Besteht für den Aufsichtsratsvorsitzenden die Möglichkeit, sein Amt ruhen zu lassen?

Frage: Seit vielen Wochen verfolge ich den Fall Uli Hoeneß, den Präsidenten des FC Bayern München. Nach seiner Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung geriet er in das Visier der Staatsanwaltschaft. Es soll sogar einen Haftbefehl geben, der aber außer Vollzug gesetzt wurde. Nun habe ich gelesen, dass Vertreter des Aufsichtsrats des Fußball-Rekordmeisters ihm geraten haben sollen, seinen Vorsitz im Aufsichtsrat solange ruhen zu lassen, bis die Vorwürfe der Steuerhinterziehung geklärt seien. Meine Frage an Sie ist nun: geht das überhaupt, das Ruhenlassen eines Vorsitzes? Wie sieht die Rechtslage aus? Und wer soll in einem solchen Fall dann den Aufsichtsrat führen?

Hubertus Sch., Detmold

 

Antwort: Ihre Frage trifft den Kern eines Problems, denn das Aktiengesetz kennt ein „Ruhenlassen“ des Aufsichtsratsvorsitzes gar nicht.
Ebenso wie der Aufsichtsrat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden zu bestimmen hat, kann er ihn auch wieder abberufen. Der Abberufene bleibt dann weiter als Mitglied im Aufsichtsrat, allerdings nicht mehr als dessen Vorsitzender. Daneben ist es auch möglich, dass der Aufsichtsratsvorsitzende von sich aus sein Amt niederlegt, und zwar jederzeit und unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes.
Die Niederlegung ist sofort wirksam und auch in diesem Fall muss er nicht aus dem Aufsichtsrat ausscheiden.

In beiden Fällen, der Amtsniederlegung und bei dem Widerruf der Bestellung hat der Aufsichtsrat eine neue Person zum Vorsitzenden zu wählen. So wird sichergestellt, dass der Vorsitz nicht vakant bleibt.
Das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden ist nach dem Aktiengesetz mit so vielen wichtigen Befugnissen ausgestattet, dass es nicht unbesetzt bleiben darf. Bleibt die Bestellung eines neuen Vorsitzenden aus, dann müsste der Vorsitz des Aufsichtsrates gerichtlich bestellt werden.

Jella Benner-Heinacher