Studie zur Umsetzung der 2. Aktionärsrechte-Richtlinie (SRDII) zeigt unverändert hohe Schranken für die Aktionärsbeteiligung auf

Düsseldorf/Frankfurt, 24.01.2023 – Trotz der großen Bedeutung, die die EU der Corporate Governance (dem „G“-Teil von ESG) und insbesondere dem Engagement der Aktionäre beimisst, gibt es immer noch erhebliche Hindernisse bei der Ausübung des Stimmrechts durch die Aktionäre. Das betrifft vor allem das Recht, an Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen teilzunehmen und/oder dort seine Stimme abzugeben. Dies gilt insbesondere grenzüberschreitend innerhalb der Europäischen Union, wo lange und komplexe Banken-Ketten es für Aktionäre schwierig und kostspielig machen, ihre fundamentalen Rechte auszuüben.

 

Obwohl der EU-Rechtsrahmen klar darauf abzielt, die Beteiligung der Aktionäre zu erleichtern, gibt es zahlreiche Probleme, durch die das Stimmrecht der Aktionäre nicht ausgeübt werden kann. Mit der seit September 2020 in Kraft getretenen zweiten Aktionärsrechterichtlinie und ihrer Durchführungsverordnung wollte der EU-Gesetzgeber Schranken bei der Beteiligung von Aktionären abbauen. So sollte die Ausübung des Stimmrechts unter anderem durch die verbesserte Übermittlung von Informationen an die Aktionäre erleichtert werden.

 

Zudem sollten die neuen europäischen Regeln dafür sorgen, den Weg für ein stärkeres Engagement der Aktionäre zu ebnen. In 2022 haben BETTER FINANCE und die DSW untersucht, ob alle Beteiligten auf der Seite der Intermediäre, also der Banken, wirklich SRD II-bereit sind. Der Schwerpunkt lag auf der Frage, ob Aktionäre ihre Stimm- und Teilnahmerechte auf Hauptversammlungen europaweit ausüben können und ob sich die Ausübung der Aktionärsrechte im Vergleich zu 2021 verbessert hat. Ein besonderer Fokus wurde in diesem Jahr außerdem auf den Service von Neo-Brokern bei der Unterstützung der Aktionäre gelegt.

 

„Die Ergebnisse unserer Untersuchung sind katastrophal. In den meisten Fällen konnten Aktionäre ihre wesentlichen Rechte auf Hauptversammlungen im europäischen Ausland weder vollständig noch teilweise ausüben. Zum einen waren die hohen Gebühren, die den Anlegern (von der Depotbank oder dem Broker) für die Stimmabgabe bei Hauptversammlungen in Rechnung gestellt werden (zwischen 20 und mehr als 250 EUR) ein spürbares Hindernis. Daneben wurden teure, neue HV-Servicepakete von den Banken eingeführt“, sagt Jella Benner-Heinacher, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der DSW.

 

Darüber hinaus wurde die Einführung von ISO 20022 auf November 2023 verschoben. Damit fehlt weiterhin ein einheitliches Nachrichtenformat innerhalb der Bankenkette für die Übermittlung hauptversammlungsbezogener Informationen. Hierdurch bleibt deren Verarbeitung bei den Banken für mindestens eine weitere Hauptversammlungssaison fehleranfällig.

 

Die Ergebnisse der Studie von BETTER FINANCE und der DSW zeigen, dass sich die Fehleranfälligkeit auf die Wahrnehmung der Aktionärsrechte auswirkt: In diesem Jahr konnten nur 48 % der von uns Befragten bei Hauptversammlungen in einem anderen EU-Mitgliedsstaat abstimmen.

 

„Unsere Studie unterstreicht die Notwendigkeit, den grenzüberschreitenden Abstimmungsprozess für Aktionäre in der gesamten EU einfacher, effektiver und effizienter zu gestalten“, sagt Jella Benner-Heinacher.

 

Je einfacher und kostengünstiger Aktionäre auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen abstimmen können, desto mehr werden sie ihr Stimmrecht auch im Ausland ausüben und so an der nachhaltigen Ausrichtung europäischer Unternehmen mitwirken können.

 

Vor dem Hintergrund des Green Deals sehen wir die dringende Notwendigkeit, den Prozess zur Einbindung des Aktionärs deutlich zu verbessern, indem wir Folgendes vorschlagen:

 

•         Sicherstellung, dass Aktionäre bei der grenzüberschreitenden Stimmrechtsausübung nicht weiter durch höhere Gebühren benachteiligt werden;

•         Transparenterer Kostenausweis durch die Depotbanken vor der Hauptversammlung;

•         Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen im Sinne sowohl der Römischen Verträge als auch der SRD II;

•         Abschaffung von allen Hindernissen, die dem Engagement der Aktionäre im Wege stehen;

•         Bewältigung von Problemen, die sich aus komplexen, fragmentierten und veralteten Prozessketten und Omnibus-Konten ergeben;

•         Vereinheitlichung der angeforderten Informationen, z.B. durch die Einführung eines EU-weit einheitlichen Stimmformulars;

•         Beschränkung der angeforderten Informationen auf das Nötigste;

•         Harmonisierung des sog. Record Dates (Stichtag für die Teilnahme an der Hauptversammlung);

•         unverzügliche Einführung einer EU-weiten Definition des Begriffs „Aktionär“;

•         Überprüfung der aufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten für hauptversammlungsbezogene Bankenprozesse.

 

Die Einhaltung dieser Regeln sollte auch für FinTechs wie z. B. Neo-Broker überprüft werden, ebenso wie die Auswirkungen ihrer Geschäftsmodelle auf die Aktionärsrechte.

 

„Im 21. Jahrhundert ist es an der Zeit, dass in Europa neue Technologien wie Blockchain/DLT eingesetzt werden, um eine direkte Kommunikation zwischen Emittenten und Aktionären zu ermöglichen und zu fördern. Zudem soll es den europäischen Bürger/innen ermöglicht werden, ihr Stimmrecht (entweder selbst oder durch Erteilung einer Vollmacht – etwa an unabhängige Aktionärsvereinigungen) als Miteigentümer von EU-Unternehmen direkt auf ihrem Smartphone auszuüben“, so Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW.

 

Kontakt:

 

DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.)

Erik Bethkenhagen

Tel.: 0211 / 6697-61

E-Mail: erik.bethkenhagen@dsw-info.de

 

 

Mitglieder wenden sich bitte an die zuständigen DSW-Mitarbeiter.

Ansprechpartner für die Presse: Erik Bethkenhagen, Pressesprecher