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Schlechtes Zeugnis für europäische Anlegerschutzregeln
DSW-Umfrage zeigt: Privatanleger kritisieren an MiFID II vor allem Informationsflut und bemängeln Handelsprobleme bei Anleihen.
Es geht um viel: Das Vertrauen der Privatanleger in die Kapitalmärkte soll wiederhergestellt werden. Dieses Vertrauen hatte im Zuge der Finanzkrise massiv gelitten. Um das Ziel zu erreichen, hat die EU-Kommission tief in die Regulierungskiste gegriffen. Das Ergebnis: Die seit Januar 2018 geltenden EU-Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) und EU-Finanzmarktverordnung (MiFIR). Beides sind Regelwerke, die den Anlegerschutz verbessern sollen, indem sie etwa die Kostentransparenz erhöhen und die Risikoeinschätzung erleichtern. Um herauszufinden, was die privaten Investoren von den neuen Regeln halten, hat die DSW eine Umfrage durchgeführt. Das Ergebnis fällt – auf den ersten Blick – vernichtend aus: Rund 94 Prozent der teilnehmenden Anleger bewerten die neuen Regeln als „negativ“. Kritisiert werden vor allem die Informationsflut, die fehlende Möglichkeit, sich von Informationspflichten befreien zu lassen, sowie die Einschränkung beim Handel mit Anleihen.
„Wenn das ein Zeugnis wäre, wäre die Versetzung wohl gefährdet“, kommentiert DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler das Umfrageergebnis. Trotzdem hält die Anlegerschutzorganisation den eingeschlagenen Weg für richtig. „Es gibt sicher Verbesserungspotenzial. In Teilbereichen ist das Regelwerk über das Ziel hinausgeschossen. Zum Ansatz, die Transparenz zu erhöhen, gibt es aber keine echte Alternative“, ergänzt DSW-Europaexpertin Christiane Hölz.
Eine genauere Analyse der Antworten belegt, dass die hohe Ablehnungsquote nicht zuletzt auf den Auswirkungen einzelner Vorschriften beruht. So wird zum Beispiel der Handel mit einer Vielzahl von Anleihen massiv erschwert, wenn nicht sogar komplett unmöglich gemacht. Ein Grund hierfür ist die Pflicht von Anleiheemittenten, einen „Zielmarkt“ zu definieren und damit festzulegen, ob Privatanleger als potenzielle Käufer ihrer Papiere in Frage kommen. „Etliche Emittenten, die ihren Sitz außerhalb des MiFID-II-Rechtsgebiets haben, verzichten auf diese Definition. Wenn dann nicht das Vertriebsunternehmen in die Bresche springt – was leider selten der Fall ist – können die betreffenden Anleihen von Privatanlegern nicht mehr gehandelt werden“, erklärt Hölz.
Wenig erfreulich ist auch das Ergebnis der Befragung zum Informationsgehalt der neuen Basisinformationsblätter (BIBs). Rund 75 Prozent der teilnehmenden Privatanleger geben an, dass sie sich durch die neuen BIBs nicht besser informiert fühlen. Aus Sicht der Teilnehmer sind vor allem die darin enthaltenen Szenarienanalysen, die unterschiedliche Risikoszenarien abbilden sollen, oft irreführend. Mit einer Zustimmungsquote von knapp 55 Prozent kommen die Kosteninformationen (ex-ante Kostenausweis) dagegen gut an. Der größte Wunsch der befragten Anleger sind Regelerleichterungen für erfahrene Anleger, etwa der freiwillige Verzicht auf Dokumentationen. Gut 86 Prozent hielten das für „sehr sinnvoll“ oder „sinnvoll“.
„Um die Akzeptanz zu erhöhen, sollte zunächst an drei Punkte angesetzt werden: Erfahrene Anleger sollten auf bestimmte Pflichtinformationen per Opt-Out verzichten können. Die Pflicht zur Definition eines ‚Zielmarktes‘ muss so geändert werden, dass der Handel mit Anleihen dadurch nicht behindert wird. Und im Streitfall sollte die Bank beweisen müssen, dass sie korrekt beraten hat und nicht – wie bisher – der Anleger, dass er falsch beraten wurde“, fasst Tüngler zusammen.
Mitglieder wenden sich bitte an die zuständigen DSW-Mitarbeiter.
Ansprechpartner für die Presse: Jürgen Kurz, Pressesprecher