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Positionspapier der DSW zur Zukunft der Hauptversammlung
Hauptversammlungen (HV) gehören für Aktionäre zu den wichtigsten Veranstaltungen des Jahres. An diesem Tag wird nicht nur über wichtige Punkte wie etwa die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat oder den Vergütungsbericht abgestimmt, an diesem Tag können die Anteilseigner auch direkt Fragen an den Vorstand stellen und haben ein Recht auf Antwort. Zudem können sie gefasste Beschlüsse gerichtlich anfechten. „Diese Rechte wurden im Zuge der rein virtuellen Corona-Notverordnungs-Hauptversammlungen massiv beschnitten“, bemängelt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW. Jetzt will der Gesetzgeber die rein virtuelle HV, die nach aktuellem Aktiengesetz nicht möglich ist, auch für die Zeit nach der Pandemie erlauben. „Unsere Ansicht ist das nur dann eine Option, wenn die Aktionärsrechte nicht darunter leiden. Um das sicherzustellen, hat die DSW ein Positionspapier erarbeitet“, sagt die stellvertretende DSW-Hauptgeschäftsführerin Jella Benner-Heinacher. Unterstützt wird das Papier unter anderem von den eurpäischen Verbänden BETTER FINANCE und EFES (European Federation of Employee Share Ownership).
Am Freitag, den 11. März 2022, lief die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des „Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften“ ab. Die DSW, die vom Bundesjustizministerium aufgefordert worden war, eine Stellungnahme einzureichen, hat dies fristgerecht getan.
In dem Positionspapier hat die DSW ihre wesentlichen Kritikpunkte am Format der virtuellen HV zusammengefasst.
Das Positionspapier
Nur Minderheit der Wirtschaft favorisiert virtuelle HV
Die Signale „pro virtuelle HV“ aus der Wirtschaft sind nur auf den ersten Blick eindeutig. Nach Wahrnehmung der Investorenvertreter plant die Mehrheit der über 600 in Deutschland börsennotierten Gesellschaften die Rückkehr zur Präsenz-Hauptversammlung, sobald die Pandemielage dies zulässt. Die Vorschläge zur Beibehaltung der rein virtuellen Hauptversammlung stammen vor allem von einigen wenigen DAX-Unternehmen, die sich durch eine besondere Länge ihrer Aktionärsversammlung bzw. einer Vielzahl von Fragen einzelner Aktionäre offenbar „negativ“ betroffen fühlen. Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass es dabei es vor allem um das Anfechtungsrecht geht, das durch die Corona-Notstandsgesetzgebung weitgehend ausgehöhlt wurde. Ein Zustand, den einige Gesellschaften gerne für die Zukunft im Aktienrecht zementieren würden.
Interessen der Eigentümer sind entscheidend
In der aktuellen Diskussion um die Zukunft der Hauptversammlung ist aus unserer Sicht eine klare Orientierung an den Wünschen der Aktionäre und damit an den Interessen der Eigentümer und Risikoträger der Unternehmungen sachgerecht und notwendig. Für die Eigentümer von Aktiengesellschaften ist die Präsenz-Hauptversammlung, d.h. der direkte und präsente Kontakt mit der Verwaltung in Form des gesamten Vorstands und des gesamten Aufsichtsrats der Emittenten vor Ort / Face-to-Face, ein wesentliches Instrument der Corporate Governance und das zentrale Forum der Aktionärsdemokratie.
Die Generaldebatte, Rede- und Gegenrede, ist zudem Ausdruck der Machtbalance, die das Aktienrecht dem Kompetenzgefüge zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung zuschreibt. Diesen Dialog braucht es in der Hauptversammlung auch weiterhin für eine lebendige Aktionärsdemokratie/ -kultur, eine wirksame Corporate Governance und zur Stärkung des Kapitalmarkts.
Aktionärsrechte dürfen nicht von der Wahl des HV-Formats abhängen
Die neu gewonnenen technischen Kenntnisse der virtuellen Übertragung von Hauptversammlungen sollten genutzt werden, um einem breiteren Aktionärskreis die Teilnahme und Ausübung der Aktionärsrechte zum Beispiel mittels (bereits nach heute geltendem Aktienrecht erlaubten) Hybridhauptversammlungen zu ermöglichen. Dabei muss gesichert sein, dass die Aktionärsrechte (Rede-, Frage- und Auskunfts- sowie Anfechtungsrecht) unabhängig vom Format der Hauptversammlung gleichwertig gewährt werden. Die Verlagerung einzelner Aktionärsrechte ins Vorfeld der Hauptversammlung darf es nicht geben.
Tiefgreifende Beschlüsse setzen immer Präsenz-HV voraus
Unabhängig von den voranstehenden Aspekten gilt, dass eine virtuelle Hauptversammlung ungeeignet ist, wenn fundamentale Rechte der Aktionäre oder für das Unternehmen wesentliche Entscheidungen betroffen sind. So beispielsweise bei Hauptversammlungen, deren Tagesordnungen komplexe, die Eigentumsposition der Aktionäre essenziell berührende Beschlussvorschläge (z.B. Squeeze-outs oder sonstige Strukturmaßnahmen) enthalten oder bei denen aufgrund von Sondervorfällen im Unternehmen erhöhter Diskussionsbedarf besteht. In diesen Einzelfällen ist eine umfassende Auskunft der Aktionäre notwendig und geboten und sollte vom Gesetzgeber nicht beschränkt werden.
Mitglieder wenden sich bitte an die zuständigen DSW-Mitarbeiter.
Ansprechpartner für die Presse: Erik Bethkenhagen, Pressesprecher