- Startseite
- Presse
- Archiv Pressekonferenzen
- Pressekonferenzen 2023
- DSW-Watchlist 2023 und...
DSW-Watchlist 2023 und Ausblick auf die Hauptversammlungs-Saison 2023
Teilnehmer:
Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer
Jella Benner-Heinacher, stv. DSW Hauptgeschäftsführerin
Erik Bethkenhagen, DSW-Pressesprecher
Es gilt das gesprochene Wort
Die Hauptversammlungs-Saison 2023: Lackmustest im Angesicht multipler Krisen
(Redner: Marc Tüngler)
Die Hauptversammlungssaison 2023 nimmt jetzt richtig Fahrt auf. Wir werden auch in diesem Jahr wieder mit unseren Kolleginnen und Kollegen der DSW auf mehr als 600 Aktionärstreffen die Stimmrechte und die Interessen von Anteilseignern vertreten – ganz persönlich, vor Ort oder aber virtuell. Leider gibt es nämlich auch nach Beendigung der Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie einige Gesellschaften, die auf den persönlichen Austausch verzichten. Wir bedauern das sehr, sehen in der hybriden Hauptversammlung das Format der Zukunft, das gleichzeitig einen wichtigen Teil deutscher Aktienkultur bewahrt.
Aus eigener Erfahrung kann ich zudem sagen, dass so manche virtuelle Hauptversammlung nicht nur technisch deutlich zu wünschen übrig ließ, es waren auch blutleere, langweilige und teils gar komatöse Veranstaltungen. Eine echte Debatte zwischen Eigentümern und Managern kommt virtuell nicht einmal ansatzweise zustande.
Optimistisch stimmt mich, dass es doch einige klare Signale von Gesellschaften wie Telekom, Volkswagen, BASF, Henkel, Post und Freenet gibt, die zur klassischen Präsenz HV zurückkehren. Natürlich ist es zu früh, hieraus einen Trend abzuleiten. Aber, wir können feststellen: eine Best Practice in der HV-Welt hat sich in Deutschland noch nicht etabliert.
Die Wirtschaft ist diesbezüglich offenbar nicht so einig, wie manche es glauben machen wollen. Etliche Unternehmen ziehen die Präsenz-HV zum Glück doch vor.
Das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften ist am 27. Juli 2022 in Kraft getreten. Es soll eine echte Interaktion auch online ermöglichen und somit den Anspruch des Koalitionsvertrages erfüllen, die Aktionärsrechte auch in der virtuellen Hauptversammlung uneingeschränkt zu gewährleisten. Daran werden sich auch die entsprechenden Beschlussvorschläge der börsennotierten Aktiengesellschaften in diesem Jahr klar messen lassen müssen.
„Messen“ ist auch das Stichwort für die DSW-Evaluierung der Hauptversammlungen in 2023, die wir mit einem öffentlichen HV-Störungsmelder begleiten und speisen.
Den HV-Störungsmelder kann jede/r unter www.hauptversammlung.de nutzen. Wo war die Übertragung gestört, wo konnte man keine Fragen stellen oder den Antworten nicht lauschen? Was lief gut und was eben nicht?
Wir sammeln also alle Daten und beabsichtigen, unsere Auswertung nach der HV-Saison im Oktober auch Ihnen und damit der Öffentlichkeit vorzustellen.
So viel zunächst von mir. Ich übergebe damit an Frau Benner-Heinacher.
Virtuelle Hauptversammlung: Kein Erfolgsmodell
Sprecherin: Jella Benner-Heinacher
Es gilt das gesprochene Wort
Vielen Dank, Herr Tüngler.
Zwei Aspekte sind in der Diskussion um das richtige Format der Hauptversammlung zumeist außer Acht gelassen worden: Was wollen eigentlich die Investoren? Und wie machen es unsere Nachbarn in Europa?
Grundsätzlich ist die Sicht der Investoren stark aus dem Blickfeld geraten. Stattdessen lesen wir wiederkehrende Äußerungen, die Präsenzen bei den Aktionärstreffen seien während der Pandemie gestiegen ebenso wie die Qualität der Antworten. Hieraus wurde geschlussfolgert, die virtuelle HV habe sich bewährt. Bei genauem Hinsehen müssen wir feststellen, dass diese Schlussfolgerungen vorschnell waren: Der Blick auf die HV-Präsenzen zeigt keinen klaren Trend nach oben und die Qualität der Antworten ist aus Sicht der Fragesteller keinesfalls besser geworden.
Bei der Entwicklung der HV-Präsenzen von 2020 bis 2022 zeigt sich, dass die virtuelle HV nicht dazu beigetragen hat, die Präsenzen zu erhöhen. Im DAX pendelten sich diese vielmehr bei ca. 67 Prozent ein.
Bei der Qualität der Antworten sollte auf den Horizont des Fragestellers abgestellt werden und weniger auf die Meinung der Rechtsberater, die diese Antworten mitformulieren. Aus Aktionärssicht zeigt sich: Fragenkomplexe wurden in den virtuellen HVs von vielen Unternehmen zusammengefasst und Fragestellungen inhaltlich abgeändert, damit diese geclustert beantwortet werden konnten. Eine Qualitätsverbesserung durch eine längere Vorbereitungszeit ließ sich insgesamt nicht feststellen.
Konsequenterweise kommen Befragungen von Privat-Aktionären zu einem klaren Ergebnis: die deutliche Mehrheit wünscht sich die hybride Hauptversammlung.
Das gleiche Bild bei institutionellen Investoren: In einer Umfrage von Georgeson/Computershare bei institutionellen Aktionären[1] ziehen 90 % der befragten Investoren die hybride Versammlung im Vergleich zur rein virtuellen vor. Die Auseinandersetzung mit dem Aktionär vor Ort und die Möglichkeit, als ausländischer Investor dieser Debatte online zu folgen, scheinen im Vordergrund zu stehen.
Es lohnt sich ein Blick ins europäische Ausland. Hier ist nach Auslaufen der Notstandsgesetze ein klarer Trend festzustellen: In Frankreich ist man in 2022 praktisch vollständig zur Präsenz-HV zurückgekehrt; in Spanien dominierte das hybride Format; in Großbritannien waren Präsenz- und hybride HV vorherrschend. Europaweit stieg die Anzahl hybrider bzw. Präsenz-HVs um 20,5 Prozent.
Aus dem europäischen Ausland ereilt uns immer häufiger die Frage, warum in Deutschland ein solcher Grabenkrieg zwischen Befürwortern der virtuellen HV und ihren Gegnern tobe. Von der Angst des Vorstandes vor der direkten Auseinandersetzung ist die Rede und der Flucht vor dem Diskurs. Manche sehen gar Vorstand und Aufsichtsrat schon im Elfenbeinturm. Die jahrzehntelange Erfahrung der DSW auf Hauptversammlungen ist eindeutig: die Kommunikationsfähigkeit von Vorstand und Vorsitzendem des Aufsichtsrates ist gefordert, wenn eine sachgerechte Diskussion mit den Eigentümern gewollt ist. Eine gute Versammlungsleitung ist ein „Muss“ und hilft, die Debatte mit den Aktionären konstruktiv zu führen.
Besonders kritisch sehen wir als Aktionärsvereinigung Gesellschaften, die fundamentale Entscheidungen wie die Verschmelzung, Gewinnabführungsverträge oder gar ein Squeeze-Out über eine virtuelle Versammlung entscheiden wollen. Hier scheint die Furcht vor dem kritischen Austausch und nachfolgenden Anfechtungsklagen evident.
Die Notstandsgesetzgebung hat den Unternehmen ein echtes Experimentierfeld eingeräumt. Leider haben nur wenige, wie die Deutsche Bank, hiervon Gebrauch gemacht. Häufig wurden mangels Kreativität nur die gesetzlichen Minimalanforderungen erfüllt. Zudem kämpfen nach wie vor einige Gesellschaften mit technischen Problemen, hier seien nur die virtuellen Hauptversammlung der TUI AG oder bei Siemens Energy genannt.
Die virtuelle Aktionärsversammlung ist aus Sicht der Aktionäre keine Erfolgsgeschichte. Alle vermissen den konstruktiven Dialog mit den Eigentümern, der vor allem durch eine Vorverlagerung der Fragen und Antworten nicht ersetzt werden kann. Das künstliche Auseinanderreißen von Stellungnahmen, Anträgen, Redebeiträgen und Fragen ist kontraproduktiv. Diese scheibchenweise Zuteilung von Informationen verhindert einen intensiven Austausch. Hinzu kommt, dass jedem Aktionär zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung (§ 130 Abs. 1 AktG) Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben ist. Rede und sich anschließende Fragen bilden eine Einheit, denn ohne Hintergrundinformation ist keine Frage möglich. Zieht man Rede- und Fragerecht auseinander, verkommt die Aktionärsversammlung zu einer Hauptversammlung zweiter Klasse.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und übergebe das Wort wieder an meinen Kollegen Herrn Tüngler.
Die DSW-Watchlist 2023
Sprecher: Marc Tüngler
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich nun zum zweiten Block unserer Pressekonferenz kommen:
Die DSW-Watchlist, in der wir ja nun bereits seit vielen Jahren die 50 größten Kapitalvernichter zusammenfassen, die mindestens über eine fünfjährige Kurshistorie verfügen und im Prime Standard der Deutschen Börse notiert sind.
Für die Wertung wird die Kursentwicklung über drei verschiedene Zeiträume hinweg verglichen. Und da bei der Betrachtung das Augenmerk vor allem auf der längerfristigen Entwicklung liegt, geht der Fünf-Jahreszeitraum mit der höchsten und der Ein-Jahreszeitraum mit der geringsten Gewichtung in das Endergebnis ein. Verglichen wird immer der Kurs zu Beginn des jeweiligen Zeitraums mit dem Jahresschlusskurs 2022.
Für die schlechteste Entwicklung im Fünf-Jahreszeitraum gibt es minus 500 Punkte. Im Drei-Jahreszeitraum sind minus 300 Punkte zu verkraften und für das schlechteste Unternehmen über ein Jahr gibt es immer noch minus 200 Punkte. Die weitere Punkteverteilung erfolgt dann in Relation zur jeweils schlechtesten Aktie. Im schlimmsten Fall wären also minus 1000 Punkte möglich, was der Spitzenreiter dieses Mal auch tatsächlich geschafft hat. In allen drei Zeiträumen hat die Corestate Capital Holding SA immer die Nase vorn bzw. hinten.
Eine positive Kursentwicklung im Jahr 2022 reicht nicht aus, um sich aus den Top-Positionen der Geldvernichterliste zu verabschieden. Selbst dann nicht, wenn es um deutliche Kurssteigerungen handelt. Hier kommt die einfache Rechnung zum Tragen, dass es eine Verdopplung des Kurses braucht, um ein vorheriges Minus von 50 Prozent zu egalisieren.
Wie schon in den vergangenen Jahren legt die DSW wieder zwei Watchlists vor. Eine reine Kurs-Watchlist, also ohne Einbeziehung von Dividendenzahlungen, sowie eine Performance-Watchlist, in der die Gewinnausschüttungen berücksichtigt wurden, und die deshalb in der Darstellung den deutschen Auswahl-Indices entspricht, die ebenfalls als Performance-Indizes ausgewiesen werden.
Vergleicht man die Kurs-Watchlist mit der Performance-Watchlist kann man zunächst erkennen, dass die Werte nahezu identisch sind, was zunächst damit zu erklären ist, dass die Unternehmen, die auf der DSW-Watchlist zu finden sind, in der Regel keine Dividenden auszahlen, da das Geschäftsmodell nicht mehr gut oder zumindest vorübergehend nicht besonders gut funktioniert. Dies erlaubt die Zahlung einer Dividende in den meisten Fällen nicht, so dass eine große Übereinstimmung der Kurs- mit der Performance-Watchlist herrscht.
Schaut man jedoch genauer hin, so ergibt sich doch die eine oder andere Veränderung. So ist z. B. die Hamburger Hafen & Logistik AG in der Performance-Watchlist nicht enthalten, in der Kurs-Watchlist aber sehr wohl, wenn auch auf Platz 49. Ähnlich verhält es sich mit der Vonovia SE, die auf der Kurs-Watchlist auf Platz 50 und damit auf dem letzten Platz rangiert, in der Performance-Watchlist aber nicht mehr enthalten ist, da die Dividende den Total-Return erhöht und damit auch die Performance der Aktionäre freundlicher aussehen lässt.
Über die vielen Jahre, die wir bereits unsere Watchlisten vorlegen, ist immer wieder erstaunlich, wie viele bekannte Namen sich auf den beiden Flop-Listen wiederfinden. Interessant ist, dass sich die in der Vergangenheit stark vertretenen Banken nicht mehr auf der Watchlist wiederfinden. Dies ist aber der Systematik der DSW-Wachtlist geschuldet und weniger der Tatsache, dass die Banken-Performance nunmehr deutlich besser aussieht. Die Kursverluste haben sich in den vergangenen Jahren aber nicht weiter derart vertieft, dass sie in der Watchlist nochmals auftauchen würden. Den Banken kommt also zugute, dass wir uns die Performance maximal in einem Fünf-Jahres-Zeitraum anschauen. Die Kurse der Banken sind aber schon länger als fünf Jahre unter die Räder gekommen.
Aber auch ohne Blick auf die Banken befinden sich viele bekannte Namen auf der Watchlist wieder und auch DAX-Werte sind mit dabei. So z. B. die Continental AG oder auch die Fresenius SE & Co. KGaA. Wie stark die vergangenen drei Jahre auch den Mittelstand getroffen haben, zeigen die vielen Werte aus dem MDAX auf der Watchlist.
Schaut man sich die Spitzenreiter der Kurs-Watchlist an, so finden wir dort an erster und zweiter Stelle zwei Unternehmen aus dem Immobilien-Sektor.
Es ist fast erstaunlich, dass die Adler Group SA es nicht auf den letzten bzw. eben in der Watchlist auf den ersten Platz geschafft hat. Die rote Laterne hat sich vielmehr die Corestate Capital Holding SA „verdient“.
Der Kurs des Immobilien Investment Managers & Co. Investors mit Sitz in Luxemburg hat sich in den vergangenen fünf Jahren nahezu von 50 Euro auf aktuell rund 45 Cent atomisiert. Das Unternehmen erinnert eher an eine On-Off-Liebe mit dem Insolvenzverwalter. Mitte April steht ein sehr wichtiger Termin mit den Gläubigern an.
Mit ebenfalls spektakulären und eben gar nicht guten Nachrichten hat uns auch die Adler Group in den vergangenen Jahren versorgt. Auch hier sind die Finanzierung bzw. Refinanzierung das große Thema und ein massiver Vertrauensverlust. Fraglich ist, wie ein derartiges Unternehmen in aktuellen Zeiten überhaupt noch an frisches Kapital kommen soll. In der Immobilienbranche brennt es an vielen Stellen. Bei der Top 1 und der Top 2 unserer Watchlist 2022 gilt dies nochmals ganz besonders.
Das die Uniper SE mit ihrem ganz eigenen Thema auf Platz 3 der Watchlist erscheint, überrascht wahrlich nicht. Gleiches gilt auch für die Steinhoff Int. Holdings NV.
Interessant ist hingegen, dass unter den Flop 10 der Kurs-Watchlist 2023 lediglich 4 Unternehmen zu finden sind, die wir auch vergangenes Jahr schon in der Flop 10 gesehen haben. Dabei handelt es sich um die Adler Group, 4SC, bet-at-home und die Epigenomics AG. Alle anderen Werte sind neu bzw. haben noch schlechter performt. Der Spitzenreiter der Watchlist 2021 und 2022, die Epigenomics AG, hat es aufgrund der noch schlechteren Performance der anderen Gesellschaften sogar geschafft, „nur“ auf Platz 7 zu rangieren. Das ist allerdings nur ein schwacher Trost für langfristig bei Epigenomics investierte Anleger.
Je tiefer man auf der Watchlist nach unten geht, umso bekannter werden die Namen. Auf Platz 14 rangiert die Ceconomy AG, die mit den beiden Retail-Marken Media-Markt und Saturn erst durch die Corona-Krise und jetzt durch die hohen Inflationsängste ihrer Kunden belastet sind.
Immer wieder begegnen einem im weiteren Verlauf der Watchlist verschiedene Immobilienwerte und auch diverse Maschinenbauer sowie Unternehmen aus alten Industriezweigen wie z. B. thyssenkrupp, König & Bauer, Hochtief, eine Leoni oder Bauer AG.
Natürlich wissen die Investoren, die in die Unternehmen der Watchlist investiert haben, dass sich ihr Investment nicht besonders gut entwickelt hat. Dies gilt natürlich umso mehr, je weiter oben ein Unternehmen auf der Wachtlist rangiert. Ungeachtet dessen ist es wichtig, die Performance eines Unternehmens auch durch einen Vergleich mit dem Markt und anderen Unternehmen genauer einzuordnen.
Unsere Watchlist stellt damit auch einen Wake-Up-Call für alle Anleger dar. Jeder Anleger muss für sich entscheiden, ob er seinem Investment zutraut, einen Verlust von 50 oder sogar mehr Prozenten auszugleichen, indem sich der Kurs wieder verdoppelt oder sogar noch mehr aufholen muss.
Der bewusste Umgang mit der Performance der Aktien, die man im Depot hat, steht im Zentrum unserer Watchlist. Dabei geht es auch um den bewussten Umgang mit Verlusten und der Gretchenfrage für alle Anlegerinnen und Anleger, ob man bereit ist, diese zu tragen und das Risiko einzugehen, oder aber ob man den Kursverlusten zuvor einen Riegel vorschiebt, indem man sich eher früher als zu spät von einem Investment trennt.
Diese sehr individuelle strategische Frage muss sich jede Anlegerin und jeder Anleger selber beantworten. Hat sich der Verlust erst mal in die Aktien und auch in das Depot „reingefressen“, kommt oftmals der Moment, in dem man sich dann nicht mehr trennt. Umso wichtiger ist es, sich vorher darüber klar zu werden, in welchem Umfang man bereit ist, Verluste zu tragen und sich auch mal schmerzhaft von einer Aktie zu trennen.
Auf der anderen Seite stellt unsere Watchlist für viele Anleger – wie wir immer wieder hören – eine Inspirationsquelle dar. Dabei geht es um die Frage, welche Unternehmen in den vergangenen 1, 2 und 3 Jahren an der Börse unter die Räder gekommen sind, jetzt aber das Potential haben, den Turnaround zu schaffen.
Insgesamt ist es jedoch ein Warnsignal, das man als Aktionär ernst nehmen sollte, wenn eine der Gesellschaften, die man im Depot hat, auf einer DSW-Watchlist auftaucht. Gerade die Unternehmen, die bereits vor der Corona-Krise angeschlagen waren, finden sich in einer besonders prekären Situation wieder. Die Probleme potenzieren und vertiefen sich mit dem anhaltenden Krieg in der Ukraine.
So wird das Geschäftsjahr 2023 zu einem echten Lackmustest für viele deutsche Unternehmen. Viele, um nicht zu sagen die meisten sind - bis auf unsere Kandidaten unserer diesjährigen Watchlist - bisher nicht nur auf dem Börsenparkett erstaunlich gut durch die diversen Krisen gekommen.
Aber: Entwarnung können wir wahrlich nicht geben. Die wahre Nagelprobe kommt erst noch.
Die ungemindert hohe Inflation, multiple Energiekrisen, gestörte Lieferketten, der fatale Ukrainekrieg, das immer komplexer werdende Verhältnis zu China und nicht zuletzt die drängenden Aufgaben der Digitalisierung stellen Unternehmen vor immense Herausforderungen, die nur zu einem Teil bisher wirklich gemeistert worden sind oder überhaupt gemeistert werden können. In diesem Jahr wird sich zeigen, wer wirklich nachhaltig resilient aufgestellt und auf Zukunft ausgerichtet ist.
Wer bisher Probleme mit seinem Geschäftsmodell hatte, wird sie in 2023 erst Recht haben.
Aufgrund des deutlich angezogenen Zinsniveaus ist auch besonders auf Unternehmen zu achten, die unter einer hohen Verschuldung leiden und bei denen in den nächsten Monaten und Jahren eine Refinanzierung ansteht.
Zugleich haben die höheren Zinsen einen gegenläufigen Effekt bei den Pensionsrückstellungen. Hier werden wir erhebliche Ergebnisaufhellungen sehen. Auch hier darf man sich aber nicht blenden lassen. So wie vorher die Belastung aus den Pensionen – zumindest was den bilanziellen Teil angeht – nicht für die Bemessung des Erfolges herangezogen werden konnte, gilt dies auch dann, wenn bei den Pensionsverbindlichkeiten Entlastungen auftreten.
Eine besondere Herausforderung wird das gestiegene Zinsniveau beim Thema Goodwill. Hier werden die sog. Head-Rooms, als die Differenz zwischen dem Buchwert und dem nach dem DCF-Modell errechneten Ertragswert immer kleiner. Droht für das letzte Geschäftsjahr 2022 noch keine Abschreibung, wird dies immer wahrscheinlicher, wenn das Zinsniveau nicht wieder absinkt, womit aber nicht ernsthaft in merklicher Höhe zu rechnen ist.
Ein anderes, nur schwer zu greifendes Thema, ist die Belastung aus den jüngsten Tarifabschlüssen. Egal ob bei der Post, der Bahn oder im Einzelhandel: Überall verzeichnen wir deutliche Lohnsteigerungen von 10 Prozent und mehr oder diese stehen unmittelbar bevor. Ohne die Tarifabschlüsse bewerten zu wollen, bedeutet dies aber für die betroffenen Unternehmen in der Konsequenz eine erhebliche Herausforderung. Gerade beim Einzelhandel, wo sich seit Jahren eine Krise an die nächste reiht und voll durchschlägt, wird das nochmals zu erheblichen Verwerfungen führen.
Insgesamt finden wir uns also in höchst herausfordernden Zeiten wieder und die Volatilität und auch die sinkenden Kurse an den Börsen antizipieren das, was wir in diesem Jahr noch alles erwarten dürfen.
Zum Abschluss noch ein wichtiger Hinweis zur Performance-Watchlist, also die Liste, die die Divendenzahlungen mit berücksichtigt:
So zeigt Performance-Watchlist, dass noch lange nicht alles gut ist, wenn eine Gesellschaft Dividende zahlt. Zwar ist das – in der Regel – ein Hinweis auf ein funktionierendes, weil Gewinn abwerfendes Geschäftsmodell. Aber das muss eben nicht so sein. Die Dividende kann aus der Substanz kommen oder sie kann auf Sondereffekten beruhen. Und selbst wenn sie tatsächlich erwirtschaftet wurde, ist immer noch zu klären, ob das Geschäftsmodell des Unternehmens wirklich nachhaltig zukunftsfähig ist. Besonders zu hohe Dividendenrenditen sollten Anleger wachsam machen, nicht sorglos.
Daher sollte unsere Watchlist zur Überprüfung der Depots und der eigenen Anlagestrategie genutzt werden. Betriebswirtschaftliche Probleme vermengen sich mit Verwerfungen im Makrobereich. Und das kann schnell für den einen oder anderen zu einer toxischen Mischung werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.