorstandsvergütung spielen. Nichtfinanzielle Ziele halten damit endlich Einzug in die Vergütungssysteme, nachdem dies bisher eher zurückhaltend der Fall war. Das begrüßen wir ausdrücklich. Damit schließt sich der Kreis zu der seit einigen Jahren vorgeschriebenen Nachhaltigkeits-Berichterstattung.
2020 und 2021 werden also entscheidende Jahre für die Vergütungssysteme. Dass die Systeme unter dem Einfluss des ergebnisbelastenden Coronavirus angepasst werden, lässt vermuten, dass die Hürden auch aufgrund von Basiseffekten niedriger ausfallen werden. Tendenziell werden die Vergütungen also nach der Corona-Krise in die Höhe schnellen. Darauf werden die Investoren sehr genau schauen. Denn Corona und seine aktuellen Auswirkungen dürfen beim Thema Vergütung nicht zu einem Katapult zukünftiger Vergütungen werden.
Damit übergebe ich nun aber das Wort an Herrn Professor Friedl, der Ihnen die detaillierten Untersuchungsergebnisse der Vorstandsvergütungsstudie vorstellen wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Redner: Professor Dr. Gunther Friedl)
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
im letzten Jahr sind die Vorstandsgehälter der DAX 30 Unternehmen zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen. Im Durchschnitt sanken sie um 0,3% nach einem Rückgang um 3,5% im Jahr zuvor. Damit geht die Schere zwischen der Entwicklung der Bruttolöhne in Deutschland und den Vorstandsgehältern weiter zu. Denn die Nominallöhne in Deutschland sind 2019 um 2,6% gestiegen. Nimmt man die beiden Jahre 2018 und 2019 zusammen, ist der Trend noch deutlicher. Einem Minus von 3,7% bei den Vorstandsgehältern steht ein Plus von 5,7% bei den Nominallöhnen gegenüber.
Trotzdem ist der Unterschied zwischen den Gehältern von normalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einerseits und Vorstandsmitgliedern andererseits immer noch gewaltig. Im Schnitt verdienen Vorstände mit 3,4 Millionen Euro das 49-fache ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Vorjahr war es sogar noch das 52-fache.
Der leichte Rückgang der DAX-Gehälter passt zum Rückgang der Gewinne der DAX-Unternehmen. Denn diese sanken um 15% gegenüber dem Vorjahr. Dementsprechend gingen auch die Boni zurück. Die Unternehmen zahlten hier 3,5% weniger, während die Fixvergütung um 1,9% und die aktienkursorientierte Vergütung um 1,2% gestiegen sind. Bei den Boni dominieren übrigens finanzielle Ziele. Immerhin 22 Unternehmen legen aber auch nichtfinanzielle Ziele wie beispielsweise Mitarbeiter- oder Nachhaltigkeitsziele zugrunde.
Inzwischen ist die Vergütung in den DAX-Unternehmen so strukturiert, dass im Schnitt ein Drittel als Fixgehalt (33,5%), ein weiteres Drittel als Bonus (35,6%) und ein Drittel (30,9%) als aktienkursorientierte Vergütung gewährt wird. Damit profitieren Vorstände dann letztlich auch vom Anstieg der Börsenkurse. Der DAX verbesserte sich nach einem deutlichen Verlust in 2018 im Jahr 2019 um mehr als 25%.
Spitzenreiter bei der Vergütung ist in diesem Jahr wie schon im Vorjahr Volkswagen. Trotz eines Rückgangs um knapp 8% lag die Vergütung mit durchschnittlich 5,7 Millionen Euro je Vorstandsmitglied knapp über der des wertvollsten deutschen Unternehmens SAP, das 5,6 Millionen Euro je Vorstandsmitglied bezahlte. Auf Platz 3 folgt Merck, wo die Vorstände im Schnitt 5,5 Millionen Euro verdienten.
Die drei Unternehmen mit dem stärksten Anstieg bei der Vergütung waren die Deutsche Post, DAX-Neuling MTU und SAP, bei denen die Vergütung jeweils zwischen 25 und 30% zulegte. Die stärkste negative Entwicklung verzeichneten die Vorstände von Covestro mit minus 57,6%.
Teilweise lassen sich die starken Schwankungen der Vorstandsgehälter mit Schwankungen in der Performance erklären. Häufig ist es so, dass einem starken Anstieg ein Rückgang im Jahr zuvor vorausging, wie das beispielsweise bei der Deutschen Post oder bei SAP der Fall war. Manchmal fallen allerdings auch Vergütung und Performance auseinander. Bei Daimler beispielsweise stiegen die Vergütungen gegen den Trend an, obwohl der Gewinn je Aktie um deutliche zwei Drittel sank. Insgesamt wäre es sinnvoll, wenn der Vergütungsbericht Veränderungen bei der Vergütung besser erläutern würde.
Wir haben zwar auch in diesem Jahr wieder die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen ausgewertet. Allerdings müssen die Ergebnisse aufgrund der geringen Fallzahlen mit allergrößter Vorsicht interpretiert werden. Es zeigt sich, dass männliche Vorstände – Vorstandsvorsitzende nicht eingerechnet – mit durchschnittlich 3,1 Millionen Euro etwas mehr als ihre weiblichen Kolleginnen verdienen, die auf 3,0 Millionen Euro kommen. Erklären lässt sich das durch die unterschiedlichen Funktionen und Größenunterschiede in Unternehmen. Beides hat einen Einfluss auf die Gehaltshöhe. Nach dem Abgang der SAP-Co-Chefin Jennifer Morgan sind übrigens alle Vorstandsvorsitzende im DAX wieder männlich.
Interessant sind auch unsere Ergebnisse im Hinblick auf die Nationalität. Nicht-Deutsche Vorstandsmitglieder verdienen mit durchschnittlich 3,6 Millionen Euro etwas mehr als deren deutsche Kolleginnen und Kollegen, die auf 3,4 Millionen Euro kommen.
Bei den Pensionen der DAX-Vorstände besteht inzwischen auch eine gute Transparenz. Der durchschnittliche jährliche Wert der Pensionszusagen für die DAX-Vorstandsvorsitzenden ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen und beträgt nun 571 Tausend Euro gegenüber 661 Tausend Euro im Vorjahr. Dies liegt allerdings nicht an einer neuen Bescheidenheit, sondern an einer Änderung des Zinssatzes. Wir haben die Pensionen übrigens nicht bei der Gesamtvergütung berücksichtigt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen, dass wir mit Wirecard ein DAX-Unternehmen nicht betrachtet haben. Bis zum Redaktionsschluss lag uns nämlich der entsprechende Geschäftsbericht nicht vor.
Nun möchte ich Ihnen einige interessante Einzelergebnisse unserer Studie vorstellen. Nach dem Ausscheiden von Bill McDermott von SAP hat sich nun der letztjährige Zweitplatzierte an die Spitze der Top-Verdiener geschoben. Herbert Diess von Volkswagen verdiente mit 9,9 Millionen Euro mehr als alle anderen und blieb nur knapp unter der 10 Millionen Euro Schallmauer. Zweiter wurde Stefan Oschmann vom Darmstädter Pharmaunternehmen Merck mit 8,5 Millionen Euro. Dritter wurde Joe Kaeser von Siemens mit 7,2 Millionen Euro. Im Schnitt erhielten die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen 5,3 Millionen Euro und damit zwar weniger als im Vorjahr, aber deutlich mehr als ihre Vorstandskolleginnen und -kollegen, deren durchschnittliche Vergütung sich auf 3,0 Millionen Euro belief. Spitzenreiter bei den Finanzchefs war in diesem Jahr übrigens wie bereits im Vorjahr etwas überraschend der CFO der Deutschen Bank, James von Moltke. Er erhielt 4,9 Millionen Euro. Hier zeigt sich, dass nicht immer die Unternehmensperformance das Gehalt bestimmt.
Meine Damen und Herren,
das laufende Jahr ist durch eine Krise geprägt, die alle bisherigen Rezessionen nach dem zweiten Weltkrieg in den Schatten stellt. Der Lockdown hat für viele DAX-Unternehmen erhebliche negative Auswirkungen. Die Lufthansa muss sich beispielsweise aus dem DAX verabschieden. Dividenden fallen aus. Belegschaften befinden sich in Kurzarbeit.
In einer solchen Situation ist nicht nur besonnenes Krisenmanagement gefragt. Vorstände müssen ihr Unternehmen in dieser Krise für eine ungewisse Zukunft fit machen, die sich möglicherweise deutlich von der Zeit vor der Corona-Krise unterscheidet. Nur die Unternehmen, die jetzt die Weichen richtig stellen, werden auch nach der Krise international wettbewerbsfähig sein und die Beschäftigung aufrechterhalten oder wieder hochfahren können. Ein gutes Vergütungssystem setzt für eine solche langfristige Perspektive die richtigen Anreize. Ich bin überzeugt, dass auch die Transparenz in den letzten Jahren dazu beigetragen hat, dass die Systeme nun stärker im Einklang mit einer solchen nachhaltigen Perspektive stehen.
(Rednerin: Christiane Hölz)
Vielen Dank Herr Professor Friedl,
meine Damen und Herren,
nach diesem ausführlichen Blick auf die Vergütungen und Vergütungsstrukturen im DAX, werde ich Ihnen jetzt einen kurzen Überblick darüber geben, was in der zweiten Börsenliga in Deutschland, dem MDAX, auf Vorstandsebene verdient wird.
Analysiert haben wir dafür die Unternehmen, die im April 2020 im MDAX notiert waren. Die Anzahl der im MDAX gelisteten Gesellschaften wurde 2018 von 50 auf 60 erhöht. Aufgrund der sich ändernden Zusammensetzung des Index treten zwangsläufig Abweichungen in den MDAX-Durchschnittswerten gegenüber der letztjährigen Studie auf.
Die Anzahl der MDAX-Gesellschaften, die ihre Vorstandsvergütung nicht individualisiert offenlegen, liegt bei sechs und damit um eins höher als im Vorjahr. Hella, HelloFresh, Puma, Rational, RTL Group und Varta haben sich durch Opting-Out vom individualisierten Ausweis befreit – was aufgrund von ARUG II ab 2021 dann ja zum Glück nicht mehr möglich sein wird. Insgesamt berichten die MDAX-Unternehmen deutlich weniger transparent als die DAX-Unternehmen. Die Vergütungssysteme werden weniger detailliert beschrieben und insbesondere Angaben zur Zielerreichung bei der variablen Vergütung suchen Anleger oftmals vergeblich.
Die durchschnittliche Gesamtvergütung eines Vorstandsmitglieds (inkl. CEO) lag 2019 im MDAX bei rund 1,7 Millionen Euro und war damit etwa halb so hoch wie im DAX. Gegenüber dem Vorjahr ist sie um 15,1 Prozent zurückgegangen. Zu berücksichtigen ist bei dieser Entwicklung allerdings die deutliche Veränderung der Vorstandsvergütung bei Zalando und Scout24. Deren Vorständen wurden in 2018 neue, langfristige aktienbasierte Vergütungskomponenten gewährt. Werden diese beiden Gesellschaften unberücksichtigt gelassen, ist die durchschnittliche Gesamtvergütung im MDAX im Jahresvergleich um lediglich 1,5 Prozent von 1,718 Millionen Euro auf 1,692 Millionen Euro gesunken.
Die Bandbreite der durchschnittlichen Vergütung reicht von knapp 4,4 Millionen Euro (Airbus) bis zu 503.000 Euro (United Internet). Beide Unternehmen stellen dabei Sonderfälle dar. Aufgrund der Boardstruktur hat Airbus auch im Jahr 2019 nur ein Exekutivmitglied im Führungsgremium des Konzerns („Board of Directors“). Diese aus deutscher Sicht ungewöhnliche Konstellation führt zu einer hohen durchschnittlichen Vergütung des Gesamtvorstands, da lediglich die Position des CEOs besetzt war. Bei United Internet hat der Vorstandsvorsitzende und Hauptaktionär Ralph Dommermuth 2019 vollständig auf eine Vergütung verzichtet. Er hält dafür aber gut 40 Prozent der Aktien des Unternehmens.
Die stärksten Steigerungen in der durchschnittlichen Gesamtvergütung verzeichneten HelloFresh mit 286,1 Prozent, Delivery Hero mit 96,5 Prozent und TeamViewer mit 95,4 Prozent. Diese Steigerungen sind auf Anstiege der variablen Vergütungsbestandteile zurückzuführen.
Ein deutliches Plus der gewährten aktienkursbasierten Vergütung ist bei HelloFresh und Delivery Hero zu verzeichnen. Beide Unternehmen gewähren ihren Vorständen ausschließlich aktienkursbasierte variable Vergütungsbestandteile. Bei TeamViewer stieg durch Vertragsanpassungen im Zuge des Börsengangs 2019 die variable Barvergütung an. Zusätzlich erhielten der CEO, Oliver Steil, und der CFO, Stefan Gaiser, Leistungen Dritter resultierend aus der Veräußerung einer indirekten Beteiligung an der TeamViewer AG in Höhe von 39,7 Millionen Euro bzw. 19,9 Millionen Euro. Diese Zahlungen werden, da sie nicht vom Unternehmen geleistet wurden, in der Studie jedoch nicht in der Gesamtvergütung ausgewiesen.
Die Vorsitzenden der MDAX-Vorstände verdienten in 2019 im Durchschnitt knapp 2,5 Millionen Euro (2018: 3,1 Millionen Euro) und damit 19,9 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Senkung ist wiederum auf die in 2018 einmalig gewährte aktienkursbezogene Vergütung bei Zalando und Scout24 sowie auf die veränderte Zusammensetzung des MDAX zurückzuführen.
Top-Verdiener im MDAX sind Matthias Zachert (Lanxess) mit gut 5,1 Millionen Euro, Max Conze (ProSiebenSat1) mit knapp 4,4 Millionen Euro sowie Dr. Rolf Breidenbach (Hella), Armin Papperger (Rheinmetall) und Björn Gulden (Puma) mit jeweils rund 4,3 Millionen Euro.
Vorstandsvergütung im internationalen Vergleich
Natürlich haben wir uns auch wieder angesehen, wie die Vergütung der deutschen Manager im internationalen Vergleich aussieht. Dafür haben wir die Bezüge der Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen in den Leitindizes Dow Jones Industrial Average, CAC40 und SMI sowie die Bezüge der Vorstandsvorsitzenden der EuroStoxx 50-Unternehmen angesehen.
Analysiert wurden – vergleichbar zu den Analysen von DAX und MDAX – das Grundgehalt, die variable Barvergütung und die aktienkursbasierten Vergütungskomponenten. Pensions- und sonstige Vorsorgeleistungen haben wir ebenso unberücksichtigt gelassen wie Leistungen, die auf Basis der Wahrnehmung einer Doppelfunktion von CEO und Chairman für die Aufsichtsfunktion des Chairman gezahlt wurden, soweit diese Leistungen von den Unternehmen gesondert ausgewiesen wurden. Beträge in US-Dollar und Schweizer Franken haben wir mit dem Jahresdurchschnittskurs 2019 in Euro umgerechnet.
Das Fazit der Analyse lautet:
Die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen erhalten im internationalen Vergleich – zumindest was Europa betrifft – eine marktübliche Vergütung. Sie liegen mit ihrer durchschnittlichen Gesamtvergütung von knapp 5,3 Millionen Euro oberhalb von Frankreich (rund 4,9 Millionen Euro) und unterhalb der in der Schweiz geleisteten Vergütung (knapp 6,5 Millionen Euro). Auch die im EuroStoxx 50 (ex-DE) gewährte Durchschnittsvergütung von gut 5,4 Millionen Euro liegt auf einem ähnlichen Niveau wie im DAX.
Während die Vergütung in der EU, wenn auch mit unterschiedlicher Dynamik in den einzelnen untersuchten Indizes, rückläufig war, hoben die Schweizer Gesellschaften die Vergütung für ihre Vorstandsvorsitzenden um durchschnittlich 12,9 Prozent an. Am stärksten stieg die Vergütung der CEOs von LafargeHolcim (+40 Prozent), Sika (+34 Prozent) und Geberit (+22 Prozent).
Einen im Durchschnitt noch stärkeren Anstieg als im SMI verzeichneten die im US-Index DJIA notierten Unternehmen. Um 15,6 Prozent auf nun knapp 19,5 Millionen Euro stieg dort die Durchschnitts-CEO-Vergütung. Dabei stellt mit rund 13,7 Millionen Euro die aktienkursbasierte Vergütung – wie in den USA üblich – den Löwenanteil.
Die höchste Gesamtvergütung in Europa über die von uns untersuchten Indizes hinweg erhielt mit rund 24,6 Millionen Euro der Vorstandsvorsitzende des französischen Softwareunternehmens Dassault Systèmes, Bernard Charlès. Seine Vergütung bestand zu 88 Prozent aus aktienkursbasierten Vergütungselementen. Auf Platz zwei folgt mit 13 Millionen Euro Severin Schwan, CEO von Roche. Rang drei hat mit 11 Millionen Euro der UBS-Chef Sergio Ermotti inne. Herbert Diess von Volkswagen, höchstbezahlter DAX-Vorstandschef, findet sich europaweit auf Platz fünf wieder. Betrachtet man nur die EuroStoxx 50-Unternehmen, so führt Diess die Vergütungsrangliste an.
Die insgesamt höchste Gesamtvergütung im DJIA erhielt mit fast 60 Millionen Euro Robert Swan von Intel. Auf Rang zwei folgt Robert Iger von Disney mit einer Vergütung von knapp 41 Millionen Euro. Rang drei hat mit gut 38 Millionen Euro Microsoft-CEO Satya Nadella inne. Die Vergütungen von 28 der 30 CEOs, deren Unternehmen im DJIA gelistet sind, lagen oberhalb von 10 Millionen Euro. Nur die CEOs von Home Depot und Boeing erhielten Gesamtvergütungen unterhalb dieser Grenze. Im EuroStoxx 50 erhielt kein Vorstand eine Vergütung oberhalb von 10 Millionen Euro, über alle untersuchten europäischen Indizes hinweg lagen die Vergütungen Vorstandsvorsitzenden von vier Unternehmen über dieser Marke (Dassault Systèmes, UBS, Roche und Novartis).
Erneut wurde in der Studie darüber hinaus auch die Vertikalität der Vergütung der Vorstandsvorsitzenden von im DJIA gelisteten Unternehmen untersucht. Diese sind verpflichtet, die sogenannte CEO Pay Ratio offenzulegen. Da den Unternehmen bei dem Ausweis dieses Wertes jedoch ein gewisser Ermessensspielraum zugestanden wird, sind die Zahlen untereinander nur eingeschränkt vergleichbar.
Eine Vergleichbarkeit mit Werten für die Vorstandsmitglieder der DAX-Unternehmen ist nicht möglich, da wir bei der Ermittlung der Vertikalität die durchschnittliche Gesamtvergütung des Vorstands insgesamt und nicht die des Vorstandsvorsitzenden betrachten.
Nichtsdestotrotz geben die Werte einen Anhaltspunkt dafür, dass die Vertikalität in den USA deutlich über der in Deutschland liegt. Die Spanne in den USA reicht vom 1.939-fachen bei McDonalds bis zum 105-fachen bei Boeing.
Abschließend möchte ich noch kurz auf die Transparenz der Vergütungen eingehen. Herr Tüngler hat ja eben zu Recht festgestellt, dass die Verständlichkeit der deutschen Vergütungsberichte durchaus noch Potenzial nach oben hat. Im internationalen Vergleich sieht das allerdings ein wenig differenzierter aus. Insbesondere durch die Verwendung der Kodex-Mustertabellen erhalten Anleger einen deutlich besseren Einblick in die Vergütung insbesondere der DAX-Unternehmen, als dies die Berichterstattung der Blue Chip Unternehmen zum Beispiel in Belgien, Niederlande oder auch Spanien zulässt. Die EU Kommission wird im Herbst dieses Jahres Mustertabellen für die Darstellung der Vorstandsvergütung vorstellen wodurch sich hoffentlich die Berichterstattung auch in den anderen europäischen Ländern deutlich verbessern wird. Basis dafür sind übrigens die deutschen Kodextabellen, die in Brüssel auf sehr viel Zustimmung stoßen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.