Stellungnahme der DSW zum Referentenentwurf Honoraranlageberatungsgesetz

Referentenentwurf "Entwurf eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente" (Honoraranlageberatungsgesetz)

Die DSW begrüßt die hinter dem Referentenentwurf zum Honoraranlageberatungsgesetz stehende Intention ausdrücklich. Die Anlageberatung von Privatkunden ist das zentrale Geschäftsfeld im Privatkundengeschäft der Banken. Die bislang betriebene Selbstregulierung des Marktes war nicht erfolgreich, denn weiterhin herrscht in Deutschland zumeist allein das Provisionsmodell vor, bei dem eine Vergütung nicht durch den zu beratenden Kunden, sondern vielmehr vom Produktgeber erfolgt. Als Beispiel seien hier Zahlen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) für den Versicherungsbereich genannt: Ende September 2011 waren dort nur 209 Versicherungsberater auf Honorarbasis registriert. Dem standen rund 250.000 ausschließlich auf Provisionsbasis tätige Versicherungsvermittler, -vertreter und -makler gegenüber.

Die durch das in Deutschland praktizierte Provisionsmodell entstehende Interessenkollision ist nicht zuletzt auch durch eine Studie der EBS (www.ebs-umfrage.de) aus dem Jahr 2011 unter 1400 Anlageberatern in Deutschland belegt. Die Studie zeigt, dass sich eine ganze Reihe von Anlageberatern in Banken und Sparkassen mit einem hohen Vertriebsdruck konfrontiert sieht: Fast die Hälfte der befragten Berater schätzt die eigenen Vertriebsvorgaben als schwer erreichbar oder gar unrealistisch ein. Vier von zehn befragten Beratern sprechen von starken bis sehr starken persönlichen Belastungen durch die Vertriebsziele seitens ihres Arbeitgebers.

Daneben sind die Interessen der Kreditinstitute in Form von gesteigertem Produktabsatz und höheren Provisionserlösen laut EBS-Studie nicht immer mit den Interessen der Kunden in Form adäquater und ganzheitlicher Beratung zu vereinen. Während 14% der befragten Berater Kollisionen zwischen bankseitigen Vertriebsvorgaben und Kundeninteressen gänzlich ausschließen, gibt fast die Hälfte der befragten Berater seltene Konflikte an. Immerhin 34% der befragten Berater machen häufige Interessenskollisionen zwischen Kunde und Bank aus; 5% der befragten Berater sehen fortwährende Konflikte.

Aus Sicht der DSW ist die Einführung einer Honorarberatung als echtes Alternativmodell zur provisionsgetriebenen Beratung notwendig, um eine unabhängige und kostentransparente Finanzberatung in Deutschland zu gewährleisten, die mehr Transparenz schafft und das Bewusstsein der Anleger dafür schärft, welche Dienstleistung sie erhalten und wie diese vergütet werden. Eine gesetzliche Regelung auf nationaler Ebene zur anbieterunabhängigen Beratung ist dringend geboten. Insofern befürworten wir die Einführung einer eindeutigen Berufsbezeichnung des „Honoraranlageberaters“ bzw. des „Honorarfinanzanlageberaters“, die es dem Anleger erleichtert, die verschiedenen Beratungsformen klar zu unterscheiden.
 
Allerdings sind im vorgelegten Referentenentwurf die folgenden drei Problemstellungen nicht oder nicht sachgerecht berücksichtigt worden:

1. Ganzheitlicher Ansatzes
2. Einheitliche Berufsbezeichnung
3. Fairer Wettbewerb der Vergütungsmodelle


Zu 1. Ganzheitlicher Ansatz
Zum einen greift der Ansatz, lediglich die Beratung zu Wertpapieren und Vermögensanlagen zu regeln, Versicherungen, Kredite oder Bausparverträge dagegen nicht mit zu berücksichtigen, zu kurz. Der im Referentenentwurf auf wenige Produktgattungen reduzierte Ansatz grenzt einen Großteil der Finanz- und Vorsorgeprodukte aus und verhindert damit eine ganzheitliche Finanzberatung, die notwendig ist, um die – zumeist abstrakten und ganzheitlichen - Beratungswünsche der Anleger umfassend zu erfüllen. Ebenso wie eine provisionsgetriebene Beratung darf eine Honorarberatung nicht vom Produkt ausgehend angelegt sein, sondern muss die Wünsche und Bedürfnisse des Anlegers einer umfassenden Analyse zugrunde legen und auf dieser Basis beraten. Denn eine anleger- und anlagegerechte Beratung findet nicht statt, wenn der Honorarberater nicht zu allen Produkten umfassend beraten darf. Darf ein Berater nur zu bestimmten Produkten auf Honorarbasis beraten, ist er entweder verpflichtet, bei nicht im Referentenentwurf geregelten Produkten die Beratung an einen Kollegen weiterzugeben oder er tritt in diesem Fall als Provisionsberater auf. Beide Varianten sind aus Anlegersicht unbefriedigend und realitätsfern.

Zu 2. Einheitliche Berufsbezeichnung
Auch die Unterscheidung zwischen "Honoraranlageberater" und "Honorarfinanzanlageberater" betrachtet die DSW aus Anlegersicht mit Sorge. Wie sind die unterschiedlichen Aufsichtsregularien (KWG vs. GewO) und Rechte bzw. Pflichten der beiden Beraterformen einem Anleger zu vermitteln? Zwar befürwortet die DSW grundsätzlich die mit dem Referentenentwurf vorgenommene Einführung einer Erlaubnispflicht für Honorarfinanzanlageberater. Dennoch ist fraglich, inwieweit eine effektive Überwachung der Honorarfinanzanlageberater faktisch durch die Gewerbeämter bzw. IHKen durchgeführt werden soll. Daneben wird es laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag den befürchteten „Fleckenteppich“ bei der Erlaubniserteilung geben: In neun Bundesländern werden die IHKen für die Erlaubniserteilung zuständig sein und in sieben Bundesländern staatliche Stellen wie Gewerbeämter. Auch mit Blick auf das zum 1. November 2012 eingeführte Mitarbeiter- und Beschwerderegister (§ 34d WpHG), welches lediglich für Honoraranlageberater Anwendung findet, ist aus Sicht der DSW eine Gleichstellung der beiden neu einzuführenden Berufsgruppen und eine durchgängige Aufsicht durch die BAFin geboten. Daneben erscheint es aus Sicht der DSW geboten, die Normen des 6. Abschnitts des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) – die sogenannten Wohlverhaltens-pflichten – auch für Honorarfinanzanlageberater zur Anwendung zu bringen.

Zu 3. Fairer Wettbewerb der Vergütungsmodelle
Wesentlich ist aus Sicht der DSW außerdem, dass der vorliegende Referentenentwurf durch die Neuschaffung der Honoraranlageberatung und deren personellen, organisatorischen und sachlichen Trennung die Marktgegebenheiten in Deutschland außer Acht lässt. In vielen Fällen haben Anleger eine lange persönliche Bindung zu ihrem Bankberater. Bietet dieser lediglich eine provisionsgetriebene Beratung an, ist ein Wechsel zu einem anderen Berater nicht zwingende Folge für den Anleger. Vielmehr sehen wir das Risiko, dass sich eine Vielzahl von Anlegern allein aufgrund der bestehenden Beratungsbeziehung nicht für das Honorarmodell entscheiden und dieses damit weiterhin lediglich ein Nischendasein fristen wird.

Vorzugswürdig wäre daher, die Berater gesetzlich zur Offenlegung der bestehenden Möglichkeiten der Beratung (provisions- oder honorarfinanziert) zu verpflichten und die bei diesen beiden Varianten entstehenden Kosten gegenüber dem Anleger zu offenzulegen  – und zwar vor der eigentlichen Beratung. Nur dann wird eine echte Chancengleichheit zwischen der Provisions- und Honorarberatung gewährleistet. Und damit wäre die Entscheidung, welche Art der Beratung gewünscht ist, immer dem Anleger überlassen.


Düsseldorf, den 22. November 2012

Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.