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DSW-Vorstandsvergütungsstudie 2021
Teilnehmer:
Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer
Professor Dr. Gunther Friedl, Technische Universität München, Lehrstuhl für Controlling
Christiane Hölz, DSW-Vergütungsexpertin
Jürgen Kurz, DSW-Pressesprecher
Es gilt das gesprochene Wort
(Redner: Marc Tüngler)
Meine Damen und Herren,
auch ich darf Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung der aktuellen Vorstandsvergütungsstudie hier in Frankfurt begrüßen. Besonders freut es mich natürlich, dass wir heute endlich wieder im Rahmen einer klassischen Präsenzveranstaltung zusammenkommen können.
In diesem Jahr legen wir die Vergütungsstudie zum 21. Mal vor. Bereits im Jahr 2000 hat die DSW damit begonnen, die Vorstandsgehälter deutscher Aktiengesellschaften zu analysieren. Die Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Controlling der TU München von Professor Friedl startete im Jahr 2007.
Während wir zu Beginn unserer Erhebungen noch im dichten Nebel stochern mussten hat sich in diesen 21 Jahren in Sachen Transparenz sicher vieles verbessert, wenn es auch nach wie vor etliche Baustellen gibt.
Das Jahr 2021 markiert nun aber – gerade mit Blick auf die Vorstandsvergütung – eine echte Zeitenwende. Unter den ungewöhnlichen Bedingungen der rein virtuellen Hauptversammlungen sind mit dem Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) tiefgreifende Neuerungen in Kraft getreten, die den Einfluss der Anteilseigner auf die Vorstandsvergütung, die bereits seit Jahren mit schöner Regelmäßigkeit zu den kontroversesten HV-Tagesordnungspunkten bei vielen Aktionärstreffen gehört, deutlich erhöht haben und noch merklicher erhöhen werden.
Entscheiden sollen bzw. müssen jetzt die Eigentümer - die Aktionäre - und die trifft damit zugleich eine große Verantwortung.
So ist etwa die Abstimmung der Hauptversammlung über die Vorstandsvergütung und das zugrundeliegende System, das sogenannte „Say on Pay“, nicht mehr wie bisher optional, sondern zwingend vorgeschrieben. Zudem müssen die AGs jetzt eine Maximalvergütung für den Vorstand festlegen, die von den Anteilseignern per HV-Votum herabgesetzt werden kann. Mit den neuen Regelungen ist ab diesem Jahr auch endgültig Schluss mit der Möglichkeit, per Opting-out die individualisierte Veröffentlichung der Vorstandsgehälter zu verhindern.
Doch wie wirken sich die gesetzlichen Änderungen bei dem Thema Vorstandsvergütung in der aktuellen HV-Praxis aus?
Klar ist: In diesem Jahr spielen sie eine ausgesprochen große Rolle. Der überwiegende Teil der Unternehmen lässt auf ihren Hauptversammlungen 2021 über die ARUG II-konformen Systeme abstimmen.
Auch wenn eine echte Diskussion auf den virtuellen Aktionärstreffen 2021 nicht möglich ist, zeigen die Fragen, die von den Anteilseignern gestellt werden, dass die Vergütung bzw. deren Darstellung intensiv hinterfragt und (in vielen Fällen) negativ bewertet werden. So etwa bei der Deutschen Telekom, um nur ein Beispiel zu nennen.
Besonders kritische Punkte, wie Sonderboni zum Ausgleich entfallener Short Term Incentives (STI), wie sie bei SAP oder auch thyssenkrupp gewährt wurden, stoßen bei den Aktionären ebenso auf Widerstand und teilweise auf Unverständnis, wie zu hoch angesetzte oder zu stark angehobene Maximalvergütungen. Wer auf der einen Seite medienwirksam Verzicht übt und „freiwillig“ auf Vergütungen verzichtet, kann nicht später über Sonderboni einen Ausgleich aushandeln oder empfangen. Gerade in Coronazeiten war und ist es entscheidend, einen Ausgleich aller Interessen zu finden, indem alle Betroffenen ihren Beitrag leisten. Auch das gehört zur Nachhaltigkeitsdebatte.
Insgesamt haben die Unternehmen sehr unterschiedlich auf die neuen gesetzlichen Anforderungen reagiert. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass auch unter dem Regime von ARUG II nach wie vor beides möglich ist: Sowohl eine intransparente und weitgehend unverständliche Darstellung des Vergütungssystems als auch eine ausgesprochen klare und aktionärsfreundliche.
So berichten einige Unternehmen völlig abstrakt über ihr System, ohne dabei konkrete Vergütungshöhen, etwa der Grund- oder der variablen Zielvergütung, zu nennen. Im schlimmsten Fall werden die einzelnen Vergütungsbestandteile nicht als konkrete Werte, sondern in prozentualen Spannen angegeben. Aus solchen Angaben kann, selbst wenn die Maximalvergütung in Euro genannt wird, nicht entnommen werden, ob die Vergütungsstruktur bzw. die Zielvergütung wirklich angemessen ist und anspruchsvolle Performanceziele gesetzt wurden.
Das große Problem bleibt also die Transparenz.
Die gesetzliche Anforderung des ARUG II, dass die Systeme „klar und verständlich“ sein sollen, wird so bei vielen der vorgelegten Systeme leider zu einem reinen Lippenbekenntnis. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Die zugrundeliegenden Zahlen in Euro fehlen oder es werden nur Spannen für die einzelnen Vergütungsbestandteile angegeben. Die Performance-Kennziffern werden nur beispielhaft benannt oder die Systeme sind so komplex, dass eine allgemein verständliche Darstellung gar nicht möglich ist.
Hinzu kommt, dass einige Unternehmen über die Vergütung des Vorstands im abgelaufenen Geschäftsjahr nicht mehr auf Basis der vom Deutschen Corporate Governance Kodex entwickelten Tabellen berichten. Das hat fatale Folgen in Bezug auf die Transparenz. So gehen die Informationen zur Vergütung oft munter durcheinander. Manche Gesellschaften nennen nur noch die Zuwendungen, andere nur noch den Zufluss. Bei wieder anderen lässt sich nicht einmal erkennen, ob nun Zuwendungen oder Zufluss ausgewiesen wird. Dies betrifft aktuell zwar (noch) nicht die DAX-Gesellschaften aber schon eine beträchtliche Zahl der im MDAX notierten Unternehmen. Aktionären wird dadurch die Vergleichbarkeit, die durch die Kodex-Tabellen erst geschaffen wurde, wieder genommen. Zudem eröffnet dies für die AGs die Möglichkeit, von einem Jahr zum anderen von Zufluss auf Zuwendungen umzusteigen und damit zum Beispiel sehr hohe Zuflüsse zu verschleiern.
Wir fordern die Unternehmen auf, weiterhin die etablierten Kodex-Tabellen zu verwenden, bis diese von anderen, standardisierten Darstellungsoptionen abgelöst werden.
Aber zum Glück gibt es auch Unternehmen, die bei der Vorstellung des neuen Systems nicht nur bei Grund- und Zielvergütung absolute Zahlen nennen, sondern auch die zugrunde gelegten Performance-Kennziffern konkret angeben. Ein positives Beispiel für ein solch transparentes und verständlich dargestelltes System ist etwa das des Versicherungskonzerns Allianz. Hier können Anleger das Vergütungssystem nachvollziehen und sich tatsächlich eine Meinung darüber bilden, ob die Struktur ausreichend anspruchsvoll ausgestaltet ist bzw. die Zielvergütung angemessen ausfällt.
Insgesamt lässt sich trotz der beschriebenen Probleme alles in allem feststellen, dass die große Mehrheit der Gesellschaften die Anforderungen des ARUG II und die Empfehlungen des Kodex formal weitgehend erfüllen. Das gilt sowohl für die variablen Vergütungsbestandteile, inklusive der Einführung von Nachhaltigkeits- und ESG-Zielen, als auch für weitere Anforderungen, wie Einführung sogenannter Malus- und Clawback-Regelungen.
Unerfreulich ist es allerdings, wenn die neuen Vergütungssysteme nicht für alle Vorstandsmitglieder gelten oder es im Zweifel sogar unklar bleibt, ob – und falls ja – ab wann und für wen sie genau greifen.
Wie gut die Emittenten das ARUG II tatsächlich umgesetzt haben, wird zumindest mit Blick auf die Angemessenheit der Zielvergütung sowie in Bezug auf den Einklang der Vergütung mit der Unternehmensperformance wohl erst im kommenden Jahr beantwortet werden können. Erst dann stehen schließlich die Vergütungsberichte, also die tatsächliche Vergütung auf Basis der neuen Systeme, auf der Agenda der Unternehmen.
Dann werden wir auch erkennen können, ob sich die vollmundigen und farbenfrohen ESG-Strategien und -Ziele der Unternehmen, die über das ARUG II Einzug in die Vergütungssysteme gehalten haben, tatsächlich auch in der Vergütung niederschlagen.
Ein Aspekt, der uns schon sehr lange umtreibt, sind die Pensionen der Vorstände, die selbstverständlich auch zur Vergütung gehören und bei denen weiterhin ordentlich Intransparenz herrscht. Aber immerhin: Auch da tut sich was, wenn auch nur langsam.
Unsere Forderung ist nicht neu, aber so klar wie nie zuvor: Vorstände mit einem Millionengehalt können und sollten sich selber um ihre Altersvorsorge kümmern. Pensionszusagen und -ansprüche gehören daher in die Mottenkiste.
Die Zukunft wird unseres Erachtens über ein Versorgungsentgelt laufen, mit der dann aber alle Ansprüche für die Zukunft und fürs Alter abgegolten sind. Pensionsrückstellungen für Vorstände und deren Angehörige würden dann der Vergangenheit angehören.
Damit übergebe ich nun aber das Wort an Herrn Professor Friedl, der Ihnen die detaillierten Untersuchungsergebnisse der Vorstandsvergütungsstudie vorstellen wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Redner: Professor Dr. Gunther Friedl)
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
die Vorstandsgehälter der 30 DAX-Unternehmen sind im letzten Jahr um 3,3 Prozent gesunken. Das ist der dritte Rückgang in Folge und zeigt, dass die Vergütungen der Vorstände auf die Geschäftsentwicklung reagieren. Der Rückgang war deutlich stärker als der Rückgang der Bruttogehälter in Deutschland, die im letzten Jahr zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg ebenfalls gesunken sind und zwar nominal um 0,1 Prozent.
Der Rückgang darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Unterschied zwischen den Gehältern der durchschnittlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einerseits und Vorstandsmitgliedern andererseits immer noch gewaltig ist. Im Schnitt verdienen Vorstände mit 3,4 Millionen Euro das 48-fache ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zwei Jahre zuvor war es noch das 52-fache.
Entscheidend für den Rückgang der Vorstandsgehälter war die Gewinnentwicklung der DAX-Unternehmen. Im Corona-Jahr 2020 gingen die operativen Gewinne vor Zinsen und Steuern um mehr als 25 Prozent zurück. Dies hatte zur Folge, dass auch die Boni sanken, nämlich um deutliche 18,9 Prozent. Einzelne Unternehmen haben sogar keinen Bonus ausgezahlt, darunter beispielsweise Adidas, MTU und Munich RE. Dagegen stieg die Fixvergütung um 1,2 Prozent und die langfristige variable Vergütung um 1 Prozent.
Durch diese gegenläufige Entwicklung bei den einzelnen Vergütungsbestandteilen ändert sich auch die Struktur der Gehälter. Im letzten Jahr wurde ein Drittel (33,2 Prozent) als Fixgehalt, 18,4 Prozent als kurzfristige variable Vergütung und 48,4 Prozent als langfristige variable Vergütung gewährt. Da die langfristige Vergütung häufig an die Entwicklung des Aktienkurses gekoppelt ist, führt dieser hohe Anteil dazu, dass Vorstände von der letztlich günstigen Börsenkursentwicklung im Jahr 2020 mit einem DAX-Anstieg um mehr als 3 Prozent profitieren.
Vernünftige Aussagen zur Vergütung lassen sich übrigens nur dann machen, wenn die Methodik konsistent ist. Wir haben die langfristige variable Vergütung auf Basis der im Jahr 2020 gewährten Zuwendungen und nicht der Zuflüsse ermittelt, denn die Zuwendungen entsprechen dem ökonomischen Wert des Gehaltsversprechens der Unternehmen. Die Zuflüsse zeigen dagegen teilweise ein verzerrtes Bild, weil sie beispielsweise durch Verkäufe von in früheren Jahren erhaltenen Aktienpositionen stark schwanken können. Außerdem lassen wir für unsere zentralen Ergebnisse Pensionen und Einmalzahlungen unberücksichtigt. Ich werde aber auch kurz darauf eingehen, inwieweit diese Zahlungen die Ergebnisse beeinflussen.
Dass eine nachhaltige Unternehmensführung immer wichtiger wird, lässt sich an den Bemessungsgrundlagen für die variable Vergütung ablesen. Fast drei Viertel der DAX-Unternehmen verwenden mindestens eine der drei sogenannten ESG Kriterien, die Umwelt- soziale und Governance-Aspekte beinhalten. Die Hälfte der DAX-Unternehmen decken sogar alle drei Dimensionen in der Vergütung ab. Dies geschieht durch Kennzahlen wie beispielsweise die CO2-Emissionen, Mitarbeiterengagement oder Inklusions- und Diversitätsziele.
Im Ranking der Spitzenvergütungen wurden die Automobilhersteller durch das Unternehmen SAP abgelöst, das seinen Vorständen im Schnitt 7,4 Millionen Euro und damit deutlich mehr als im Jahr zuvor bezahlte. Auf Platz zwei und drei liegen Merck mit 6,3 Millionen Euro und Linde mit 5,9 Millionen Euro. Der Autohersteller Volkswagen landet mit 4,7 Millionen Euro erst auf Platz 6.
Das Bild ändert sich allerdings, wenn man Pensionen und Einmalzahlungen einbezieht. Dann schiebt sich Volkswagen wegen eines hohen Pensionsaufwands von im Schnitt 1,1 Millionen Euro und sehr hoher Einmalzahlungen von im Schnitt 4 Millionen Euro auf Platz 2 nach SAP vor. SAP belegt übrigens auch bei den Einmalzahlungen mit im Schnitt 4,5 Millionen Euro den ersten Platz.
Die drei Unternehmen mit dem stärksten Anstieg bei der Vergütung (ohne Pensionen und Einmalzahlungen) waren DAX-Neuzugang Delivery Hero, SAP und die Deutsche Bank, bei denen die Vergütung im Jahresvergleich zwischen 14 und 65 Prozent zulegte. Die stärkste negative Entwicklung verzeichneten die Vorstände von Adidas mit minus 43 Prozent, die aufgrund eines Verzichts auf den Performance-Bonus einen nochmaligen Rückgang ihrer Vergütung erleben mussten.
Interessant sind die Gehaltsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Vorstandsmitgliedern. Es zeigt sich, dass männliche Vorstände – Vorstandsvorsitzende nicht eingerechnet – mit durchschnittlich 2,9 Millionen Euro deutlich weniger als ihre weiblichen Kolleginnen verdienen, die auf 3,4 Millionen Euro kommen. Damit können wir zumindest auf der Ebene der Vorstandsmitglieder keinen Gender-Pay-Gap erkennen. Trotzdem ist der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder mit nicht einmal 18 Prozent immer noch deutlich ausbaufähig.
Der Anteil nicht-deutscher Vorstandsmitglieder ist dagegen mit 35 Prozent deutlich höher. Und auch diese verdienen mit im Schnitt 3,3 Millionen Euro deutlich mehr als ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen, die auf 2,8 Millionen Euro kommen.
Nun möchte ich Ihnen einige interessante Einzelergebnisse unserer Studie vorstellen. Spitzenverdiener unter den DAX CEOs ist Stephen Angel von Linde mit 14 Millionen Euro. Christian Klein von SAP erreichte mit 8,4 Millionen Euro den zweiten Platz. Und der letztjährige Erstplatzierte Herbert Diess von Volkswagen erreichte mit 7,9 Millionen Euro den dritten Platz. Im Schnitt erhielten die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen 5,4 Millionen Euro und damit etwas mehr als im Vorjahr und deutlich mehr als ihre Vorstandskolleginnen und -kollegen, deren durchschnittliche Vergütung sich auf 3,0 Millionen Euro belief. Es ist allerdings auch deutlich weniger als manch internationales Gehalt. So erhielt der CEO von Palantir Alex Karp im letzten Jahr mit 1,1 Milliarden US Dollar weit mehr als das hundertfache Gehalt seiner deutschen DAX Kolleginnen und Kollegen.
Spitzenreiter bei den Finanzchefs war in diesem Jahr übrigens wie bereits in den beiden Vorjahren der CFO der Deutschen Bank, James von Moltke. Er erhielt mit 5,9 Millionen Euro deutlich mehr als im Vorjahr und behauptete sich trotz volatiler Performance seines Unternehmens an der Spitze.
Interessant ist auch ein Blick auf die Pensionszusagen. Hier liegt der CEO von Bayer mit einer jährlichen Pensionszusage von 1,3 Millionen Euro an der Spitze, gefolgt von dem inzwischen ausgeschiedenen Elmar Degenhart von Continental mit 1,1 Millionen Euro und Frank Appel von der Deutschen Post mit 1,0 Millionen Euro.
Meine Damen und Herren,
wir erleben derzeit eine gespaltene Wirtschaft mit einem äußerst hohen Niveau der Aktienkurse bei manchen Unternehmen. Die Corona Pandemie hat einigen Unternehmen in der höchsten deutschen Börsenliga hart zugesetzt, während viele andere davon sogar noch profitiert haben. Während die Lufthansa 2020 den Club des DAX 30 verlassen musste, ist Delivery Hero in den höchsten deutschen Aktienindex aufgestiegen.
Insgesamt scheinen die Investoren überzeugt, dass die größten deutschen Unternehmen diese Krise nicht nur überwinden, sondern sogar gestärkt daraus hervorgehen. Dafür waren und sind mutige Entscheidungen der Entscheidungsträger in den Vorständen nötig. Die Vergütung hat meines Erachtens mit all ihrer Komplexität die richtigen Anreize gesetzt, um die Unternehmen durch diese Krise zu navigieren.
Allerdings stehen nun noch größere Herausforderungen an. Der Umbau zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Gesellschaft wird eine der zentralen Herausforderungen für die deutsche und globale Wirtschaft. Wir können bereits erkennen, dass Unternehmen ihre Vergütungssysteme umbauen. Gleichzeitig muss sich meines Erachtens diese Jahrhundertaufgabe in den nächsten Jahren noch wesentlich stärker in einer strukturellen Änderung der Vergütung niederschlagen. Denn nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch viele Aktionäre wollen, dass die Wirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leistet. Die richtigen Anreize sind der Schlüssel, damit diese gewaltige Transformationsaufgabe gelingt.
(Rednerin: Christiane Hölz)
Vielen Dank Herr Professor Friedl,
meine Damen und Herren,
nach diesem Blick auf die Vergütungen und Vergütungsstrukturen im DAX, werde ich Ihnen jetzt einen Überblick darüber geben, was in der zweiten Börsenliga in Deutschland, dem MDAX, auf Vorstandsebene verdient wird.
Analysiert haben wir dafür die 60 Unternehmen, die im April 2021 im MDAX notiert waren. Aufgrund der sich ändernden Zusammensetzung des Index kommt es zwangsläufig zu Abweichungen in den MDAX-Durchschnittswerten gegenüber der letztjährigen Studie.
Die Anzahl der MDAX-Gesellschaften, die ihre Vorstandsvergütung nicht individualisiert offenlegen, liegt bei vier und damit um zwei geringer als im Vorjahr. In diesem Jahr sind es nur noch Puma, Rational, Ströer und Varta, die sich durch Opting-Out vom individualisierten Ausweis befreit haben. Im nächsten Jahr werden wir dank ARUG II allerdings auch bei diesen Unternehmen detailliertere Angaben sehen.
Insgesamt berichten die MDAX-Unternehmen deutlich weniger transparent als die DAX-Unternehmen, insbesondere verwenden weniger Unternehmen die Kodex-Tabellen und bei der Vorlage der Systeme an die Hauptversammlung werden nur in den seltensten Fällen auch tatsächlich Euro-Angaben zum Beispiel zur Zielvergütung gemacht. Wenn Anleger jedoch verstehen sollen, ob das Vergütungssystem an die Performance des Unternehmens gekoppelt ist, sind konkrete Angaben ein absolutes Muss.
Die durchschnittliche Gesamtvergütung eines Vorstandsmitglieds (inkl. CEO) lag 2020 im MDAX bei rund 1,85 Millionen Euro und damit etwas mehr als halb so hoch wie im DAX. Gegenüber dem Vorjahr ist sie um 5,2 Prozent zurückgegangen.
Die Bandbreite der durchschnittlichen Gesamtvergütung reicht von 533.000 Euro (Aroundtown) bis zu knapp 6,4 Millionen Euro (Qiagen).
Die stärksten Steigerungen in der durchschnittlichen Gesamtvergütung verzeichneten Shop Apotheke mit 1.568 Prozent, United Internet mit 746 Prozent und Varta mit 209 Prozent. Diese Entwicklungen sind auf Anstiege der variablen Vergütungsbestandteile zurückzuführen.
Die Vorsitzenden der MDAX-Vorstände verdienten im Jahr 2020 im Durchschnitt knapp 2,7 Millionen Euro. Dabei ist die Spanne der Vergütungen in diesem Index sehr breit:
Top-Verdiener im MDAX sind Herbert Schein (Varta) mit rund 7,9 Millionen Euro, Thierry Bernard (Qiagen) mit etwas mehr als 7,7 Millionen Euro sowie Frank Gotthardt (CompuGroup) mit rund 5,6 Millionen Euro. Am unteren Ende liegen demgegenüber die Co-Vorsitzenden von Zalando (82.000 Euro) sowie der CEO von Aroundtown, Barak Bar-Hen (96.000 Euro).
Bei Zalando werden den Co-Vorsitzenden nach dem bis 2020 gültigen Vergütungssystem aus der langfristigen Vergütungskomponente alle 5 Jahre Aktienoptionen gewährt, zuletzt 2018; einen Jahresbonus erhielten sie bisher nicht. Herr Bar-Hen hat erst am 1.11.2020 seine Arbeit bei Aroundtown aufgenommen und eine reine Festvergütung erhalten.
Vorstandsvergütung im internationalen Vergleich
Natürlich haben wir uns auch wieder angesehen, wie die Vergütung der deutschen Manager im internationalen Vergleich aussieht. Dafür haben wir die Bezüge der Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen in den Leitindizes Dow Jones Industrial Average (DJIA), CAC40 und SMI sowie die Bezüge der Vorstandsvorsitzenden der EuroStoxx 50-Unternehmen untersucht.
Analysiert wurden – vergleichbar zu den Analysen von DAX und MDAX – das Grundgehalt, die kurzfristige variable Vergütung und die langfristige variable Vergütung. Pensions- und sonstige Vorsorgeleistungen haben wir ebenso unberücksichtigt gelassen wie Leistungen, die auf Basis der Wahrnehmung einer Doppelfunktion von CEO und Chairman für die Aufsichtsfunktion des Chairman gezahlt wurden, soweit diese Leistungen von den Unternehmen gesondert ausgewiesen wurden.
Das Fazit der Analyse lautet:
Die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen erhalten im internationalen Vergleich – zumindest was Europa betrifft – eine im oberen Bereich angesiedelte Vergütung. Sie liegen mit ihrer durchschnittlichen Gesamtvergütung von rund 5,4 Millionen Euro zwar unterhalb der in der Schweiz geleisteten Vergütung (gut 6 Millionen Euro) aber klar oberhalb von Frankreich (rund 4,5 Millionen Euro). Auch die im EuroStoxx 50 (ex-DE) gewährte Durchschnittsvergütung von knapp 4,7 Millionen Euro liegt ein ganzes Stück unter dem Niveau im DAX.
Die höchste Gesamtvergütung in Europa über die untersuchten Indizes hinweg erhielt mit rund 20,5 Millionen Euro der Vorstandsvorsitzende des französischen Softwareunternehmens Dassault Systèmes, Bernard Charlès. Auf Platz zwei folgt mit 17 Millionen Euro Daniel Julien, CEO von Teleperformance. Rang drei hat mit 14,1 Millionen Euro der Prosus-Chef Bob van Dijk inne. Steve Angel von Linde, höchstbezahlter DAX-Vorstandschef, findet sich europaweit auf Platz vier wieder, SAP-Chef Christian Klein und VW-Vorstandsvorsitzender Herbert Diess belegen europaweit die Plätze elf und zwölf.
Die insgesamt höchste Gesamtvergütung im US-amerikanischen Leitindex DJIA erhielt mit rund 46,8 Millionen Euro John Donahoe von Nike. Auf Rang zwei folgt mit einer Vergütung von gut 38,8 Millionen Euro der Microsoft-Chef Satya Nadella. Rang drei hat mit 27,7 Millionen JPMorgan Chase-CEO James Dimon inne. In allen Fällen macht den Löwenanteil der Vergütungen die langfristige variable Vergütung aus, die in den USA praktisch ausschließlich aktienkursbasiert ist.
Erneut wurde in der Studie darüber hinaus auch die Vertikalität der Vergütung der Vorstandsvorsitzenden von im DJIA gelisteten Unternehmen untersucht. Diese sind verpflichtet, die sogenannte CEO Pay Ratio offenzulegen.
Eine Vergleichbarkeit mit Werten für die Vorstandsmitglieder der DAX-Unternehmen ist nicht möglich, da wir bei der Ermittlung der Vertikalität die durchschnittliche Gesamtvergütung des Vorstands insgesamt und nicht die des Vorstandsvorsitzenden betrachten.
Nichtsdestotrotz geben die Werte einen Anhaltspunkt dafür, dass die Vertikalität in den USA deutlich über der in Deutschland liegt. Die Spanne in den USA reicht vom 1.935-fachen bei Nike bis zum 112-fachen bei Verizon.
Meine Damen und Herren, für die Unternehmen war 2020, wie für uns alle, ein außergewöhnliches Jahr. Wir haben deshalb auch noch einen Blick darauf geworfen, inwieweit sich Corona auf die Vergütungen der Vorstände ausgewirkt hat.
Zum einen gibt es erstmalig bei mehr als der Hälfte der 30 DAX-Unternehmen einen Rückgang in der kurzfristigen variablen Vergütung. Hier zeigt unsere Studie mit knapp 19 Prozent ein deutliches Minus. Bereits die Geschäftsentwicklung hatte damit direkten Einfluss auf die Gehälter der Vorstände. Zum anderen haben die Vorstände von acht DAX-Unternehmen für 2020 einen Verzicht auf einen Teil ihres Grundgehalts oder der variablen Boni erklärt. Dies geschah zum Teil freiwillig, teilweise war es aber auch vertraglichen Auflagen, zum Beispiel bei KfW-Krediten, geschuldet.
Das ist auch nur konsequent: Wenn Staatshilfen notwendig werden, um das Unternehmen zu stützen, Kurzarbeitergeld zu Einschnitten bei den Arbeitnehmern führt und Aktionäre bei der Dividende kürzertreten, müssen auch und gerade die Vorstände ihren Beitrag leisten.
Die deutschen Vorstände befinden sich im Übrigen in guter Gesellschaft: Von den 35 nicht-deutschen EuroStoxx 50 Unternehmen haben immerhin 13 Vorstandsvorsitzende erklärt, freiwillig auf einen Teil ihrer Vergütung zu verzichten. Bei drei weiteren Unternehmen erfolgten Anpassungen der Vergütung der CEOs durch das Board of Directors.
Erfolgt ein Verzicht freiwillig, setzt der Vorstand hiermit ein Zeichen. Hat sich die Lage der Gesellschaft verschlechtert und erfolgt kein freiwilliger Verzicht in angemessenem Umfang, ist jedoch der Aufsichtsrat gefordert, die Vergütung der Vorstände zu überprüfen und auch herabzusetzen, wenn eine Beibehaltung der Vergütung unangemessen wäre. Geschieht dies nicht, wird er selbst in den Fokus der Kritik geraten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.