Der Hauptversammlungsreport 2011
Die meiste Zeit des Jahres ist das Gros der Aktiengesellschaften auf Spekulationen angewiesen, wenn es um den Willen ihrer Anteilseigner geht. Der Tag der Wahrheit ist die Hauptversammlung. Auf diesen Veranstaltungen diskutieren die Aktionäre über den Geschäftsverlauf und kritisieren – falls erforderlich – die Entscheidungen der Vorstände. Gemeinsam mit dem dips Deutsches Institut für Portfolio-Strategien gemeinnützige GmbH und der FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH hat die DSW, deren Sprecher auf über 650 Hauptversammlungen pro Jahr vor Ort sind, die Aktionärstreffen analysiert. „Zusammenfassend kann man sagen, dass bei großen Gesellschaften deutlich mehr diskutiert wird. Die Präsenzen auf den Hauptversammlungen sind zwar leicht gestiegen, liegen unserer Meinung nach aber immer noch zu niedrig“, lautet das Fazit des DSW-Hauptgeschäftsführers Marc Tüngler.
Ausgewertet wurden die Aktionärstreffen der 160 Unternehmen, die im DAX30, im MDAX, TecDAX und im SDAX notiert sind. „Bei den DAX30-Konzernen lag die Dauer der Veranstaltungen mit durchschnittlich knapp 6,2 Stunden mehr als doppelt so hoch wie bei kleineren Gesellschaften“, sagt der verantwortliche FOM-Projektleiter Professor Roland Klose. Die Aktionärstreffen in SDAX waren im Schnitt bereits nach rund 3 Stunden beendet. Der Grund ist einfach: Wurden bei DAX30-Gesellschaften im Schnitt 17,8 Redebeiträge verzeichnet, gab es im SDAX im Mittel gerade einmal 4 Wortmeldungen. Im Durchschnitt aller 160 Werte waren es 8,1 Redebeiträge. Das reichte für eine Durchschnittsdauer von 4,7 Stunden.
Trotz des Diskussionsbedarfs genießen die Unternehmen und ihre Verantwortlichen durchaus das Vertrauen der Aktionäre. Die Vorstände der untersuchten 160 Werte wurden im Schnitt mit 97,7 Prozent der anwesenden Stimmen entlastet. Die Aufsichtsräte kamen auf 96,9 Prozent der Stimmen. Kritischster Punkt war die Billigung der Vorstandsvergütung. Hier lag die durchschnittliche Zustimmungsquote bei 86,7 Prozent.
Die erhobenen Präsenzzahlen sind mit durchschnittlich 59,94 Prozent der Aktionäre im Vergleich zum Vorjahr (57,78 Prozent) leicht gestiegen. Auch im Mehrjahresmittel (58,12 Prozent) ist der Wert leicht im Plus. „Zur langfristigen Sicherung der Aktionärsdemokratie wäre eine Beteiligungsquote deutlich oberhalb der 60-Prozent-Marke wünschenswert“, sagt Tüngler.
Erstmals analysiert wurde auch, inwieweit die Unternehmen von den Möglichkeiten zur Online-Hauptversammlung Gebrauch machen. Insgesamt zeigt der Report, dass sich hier vor allem Briefwahl und Live-Übertragungen etablieren. 19 Prozent der DAX-Konzerne lassen Briefwahl zu, knapp 40 Prozent übertragen die Versammlung komplett oder in Teilen via Internet. Dagegen bleiben Punkte wie eine Online-Fragestellung oder die Online-Stimmabgabe bislang weitgehend tabu. „Die technischen und rechtlichen Probleme sind immer noch nicht gelöst. Daher wird es noch dauern, bis sich die Online-HV wirklich durchsetzen wird“, so Tüngler.