Stimmrechtsvertretung in der Hauptversammlung

Frage: Als langjähriger Hauptversammlungsbesucher muss ich feststellen, dass der Ton dort harscher geworden ist und zwar vor allem von Seiten der Aktionäre. Deshalb wundere ich mich nicht, wenn das Management nach Reformen ruft. Doch der Vorschlag des SGL-Carbon-Vorstandsvorsitzenden Robert Köhler, alle nicht vertretenen Stimmen als Zustimmung für die Verwaltung zu werten, schießt doch wohl über das Ziel hinaus?

Hubertus E. aus Trinwillershagen

 

Antwort: Dieser Vorschlag läuft auf eine extreme Stärkung der Macht des Managements zu Lasten der Anteilseigner hinaus. Unter Aktionärsdemokratie verstehen wir etwas anderes. Zunächst sollte aber die Debatte versachlicht werden. So dauern deutsche Hauptversammlung im Durchschnitt drei Stunden. Länger wird es meist nur bei einigen DAX-Gesellschaften oder wenn außerordentliche Beschlüsse anstehen. Die niedrige Präsenz auf den Aktionärstreffen ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sich die Investorenstruktur in Deutschland nachhaltig geändert hat. Verstärkt haben institutionelle Investoren aus den USA und Großbritannien hierzulande investiert. Anders als viele deutsche Investoren haben die ausländischen Aktionäre häufig klare Abstimmungsgrundsätze, die sie bei der Stimmrechtsausübung beachten. Die Aufgabe des Managements liegt also immer mehr darin, die institutionellen Aktionäre von ihren Beschlussvorschlägen zu überzeugen. Gelingt dies nicht, dann wird die Verwaltung bei der Abstimmung „abgestraft“. Erfolgsversprechender und deutlich demokratischer als der Köhler-Vorschlag, wäre der Weg über die Zahlung eines Präsenzbonus, also einer Extrazahlung für die Vertretung der Stimmrechte in der Aktionärsversammlung.

Jella Benner-Heinacher