Vorstandsvergütungsstudie 2010: Manager verdienen gut, aber nicht unanständig viel; DSW-Kritik: Systeme sind zu komplex und schlecht vergleichbar
Unersättliche Manager, Millionenabfindungen, riskante Profitgier: Die Diskussion um die Vorstandsvergütung wird sehr emotionsgeladen geführt. Aber wie üppig werden Deutschlands Top-Manager wirklich bezahlt? Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Controlling der TU München legt die DSW ihre Vorstandsvergütungsstudie 2010 vor. Analysiert wurden die Gehälter der Vorstände aus dem DAX und dem MDAX sowie die Verdienste internationaler CEOs. Ergebnis: Deutsche Manager verdienen gut, aber nicht unanständig viel. Die neuen gesetzlichen Vorgaben des VorstAG wurden im Großen und Ganzen umgesetzt. Schwere Defizite macht die DSW aber bei den Pensionen und bei der allgemeinen Transparenz aus: Die Systeme sind zu komplex und oft unverständlich. Sie müssen einfacher und vor allem besser verständlich und vergleichbar werden – lautet die Kernforderung.
Die Krise scheint vorüber zu sein, die Gewinne der Unternehmen steigen wieder. Was bedeutet das für die Gehälter von Deutschlands Top-Managern? Gönnen sie sich einen gehörigen Schluck aus der Pulle? Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) e.V. hat gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Controlling und BWL an der Technischen Universität München (TUM) die Vergütungssysteme deutscher Vorstände im DAX und MDAX analysiert. Ergebnis: „Die deutschen Manager verdienen sehr gut, aber ihre Bezüge sind nicht unanständig hoch. Sie entsprechen den regulatorischen Vorgaben“, so Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der DSW.
Untersucht wurden Art und Höhe der Jahresverdienste, angefangen bei der fixen Basisvergütung über die ein- und mehrjährigen Boni bis zu aktienbasierten Bestandteilen. Erstmals wurden auch die immensen Pensionsleistungen der Unternehmen für ihre Top-Kräfte unter die Lupe genommen. Ergebnis: Für das vergangene Geschäftsjahr verdiente ein DAX-Vorstand im Durchschnitt 2,369 Millionen Euro. Das entspricht gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung um 3,12 Prozent. Allerdings liegen die Bezüge immer noch rund 21 Prozent unter den Höchstwerten aus dem Jahr 2007.
Verzerrt werden die Daten auch durch den starken Anstieg bei der Deutschen Bank. Rechnet man das Finanzinstitut aus der durchschnittlichen Vergütung heraus, sind die Gesamtbezüge im Schnitt sogar um 3,83 Prozent gesunken.
DAX
Am besten bezahlt werden die Vorstände der Deutschen Bank mit durchschnittlich 5,568 Millionen Euro je Vorstandsmitglied. Dagegen müssen die Kollegen beim direkten Konkurrenten Commerzbank mit einem „Taschengeld“ nach Hause gehen. Aufgrund der Staatsbeteiligung sind die Gehälter hier gedeckelt und betragen 0,55 Millionen Euro. Die Commerzbank ist damit Schlusslicht im DAX. Insgesamt zahlen vier der 30 DAX-Werte ihren Vorständen durchschnittlich weniger als eine Million Euro.
Mit einem Jahressalär von rund 9,552 Millionen Euro ist Dr. Josef Ackermann (Deutsche Bank) wieder der bestbezahlte Manager im DAX. „Da seine Vergütung zu mehr als zwei Dritteln durch aktienkursbasierte Komponenten bestimmt wird und diese vom Bonus abhängen, ist Herr Ackermann wieder auf den in den Vorjahren gewohnten Spitzenplatz vorgerückt“, erklärt Professor Dr. Gunther Friedl, Mitautor und Lehrstuhlinhaber an der TU München. Im Vorjahr hatte Ackermann lediglich 1,390 Millionen Euro verdient. Auf den Plätzen zwei bis fünf folgen Dr. Jürgen Großmann (RWE) mit 7,162 Millionen Euro, Peter Löscher (Siemens) mit 7,119 Millionen Euro, Leo Apotheker (SAP) mit 6,7 Millionen Euro und Martin Winterkorn (VW) mit 6,6 Millionen Euro.
Um eine Vorstellung von der Bedeutung der Höhe der Vorstandsvergütung zu erhalten, kann man sie in Bezug zu den gesamten Personalaufwendungen setzen. Für 2009 machten die Managementausgaben im Schnitt 0,5 Prozent der gesamten Personalausgaben aus (Vorjahr 0,58 Prozent). Kritischer als die reine Höhe der Bezüge sehen die Studienverfasser daher die Zusammensetzung der Vergütung: 33,2 Prozent werden als Fixgehalt gezahlt, 44,4 Prozent sind variable Boni, 22,4 Prozent aktienkursbasierte Bestandteile. Das klingt auf den ersten Blick recht ausgewogen, doch: „Bei den Boni dominieren leider immer noch die kurzfristigen Anreize“, so Professor Friedl. Das Verhältnis von kurz- zu mittel- und langfristigen Anreizen beträgt 1,60:1 (Vorjahr 1,71:1). Dies dürfte sich erst im nächsten Jahr ändern, wenn die verschärften Bestimmungen aus dem VorstAG flächendeckend greifen.
Kritisch sieht Professor Friedl von der Technischen Universität München auch die Entwicklung der Jahresboni, die die Gewinnentwicklung nicht ausreichend widerspiegeln: „Bei vielen Unternehmen scheint der Jahresbonus nicht auf Gewinneinbrüche zu reagieren. Da bleibt die Frage im Raum, wie performanceabhängig die Vergütung tatsächlich ist.“
So wurden die Boni bei SAP um knapp 80 Prozent erhöht, obwohl der Gewinn gleichzeitig leicht gesunken ist. Warum dies so ist, geht aus dem Vergütungsbericht nicht hervor. Auch bei HeidelbergCement ist allein der Jahresbonus ohne Betrachtung anderer, teilweise einmaliger Boni um 70 Prozent gestiegen, obwohl der Jahresüberschuss um über 90 Prozent eingebrochen ist.
MDAX
Im MDAX verdiente ein durchschnittliches Vorstandsmitglied bezogen auf das vergangene Geschäftsjahr 1,083 Millionen Euro. Gegenüber dem Vorjahr fielen die Bezüge hier um 14,37 Prozent. Mit 4,161 Millionen Euro ist Dr. Ing. Herbert Lütkestratkötter (Hochtief) der bestbezahlte Manager der zweiten deutschen Börsenliga. Jochen Zeitz (Puma, 3,823 Millionen Euro) und Claus-Dietrich Lahrs (Hugo Boss, 3,672 Millionen Euro) folgen auf den Plätzen zwei und drei.
Transparenz bleibt ein Manko
Aktuell weisen im DAX 28 von 30 Indexmitgliedern die Bezüge ihrer Vorstände individualisiert und ausführlich aus. Merck KGaA und HeidelbergCement verweigern ihren Aktionären die genaue Einsicht. Im MDAX ist es dagegen um diese primäre Transparenz deutlich schlechter bestellt. Von den insgesamt 50 Unternehmen weisen 15 die Bezüge nicht individualisiert aus. Zudem sind die aktienkursbasierten Komponenten oftmals nicht nachvollziehbar, weil beispielsweise in einigen Fällen die für die Bemessung wichtigen Zeitwerte nicht angegeben werden.
„An der Verbesserung der Darstellung und damit der Verständlichkeit muss dringend gearbeitet werden, da jedes Unternehmen die Vorstandsbezüge unterschiedlich darstellt und ausweist“, kritisiert DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker. Solange Zeitwerte nicht ausgewiesen werden können, solange Zusammenhänge zwischen Performance und Bonushöhe nicht klar sind und solange Kennzahlen nicht genau definiert sind und damit verschiedene Arten der Zurechnung möglich sind, bleibt es dabei, dass oftmals Äpfel mit Birnen vergleichen werden.
Vor allem vor dem Hintergrund, dass durch das VorstAG die Systeme oftmals noch komplexer geworden sind, muss hier dringend eine Verbesserung her. Die DSW fordert daher eine einheitliche Darstellungsform und klare Vorgaben, wie und mit welchen Berechnungsmethoden welche Vergütungsbestandteile angegeben werden. Als Vorbild dienen die Vorgaben der US-Börsenaufsicht SEC.
Premiere für Pensionen
Erstmals haben die DSW und die TUM auch die immensen Pensionsleistungen der Unternehmen für ihre Vorstände genauer unter die Lupe genommen. „Pensionszusagen machen in den meisten Unternehmen einen bedeutenden Teil der Gesamtvergütung aus, bleiben aber im Ringen um mehr Transparenz bislang völlig außen vor“, kritisiert DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker.
Grundsätzlich werden im DAX zwei Arten von Pensionszusagen verwendet: 19 Unternehmen bieten ihren Vorständen leistungsorientierte Pensionspläne an. Das bedeutet, dass das Unternehmen seinem jeweiligen Vorstandsmitglied nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ab einem bestimmten Eintrittsalter die Zahlung eines bestimmten Betrages zusagt. Damit trägt das Unternehmen das volle Risiko, die zugesagte Summe bis zum Lebensende des Empfängers zahlen zu müssen. Bei 11 DAX-Firmen kommen dagegen so genannte beitragsorientierte Pläne zum Einsatz. In diesen Fällen zahlt das Unternehmen einen festgelegten Betrag an einen externen Versorgungsträger, beispielsweise einen Fonds, und hat gegenüber dem Arbeitnehmer keine darüber hinausgehenden Verpflichtungen. „Bereits aus den unterschiedlichen Varianten wird ersichtlich, dass eine Vergleichbarkeit nur sehr eingeschränkt möglich ist“, erklärt Professor Gunther Friedl.
Anders als bei den anderen Vergütungsbestandteilen werden die Pensionsverpflichtungen zudem nicht überall exakt ausgewiesen. Auch die verschiedenen Annahmegrößen, die zur Beurteilung der Pensionspläne notwendig sind, etwa der zu berücksichtigende Zinssatz, werden oft unzureichend oder gar nicht angegeben. Die Darstellung dieser Vergütungsbestandteile ist daher stark verbesserungsbedürftig. „Es muss hier mehr Transparenz her, damit Aktionäre und Eigentümer auch über die Pensionen vernünftig diskutieren können. Bisher ist das nur in Einzelfällen möglich“, so Hocker.
Daher zielt der Blick der DSW und der TUM auf die Zahlungen, die die Vorstandsvorsitzenden auf Basis der bisher erreichten Ansprüche bei Eintritt in das Rentenalter erhalten würden. Analysiert werden konnten in der aktuellen Vorstandsvergütungsstudie 22 von 30 DAX-Pensionsplänen. Ergebnis: Im Durchschnitt erhalten die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Tanker 562 Tausend Euro an jährlichen Pensionszahlungen. Die höchste leistungsorientierte Zusage erhält aktuell Prof. Martin Winterkorn (Volkswagen) mit 1,19 Millionen
Euro pro Jahr. Das Eintrittsalter, mit dem die Ex-Vorstandschefs die volle Summe erhalten, variiert stark, liegt aber im Schnitt bei 62 Jahren.
Internationaler Vergleich
Die Vorstandsvorsitzenden der deutschen DAX-Unternehmen werden international durchaus wettbewerbsfähig vergütet. Sie liegen mit einer durchschnittlichen Gesamtvergütung von 3,765 Millionen Euro im europäischen Vergleich leicht hinter der der Schweiz (SMI/SMIM), allerdings klar vor Frankreich (CAC40): Die Unternehmenschefs verdienten in 2009 in der Schweiz im Schnitt 4,005 Mio. Euro und in Frankreich 2,704 Mio. Euro. In den USA betrug 2009 die durchschnittliche Gesamtvergütung der Vorsitzenden der Unternehmen im Dow Jones (DJIA) 13,121 Mio. US-Dollar oder umgerechnet (nach dem durchschnittlichen Wechselkurs des jeweiligen Geschäftsjahres) 9,828 Mio. Euro. Dies stellt auf US-Dollar-Basis einen Rückgang um 20 Prozent gegenüber 2008 dar.
Mit Blick auf die Verteilung der einzelnen Vergütungskomponenten zeigt sich, wie auch schon im Vorjahr, ein im Vergleich zu Europa völlig anderes Bild. In den USA beträgt das Fixum durchschnittlich nur 14,55 Prozent der Gesamtvergütung (1,430 Millionen Euro) und nur 30,87 Prozent (3,034 Millionen Euro) wurden durchschnittlich als variable Vergütungskomponente an die CEOs ausgezahlt. Dafür kassieren die Konzernlenker aber immense aktienbasierte Prämien. 2009 wurden 54,58 Prozent (5,364 Millionen Euro) der Gesamtvergütung der CEOs im DJIA in aktienorientierten Bestandteilen gewährt.
Ein Jahr VorstAG mit Say-on-Pay
Seit dem 5. August 2009 zwingt das Gesetz über die Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) die Aufsichtsräte, bei der Gestaltung der Vergütung ihrer Top-Kräfte noch genauer hinzusehen. Vorgeschrieben ist nun unter anderem der horizontale Vergleich mit anderen Unternehmen sowie ein Blick auf die vertikale, also unternehmensinterne Gehaltsstruktur. Die DSW begrüßt diese Neuerungen grundsätzlich als sehr sinnvolle Maßnahme, um die Angemessenheit und insbesondere auch die Nachhaltigkeit der Bezüge weiter zu steigern.
Allerdings bereitet die Umsetzung des Gesetzes den Unternehmen einige Probleme. Vor allem die nicht genauer bestimmten Rechtsbegriffe wie Üblichkeit & Angemessenheit sowie der horizontale und vertikale Vergleich sorgen für einen regelrechten Wildwuchs an neuen Komponenten. Der Standardisierung der Darstellung dient das mitnichten. Insgesamt werden die Vergütungssysteme dadurch vielfach enorm verkompliziert. Hier besteht Klärungsbedarf.
Mit dem VorstAG haben Aktionäre nun auch erstmals die Möglichkeit, auf der Hauptversammlung ein Votum über die Billigung des Vergütungssystems der Vorstandsmitglieder abzugeben, das so genannte Say-on-Pay. Dieses nicht anfechtbare Votum begründet weder Rechte noch Pflichten für die Unternehmen. „Es ist ein symbolischer Art, aber die Billigung oder Missbilligung durch die Aktionäre hat deutliche Signalwirkung für den Aufsichtsrat. Wir sehen das Say-on-Pay daher als einen Quantensprung in der Diskussion um Transparenz und Angemessenheit der Vergütung“, so Hocker.
Die DSW hatte kurz nach der Verabschiedung des VorstAG eine bundesweite Kampagne gestartet und alle DAX 30-Gesellschaften aufgefordert, vom Vergütungsvotum Gebrauch zu machen. Die Hauptversammlungssaison 2010 hat gezeigt, dass – zumindest bei den Blue Chip-Unternehmen – diese Möglichkeit genutzt wurde. So haben 27 der 30 im Dax vertretenen Unternehmen einen entsprechenden Beschlussvorschlag auf die Tagesordnung ihrer Hauptversammlung gesetzt und damit den Eigentümern des Unternehmens ein Instrument zur Kontrolle des bestehenden Vergütungssystems an die Hand gegeben. Lediglich die Infineon AG hat den Punkt „Vergütungssystem des Vorstandes“ nur zur Information auf die Tagesordnung gesetzt, ohne einen entsprechenden Beschlussvorschlag zu unterbreiten, jedoch in der Hauptversammlung erklärt, dies nach Abschluss der Überarbeitung des Systems in der Hauptversammlung 2011 nachholen zu wollen. Nur zwei Unternehmen, nämlich MAN SE und Merck KGaA haben darauf verzichtet, ein Vergütungsvotum für die Aktionäre auf die Tagesordnung zu setzen.
Als Fazit lässt sich daher bereits heute sagen, dass die Einführung des freiwilligen Vergütungsvotums ein Erfolg in der deutschen Unternehmenspraxis geworden ist. Für die Zukunft fordert die DSW die Unternehmen auf, das Vergütungsvotum regelmäßig auf die Tagesordnung zu setzen. „Aktionäre müssen immer dann abstimmen dürfen, wenn es Veränderungen im Vergütungssystem gibt“, so Hocker.
Gesamtfazit
Die Vergütung von Deutschlands Vorständen ist im vergangenen Jahr durch viele Faktoren stark beeinflusst worden. Einerseits lassen die steigenden Unternehmensgewinne die Boni anschwellen, andererseits zwingen die neuen regulatorischen Vorgaben die Aufsichtsräte dazu, genauer hinzusehen und besser erklären zu können, warum ein Vorstand verdient, was er verdient.
Insgesamt sind die Vergütungssysteme bei vielen Unternehmen stark im Umbruch. Eingebracht durch die breite Diskussion um mehr Nachhaltigkeit werden neue Faktoren und Bewertungskennzahlen eingeführt. So führen erste Konzerne im Ausland CO2-Reduktionsziele als Faktor für die Vorstandsbezüge ein. Im Inland bei Volkswagen und der Telekom will man zukünftig die Kundenzufriedenheit mit einbeziehen.
Nach Ansicht der DSW können solche weichen Faktoren als Stellgrößen durchaus sinnvoll sein, allerdings darf ihr Anteil die variable Vergütung nicht dominieren. „Das wichtigste für Anteilseigner ist die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens. Sie allein sichert die Zukunft und den Erfolg. Gewinne müssen daher neben vielen sinnvollen anderen Faktoren die wichtigste Steuerungsgröße bleiben“, so Hocker. Denn steigende Gewinne sind nun mal die Antriebsfeder unserer Marktwirtschaft.