DSW-Bilanz: Schlaglichter des 1. Halbjahres am Kapitalmarkt
Wenn demnächst wieder das Unwort des Jahres gesucht wird, dann dürften „Finanzkrise“ und „Inflation“ ganz oben landen. Beide Faktoren haben die Märkte im ersten Halbjahr 2008 tief bewegt und beunruhigt. „Die ruhige Aufwärtsbewegung, über die sich Anleger in den vergangenen fünf Jahren freuen konnten, scheint vorerst beendet. Die Turbulenzen an den Börsen dürften uns noch eine Weile erhalten bleiben“, so die Halbzeitbilanz von Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der DSW. Wie lange die Finanzkrise andauern kann, ist schwer zu sagen: „Ein Indiz könnten die Halbjahresergebnisse der Banken liefern. Wenn es dort keine unerwartet hohen Belastungen auftauchen, könnte das Gröbste überstanden sein“, so Hocker.
Im Unterschied zu den Vorjahren dominierten im ersten Halbjahr 2008 die negativen Impulse. Doch es gab auch positive Highlights, wie der Blick auf die DSW-Schlaglichter des 1. Börsenhalbjahres beweist:
- Zahlungskräftige Unternehmen: Die deutschen Aktiengesellschaften schütteten auf den Hauptversammlungen für das Geschäftsjahr 2007 so viel Dividende aus wie noch nie. Insgesamt summierten sich die Jahresboni auf 43,815 Milliarden Euro. Knapp 30 Milliarden Euro davon kamen aus dem DAX. Darunter war die Telekom mit 3,4 Milliarden Euro der Zahlmeister der Nation. Einziger Wermutstropfen: Viele kleinere Unternehmen zahlen keine Dividende. Unter den von der DSW analysierten 1076 deutschen AGs blieben 76 Prozent eine Dividende schuldig.
- HVs mit hoher Anziehungskraft: Obwohl die Aktionärszahlen in Deutschland sinken, steigt das Interesse an den Hauptversammlungen. In diesem Jahr lag die Präsenzquote im DAX bei 58,52 Prozent – so hoch, wie seit 10 Jahren nicht. Die DSW sieht dafür mehrere Gründe. Einerseits machen sich die Bemühungen der Unternehmen um ihre Anteilseigner bezahlt. Andererseits sind umkämpfte HVs wie bei TUI oder VW für den Zuwachs verantwortlich.
- Schatten der Abgeltungssteuer: Mit dem ersten Halbjahr ist f´ür Zertifikate bereits die fiskalische Gnadenfrist abgelaufen. Fonds und Aktien folgen am Jahresende: Die neue Abgeltungssteuer wirft ihre Schatten voraus. Ab 2009 entfallen dadurch die bisherige Spekulationsfrist von 12 Monaten, nach der Gewinne steuerfrei waren. Zugleich streicht der Gesetzgeber das Halbeinkünfteverfahren bei Dividenden. „Aktionären mutet die neue Abgeltungssteuer ein ganzes Bündel an Grausamkeiten zu“, so Hocker. Besonders übel: Durch den Wegfall der Spekulationsfrist wird die Aktie als Altervorsorgeinstrument beschädigt.
- IKB: Die Zeit drängt! Fast 90 Prozent ihres Einsatzes mussten Anteilseigner der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB abschreiben weil das Unternehmen mit drittklassigen US-Hypotheken Milliarden verzockt hat. Einige Anleger können sich laut DSW aber Hoffnung auf Ersatzansprüche machen. Doch zuvor muss die Ende Juli drohende Verjährung ausgeschaltet werden. Die Schutzvereinigung hat einen Kniff gefunden, wie das zu schaffen ist – mit einem Güteverfahren bei der ÖRA in Hamburg. Näheres: www.dsw-info.de
- VW-Gesetz 2.0: „VW muss endlich ein normales Unternehmen werden dürfen“, mahnt DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker. Obwohl der europäische Gerichtshof (EuGH) das VW-Gesetz für nichtig erklärt hatte, das den Einfluß des Landes Niedersachsen zementiert, will sich der Staat damit nicht abfinden. In Berlin wird eine zweite Auflage des Gesetzes geplant. Damit soll der Einfluss von Großaktionär Porsche (30 Prozent Anteil) auf VW begrenzt werden. Die DSW hält das für unnötig, weil auch die Novelle vor dem EU-Gericht kaum Bestand haben dürfte.
- Turbulente Treffen: Die interne Analyse der aktuellen HV-Saison ergab, dass die Jahrestreffen zumeist ruhig und harmonisch verlaufen. Doch es gibt Ausnahmen: Die turbulentesten HVs 2008 waren TUI (Streit zwischen Vorstand und Großaktionär Fredriksen), Hugo Boss und ProSiebenSat.1 (jeweils Konflikte mit Finanzinvestoren).
- Milliarden-Entschädigung: Mehr als 7,2 Milliarden Dollar erhalten Geschädigte des ehemaligen US-Energiehändlers Enron. Dies ist das Ergebnis eines Vergleichs im Rahmen einer Sammelklage. Das beste daran: „Auch deutsche Anleger konnten vom Geldregen profitieren“, so DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker. Voraussetzung ist allerdings, dass sie ein so genanntes „Proof-of-Claim-and-release“-Formular ausgefüllt haben
- Aktiver Gesetzgeber: In Berlin zeichneten sich im ersten Halbjahr Entwürfe für mehrere neue Kapitalmarktgesetze ab. Das Risikobegrenzungsgesetz (RBG) soll den Einfluss aggressiver Investoren über neue und niedrigere Meldeschwellen begrenzen. Staatsfonds sollen ebenfalls kontrolliert werden, wenn sie sich in „Bereichen, die für die öffentliche Sicherheit relevant sind“ tummeln. Zugleich arbeitet Berlin am ARUG, einem neuen Gesetz, mit dem die EU-Aktionärsrechterichtlinie umgesetzt wird. Damit entfällt beispielsweise die Präsenzpflicht auf HVs, die Internet-HV wird salonfähig.